Eine Glosse von Andreas Burgmayer

Er lag mitten auf der Straße. Die Beine und Arme von sich gestreckt. Den Blick starr nach oben in den Himmel gerichtet. Ein Transporter kam näher und näher. Schließlich fuhr er über ihn hinüber. Die Reifen verfehlten ihn nur um Zentimeter. "Rette ihn! Bitte!", schrie meine Tochter. Ich stieg in die Eisen, hielt am Straßenrand und den Verkehr auf und schnappte den kleinen, braunen Kerl aus Plüsch. "Armer Teddy! Jetzt hast du es wieder gut", sagte meine Tochter, als sie ihn behutsam neben sich setzte.

Das Mitleid mit den Dingen. Als Kind kannte ich dieses Gefühl gut. Aus Urlauben im Ausland brachte ich leere Shampooflaschen wieder mit nach Hause. Weil ich es als unzumutbar empfand, die arme Flasche allein zurückzulassen.

Ein Teddy hat mehr Seele als eine Shampooflasche. Doch die Empathie für das vermeintlich Leblose kennt auch bei meiner Tochter kaum eine Grenze. Weil ihre Musikanlage CDs phasenweise nur stotternd abspielte, schenkte ich ihr eine nagelneue. Doch die hat sie nicht angeschlossen. Das würde die alte ihr irgendwie krumm nehmen. "Die ist doch schon so lange hier." Seit Tagen erzähle ich dem Kind, dass sich die kaputte Anlage ganz doll darauf freut, endlich auf einem Recyclinghof verwertet und später wieder zu einer neuen Anlage zusammengebaut zu werden. Sie ist noch nicht restlos überzeugt. Morgen wollen wir ein neues Marmeladenglas öffnen. Oje. Das arme alte Glas hat ausgedient.