Dr. Pasquale Piturru, Pinneberger Experte für Tierverhalten , über das Wesen des Hundes

Pinneberg . Von Kindesbeinen an hatte der Pinneberger Tierarzt Dr. Pasquale Piturru das Ziel, das Wesen und Verhalten von Tieren zu ergründen. Piturru, der sich in verschiedenen Tierschutzprojekten engagiert, referiert am 20. Juni mit zwei Kolleginnen in der Kreisstadt für den guten Zweck. Das Abendblatt sprach vorab mit dem Fachtierarzt für Verhaltenskunde und Kleintiere über Hunde.

Hamburger Abendblatt:

Herr Dr. Piturru, in ihrem Vortrag werden Sie über die Lernfähigkeit von Tieren sprechen. Sind unsere Hunde die klügsten Tiere der Welt?

Dr. Pasquale Piturru:

Es gibt andere Tiere, die eine ganz außergewöhnliche Intelligenz zeigen. Kakadus zum Beispiel. Der Hund offenbart eine besondere Art von Klugheit, indem er von uns lernt. Wir denken, wir benutzen den Hund, aber der Hund benutzt auch uns. Hunde haben schon vor sehr langer Zeit erkannt, dass wir Menschen die Spezies sind, die den Planeten beherrschen.

Wie viel von ihrem Urvater, dem Wolf, steckt noch in unseren heutigen Hunden?

Piturru:

Die heutigen Hunde sind unglaublich anpassungsfähig. Ein Wolf könnte das nicht. Es gibt, außer einigen individuellen Ausnahmen, keine anderen domestizierten Tiere, denen wir beibringen können, nicht ins Haus zu machen. Auf der anderen Seite haben Wölfe zum Beispiel im Gesicht bis zu 60 Mimik-Fähigkeiten, ein Pudel und ein Deutscher Schäferhund haben nur noch zwölf. Ich liebe Möpse, aber die Natur hätte so was sicher nie gemacht.

Wir haben uns den Hund also nach unserer Fasson geformt?

Piturru:

Bei einigen Rassen, wie bei Hütehunden, hat es Sinn gemacht, beim Züchten bestimmte Merkmale oder Fähigkeiten herauszuarbeiten. Inzwischen aber tauchen immer wieder Modehund-Rassen auf, die plötzlich so angesagt sind, dass wie verrückt gezüchtet und gepaart wird, ohne auf Charaktereigenschaften der Tiere zu gucken. Da braucht nur eine bestimmte Rasse in einem neuen Walt-Disney-Film aufzutauchen.

Aus Ihrer Sicht gibt es also zu viele Hunde, es schaffen sich zu viele Menschen leichtfertig einen Hund an?

Piturru:

Das A, B, und C im Sinne des Tierschutzes ist, wenn jeder Mensch sich fragt, ob er Zeit und auch die Mittel hat, ein Tier zu betreuen und zu versorgen. Wir haben bei uns in der Praxis immer wieder erschreckende Fälle von Hunden, die sehr schlecht gefüttert, gepflegt und unzureichend versorgt sind. Nirgendwo steht geschrieben, dass jeder einen Hund haben muss.

In Pinneberg und angrenzenden Gemeinden haben zuletzt mehrfach wildernde Hunde für Schlagzeilen gesorgt. Sind das potenziell gefährliche Hunde?

Piturru:

Ein Hund jagt ein Reh, das ist biologisch gesehen das Natürlichste was es gibt. Das Verhalten passt aber nicht zu den Regeln, die wir als Gesellschaft uns gegeben haben. Der Hund kann nichts dafür, die Schuld trägt der Halter. Man muss ein Mindestmaß an Sachkenntnis haben, um solche Problemfälle zu vermeiden. Das fängt damit an, dass ich den Hund in bestimmten Gebieten nicht frei laufen lasse.

Was aber tun mit einem Hund, der einen starken Jagdtrieb hat?

Piturru:

Man kann diesen Jagdtrieb auf andere Sachen umleiten. Der Hund jagt nicht, weil er Hunger hat, das Reh ist für den heutigen Hund keine Ressource mehr. Das Hinterherhetzen ist nur der Abschluss einer Verhaltenskette des Suchen und Findens. Hunde mit Jagdtrieb können gut Mantrailing machen. Wir müssen für unseren Hund erfinderisch sein, ihn beschäftigen.

Mehr Beschäftigung von Hunden gleich weniger Probleme mit Hunden?

Piturru:

Unser Hund möchte mit uns zusammen etwas machen, wir sind seine soziale Gruppe. Wir müssen das Gehirn des Hundes stimulieren, sonst verblödet er.

Sie selbst prüfen im Auftrag der Tierärztekammer Hundetrainer, zusammen mit dem Tierschutzverein Pinneberg bieten Sie Vorbereitungsseminare für den "Hundeführerschein" an. Wie fit ist der Mensch für den Hund?

Piturru:

Es besteht leider häufig ein Mangel an Wissen. Am besten sollte es so sein, dass jeder Hundebesitzer einen Sachkundenachweis hat. Es gibt kein Patentrezept, kein Kochbuch für Hundeerziehung. Es gilt, die Bedürfnisse des eigenen Hundes zu erkennen. Es gibt viele Linien der Hundeerziehung. Ein Extrem sind Menschen, die bei der Hundeerziehung regelrecht fanatisch sind, die ihre Tiere vergöttern.

Zu viele Hundeliebe schadet also?

Piturru:

Der Hund möchte mit Menschen zusammen sein, die souverän sind. Der Mensch darf sich nicht auf das Level des Hundes bewegen. Die Rollen müssen klar festgelegt sein. Viele behandeln den Hund als gleichberechtigtes Familienmitglied. Damit kann der Hund schlecht umgehen. Sonst möchte er in der Hierarchie nach oben, kann die Position aber nicht ausfüllen. Wie kann er der Chef sein, wenn er den Kühlschrank nicht aufmachen kann...?!

Also braucht der Hund klare Regeln?

Piturru:

Am besten für den Hund ist eine liebevolle, klar strukturierte Beziehung. Machen wir immer wieder Ausnahmen von der Regel, versteht der Hund das nicht. Wir müssen für ihn berechenbar sein.

Nehmen Besitzer die Ratschläge an?

Piturru:

Doch, viele Menschen sind dankbar für gute Ratschläge. Es dauert häufig nur ganz kurze Zeit, bis ich merke, wie Mensch und Hund miteinander umgehen, was vielleicht falsch läuft. Ich selbst lebe seit Kindertagen mit Hunden zusammen. Und als Mensch muss ich mich bei allen von ihnen für die Fehler entschuldigen, die ich damals gemacht habe.