Der Turm der Marienkirche wird 150 Jahre alt. Am 26. Mai feiert Quickborn den Anbau

Quickborn. So hätte der königlich-dänische Hofbaumeister Christian Frederik Hansen (1756-1845) sich den Turm für seinen Erstling auf dem Gebiet sakraler Bauten, die evangelische Marienkirche in Quickborn, bestimmt nicht vorgestellt. 32 Meter schlanke Neoromanik in schönstem Backstein, mit Turmuhr, mittlerweile drei Glocken und stolzer Wetterfahne auf der Spitze, setzte der Rellinger Maurermeister Nicolaus Donath im Auftrag der Quickborner Bürger 1863, 54 Jahre nach der Einweihung der Marienkirche, mitten in die klassizistischen Friese der Giebelfassade des vielleicht schönsten Baudenkmals der Eulenstadt. Diesen eigenwilligen Anbau gibt es jetzt seit exakt 150 Jahren. Und das feiert die Kirchengemeinde mit einem bunten Familienfest rund um das Geburtstagskind am Sonntag, 26. Mai, von 11 bis 17 Uhr. Den Festgottesdienst von 10 Uhr an hält Propst Thomas Drope.

Nicht, dass der Anbau-Turm, den der Kieler Architekt Krüger entworfen hatte, hässlich wäre. Er passt nur stilistisch nicht zu der von der klassischen Antike inspirierten Linienführung Hansens. Wie anders die Kirchtürme des Dänen aussehen, der wie Karl Friedrich Schinkel zu den bedeutendsten Architekten des Klassizismus zählt, zeigt sich an seinen zehn Kirchen in Schleswig-Holstein und Dänemark, darunter auch der Kopenhagener Dom und die Schlosskirche, die Husumer Marienkirche und die Vicelinkirche Neumünster. Kompakt, beinahe wuchtig, trotzen sie Wind und Wetter im Norden.

Für seine erste Kirche hatte Hansen allerdings überhaupt keinen Turm vorgesehen, sondern die Glocke in einen bescheidenen Dachreiter integriert. "Diese kostengünstige Lösung war den Quickbornern damals sehr recht", sagt Irene Lühdorff, die als Pressesprecherin des Kirchgemeinderats und Mitglied der Geschichtswerkstatt Quickborn den Werdegang des Turms aufgearbeitet hat.

Kommune und Kirchengemeinde waren arm, die Bürger hatten sich lange gegen den Neubau einer Kirche gesträubt. Doch der Vorgänger des Hansen-Baus, eine Fachwerkkirche, drohte einzustürzen. Der dänische Herrscher bezuschusste den Neubau schließlich. 1809 weihte die 1000-köpfige Gemeinde die neue Kirche ein.

Knapp zwei Generationen später sah die Lage anders aus. Mit der Einweihung der Chaussee Altona-Kiel anno 1832, der heutigen Kieler Straße, hatte sich die wirtschaftliche Situation des bis dato eher abgelegenen Ortes deutlich verbessert. Entlang der Chaussee, an der auch die Marienkirche steht, entstanden mehr und mehr stattliche Bürgerhäuser. Und die verdeckten das Gotteshaus. "Die Quickborner wollten ihre Kirche wieder sichtbar machen, und das ging nur mit einem Turm", sagt Irene Lühdorff. Warum die Bauherren sich gegen einen "Hansen"-Turm wie im nahen Neumünster entschieden, ist nicht klar. Fachfrau Lühdorff vermutet politische Gründe: "Möglicherweise sträubte man sich dagegen, ein Jahr vor Ausbruch des Krieges gegen Dänemark 1864 einen dänischen Kirchturm zu bauen."

Die erste Glocke des neuen Turms läutete noch zum 100. Geburtstag der Kirche 1909, bevor sie 1910 zersprang. Ihre Nachfolgerin, geweiht im August 1910, tat bis 1971 Dienst. Dann legte die Gemeinde sie aus Sicherheitsgründen still. Bis 1950 war das Läuten noch schweißtreibende Handarbeit, bevor die Gemeinde einen Elektromotor installieren ließ.

Die dritte Läutwerk-Generation von 1972 umfasst gleich drei Glocken und funktioniert bis heute. Allerdings nicht im Original-Glockenstuhl von 1863. Jene direkt mit dem Mauerwerk verbundene Stahlkonstruktion war instabil geworden und wurde bei der Sanierung 1999 durch einen hölzernen Nachfolger ersetzt.

Gleichzeitig ließ die Gemeinde eine Computersteuerung einbauen, die die Glockenfrequenzen so austariert, dass sie sich gegenseitig aufheben und die Stabilität des Turms nicht gefährden können.

Die Sanierung des Bauwerks war auch die Geburtsstunde der alle zwei Jahre gefeierten Turmfeste. Ursprünglich ging es darum, Geld für die Restaurierungsarbeiten zu sammeln. Die Glocke von 1910 läutet heute übrigens immer noch, zumindest indirekt. Aus ihrem Material wurde die Glocke für die Friedhofskapelle gegossen.

Sein Innenleben offenbart der Turm nur den Fachhandwerkern, die das Läutwerk warten. Für die Öffentlichkeit ist er gesperrt, aus Sicherheitsgründen. Allerdings lohnt der Aufstieg ohnehin kaum, denn der Turm hat keine Fenster.

Dafür verfügt der Backsteinriese seit der 2007 abgeschlossenen Sanierung der Marienkirche direkt am Eingang über ein besonders geschichtsträchtiges Detail: die Original-Eingangsstufe, über die schon Architekt Hansen von mehr als 200 Jahren geschritten ist, um seine erste Kirche zu begutachten.

"Als der Turm an der Westseite der Kirche angebaut wurde, verlegte man die Eingangsstufe an den neuen Eingang", sagt Irene Lühdorff. Erst im Zuge der Sanierung entdeckten Handwerker die Sandsteinschwelle wieder. Sie waren dabei, einen barrierefreien Zugang zur Kirche zu schaffen.

Für das Turmfest am Sonntag, 26. Mai, hat das sechsköpfige Organisationsteam um Pastorin Claudia Weisbarth gemeinsam mit vielen ehrenamtlichen Helfern ein vielseitiges Programm mit Tombola, Bühnenshow, Versteigerung, Flohmarkt, Hüpfburg und Angeboten für die Kinder auf die Beine gestellt. Zur Erfrischung gibt es Salate, Grillspezialitäten und ein Kuchenbuffet. Der Erlös des Turmfestes fließt je zur Hälfte in die Erhaltung der Marienkirche und in das Schulprojekt in der indischen Patengemeinde Doliambo.