Bundesverkehrsminister Ramsauer will aus dem Küstenschutz für die Hochseeinsel aussteigen. Ablehnung bei Bürgermeister und Politikern

Helgoland . Die Ankündigung von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), dass der Bund künftig aus der Finanzierung des Küstenschutzes für Deutschlands einzige Hochseeinsel aussteigen wolle, stößt auf Helgoland und in Schleswig-Holstein auf Ablehnung. "Wären wir noch britisch", sagt Bürgermeister Jörg Singer, "dann würde ich jetzt sagen: I'm not amused." Für den Helgoländer Hans Stühmer ist der Vorstoß Ramsauers eine unmittelbare Folge des Verkaufs des Hafengeländes durch den Bund an die Gemeinde Helgoland. "Der Bund hat den Schlüssel hinter sich geworfen und sieht jetzt die Chance, Helgoland loszuwerden", sagt der Pensionär, der sich für Die Linke auf der Insel engagiert.

In einem Brief an Schleswig-Holsteins Küstenschutzminister Robert Habeck (Grüne) hatte sich Ramsauer laut der Deutschen Presseagentur dafür stark gemacht, die Unterhaltungszuständigkeit für Helgoland neu festzulegen. Habeck reagierte entsetzt und warf dem Minister Geschichtsvergessenheit vor. Der Bund versuche hier, sich freizukaufen, und der Bayer Ramsauer mache nicht einmal Halt vor nationalen Symbolen wie Helgoland.

Größter Eigentümer der Insel sei die Bundesrepublik Deutschland, so Bürgermeister Singer. 160.000 Schiffe passierten im Jahr die Insel und fänden dort Schutz. "Wir haben zudem das Projekt Offshore und Energiewende auf Helgoland als nationales Projekt vorangetrieben. Auch dadurch erhöht sich der Schutzbedarf der Insel." Die Gemeinde Helgoland habe dem Bund das Hafengelände abgekauft. "Da haben wir uns richtig aus dem Fenster gelehnt." Das Areal sei stark kriegsbelastet. Für die Kampfmittelsanierung habe Helgoland einen Kommunalkredit in Höhe von vier Millionen Euro aufnehmen müssen. Seit Jahren versuche die Insel, sich unabhängig von öffentlichen Förderungen zu machen. "Der Streit zwischen Herrn Ramsauer und Herrn Habeck fördert nicht gerade unsere Motivation, wirtschaftlich tragfähig zu werden", so der Rathauschef. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst Dieter Rossmann aus Elmshorn sieht in Ramsauers Plan einen Frontalangriff auf die Sicherheit der Inselgemeinde und ihre Zukunft. "Es ist unhistorisch und vollkommen sachfremd. Der Schutz von Deutschlands einziger Hochseeinsel bleibt nationale Aufgabe."

Rossmann wirft Ramsauer vor, Schleswig-Holstein ein weiteres Mal auf instinktlose Weise vor den Kopf zu stoßen. "Wenn Adenauer Helgoland noch als Symbol für Frieden und Völkerfreundschaft gesehen hat und auch unter seinen Nachfolgern die gemeinsame Bundesverantwortung für die Insel nie in Frage stand, so erscheint Helgoland bei Ramsauer nur noch als Klotz am Bein", sagt Rossmann.

Es geht um Ausgaben in Millionenhöhe. Allein eine 2008 neu gebaute Spundwand zum Schutz des Inselsockels kostete den Bund 4,5 Millionen Euro. Wie viel der Bund durchschnittlich im Jahr für die Insel ausgibt, lässt sich laut Kieler Küstenschutzministerium schwer beziffern, da die Höhe stark von konkreten Einzelprojekten abhänge. Schleswig-Holstein sei schon für die Düne und den Hochwasserschutz Helgolands verantwortlich. 2011/2012 habe das Land zum Beispiel fast eine Million Euro für ein Stück Hochwassermauer bezahlt. Und die Düne sei mit Beton-Wellenbrechern - Tetrapoden - ebenfalls für rund eine Million Euro gesichert worden.

Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes kommt laut Ministerium seit 1961 für den Uferschutz des Sockels der Insel Helgoland auf. Grundlage dafür sei ein Übereignungsvertrag, mit dem das Land Grundstücke als Gegenleistung für den Uferschutz an den Bund übergeben habe. Der Bund sei damit auch als Eigentümer zuständig. Außerdem sei das auch im Bundeswasserstraßengesetz so geregelt. "Der Bund hat gesetzlich die Verantwortung übernommen, und jetzt will er sie loswerden", sagte Habeck.

Ramsauer argumentiert, dass sich die Verwaltungskompetenz des Bundes auf die Bundeswasserstraßen und ihre Verkehrsfunktion beschränke. Die Unterhaltungsaufgaben müssten folglich auch einen Verkehrsbezug haben. "Die Sicherung des Bestandes der Insel Helgoland ist also nicht Bundesaufgabe", folgert Ramsauer.

Ihm sei bewusst, dass die WSV die Unterhaltung nach dem Zweiten Weltkrieg aus historischen Gründen übernommen habe. Diese seien aber überholt, sodass eine etwaige Vereinbarung gekündigt oder angepasst werden müsse, heißt es in dem Brief von Ramsauer an Habeck. Darin verweist der CSU-Minister auch auf die Möglichkeit, dass Maßnahmen des Küstenschutzes vom Bundeslandwirtschaftsministerium mit 70 Prozent mitfinanziert werden können. Das Bundesverkehrsministerium betonte mittlerweile, dass Ramsauer in dem Brief auch "eine einvernehmliche Lösung" mit Schleswig-Holstein anstrebe.

Insel-Kenner Hans Stühmer jedenfalls sieht schwarz für die Zukunft des roten Felsens, wenn es bei den Berliner Plänen bleibt. In den kommenden Jahren müssten die Südwestmole, die gesamte Südmole und die Ostmole saniert werden. "Das sind gigantische Kosten, die aufs Land zukommen, wenn der Bund aus dem Küstenschutz aussteigt. Und es wird so kommen", prophezeit der Diplomingenieur und ehemalige Leiter der Helgoländer Außenstelle des Wasser- und Schifffahrtsamtes Tönning.