Landrat Oliver Stolz spricht über die Fünf-Prozent-Klausel, über Wahlbeteiligung und über das politische Engagement der Bürger in den Kommunen. Er hofft, dass sich viele Menschen an der Wahl beteiligen.

Kreis Pinneberg. Am Sonntag entscheiden die Bürger des Kreises Pinneberg über die Politik vor ihrer Haustür. Landrat Oliver Stolz spricht im Abendblatt-Interview über die Fünf-Prozent-Klausel, über Wahlbeteiligung und über das politische Engagement der Bürger in den Kommunen.

Hamburger Abendblatt: Wie schätzen Sie die politische Lage im Kreis Pinneberg vor der Kommunalwahl ein?


Oliver Stolz: Der Kreistag hat in den vergangenen Jahren fraktionsübergreifend gute Arbeit geleistet. Es wurden zahlreiche große Themen – sicher auch manch unangenehme Themen, wie die Konsolidierung der Haushalte bearbeitet und beschlossen. Dass die meisten an der Sache orientiert geführt wurden, hat sich nach meiner Wahrnehmung positiv auf die politische Kultur ausgewirkt.

Wie beurteilen Sie in diesem Jahr die Qualität des aktuellen Wahlkampfes? Unterscheidet er sich von 2008 und 2003?

Stolz: Sicherlich gibt es in manch einer Gemeinde tatsächlich auch noch Wahlkampf, um akut anstehende Probleme und Projekte – da ist er dann auch intensiv, aber ich nehme insgesamt wahr, dass der Blick nach vorne auf die Aufgaben der Zukunft gerichtet wird. Die Parteien gerade auf Kreisebene bemühen sich bisher sichtbar und um der Sache willen, strittige Themen aus dem Wahlkampf herauszuhalten und ihre strategischen Positionen darzustellen, damit sich die Wähler nicht nur anhand einer Momentaufnahme eine Einzelmeinung bilden, sondern sich über die Ziele im Großen und Ganzen klar werden.

Welche Besonderheiten sehen Sie in diesem Wahlkampf?

Stolz: Stolz: Eine Besonderheit ist sicherlich, dass für die Kreiswahl acht bzw. auf Helgoland sogar neun Parteien und Wählergemeinschaften antreten, in anderen Kommunen wiederum ein Schwund an politisch Engagierten erkennbar ist, der Sorge bereitet, denn letztlich heißt dies am Ende auch: Es gibt vielleicht zu wenig Bürgerinnen und Bürger, die sich für die Allgemeinheit einsetzen. Kommunalwahlen sind für die Kommunen und auch für die zahlreichen ehrenamtlichen Wahlhelfer eine große organisatorische Herausforderung.

Die Fünf-Prozent-Hürde ist abgeschafft. Halten Sie das für sinnvoll?

Stolz: Die Fünf-Prozent-Klausel wurde durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes bereits 2008 abgeschafft, also vor den letzten Kommunalwahlen. Ich halte die Abschaffung auf kommunaler Ebene daher für sinnvoll. Eine Vielfalt an Parteien und Wählergemeinschaften tut einem Parlament aus meiner Sicht gut, solange es arbeitsfähig bleibt. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die kommunalen Gremien trotzdem arbeitsfähig sind und es keine Zersplitterung gibt. Ein paar Stimmen muss man ja weiterhin erhalten, um die kommunalen Parlamente einzuziehen...

Wie sollen künftig Kreistagssitzungen organisiert werden, wenn acht Fraktionen im Kreistag sitzen und Rederecht haben. Dauern die Sitzungen doppelt so lang oder finden sie an zwei Tagen statt?

Stolz: Ich habe keine Zweifel, dass der Kreistag auch weiterhin zu seinen Entscheidungen kommen wird. Viel Sacharbeit wird zudem vor der Beratung im Kreistag in den Ausschüssen gemacht. Und demokratische Vielfalt schadet keinem Parlament. Außerdem bin ich sicher, dass die zukünftige Kreispräsidentin oder der zukünftige Kreispräsident die Sitzungen souverän leiten wird. Aber warten wir mal die Wahl ab.

Wie stark beeinflussen Bundes- und Landespolitik den Wahlkampf im Kreis Pinneberg. 2003 war Schröders Agenda 2010 Ursache dafür, dass SPD und Grüne die Mehrheit im Kreistag verloren.

Stolz: Die Menschen können schon differenzieren zwischen Entscheidungen, die auf Bundes- oder Landesebene getroffen werden beziehungsweise direkt vor Ort. Die unmittelbare Betroffenheit von Entscheidungen, die vor Ort getroffen werden, ist ja teilweise auch viel direkter. Wo werden Schulen, Sporthallen oder Kindertagesstätten gebaut, was bietet eine Stadt an Angeboten für Kinder- und Jugendliche. All das sind Themen, die vor Ort entschieden werden. Da haben die Bürger ein gutes Gespür für. Natürlich können bundes- oder landespolitische Entscheidungen nebenbei auch eine Rolle bei der Wahlentscheidung spielen

Noch nie hatten so viele Menschen im Kreis Pinneberg die Wahl. In den vergangenen Jahren ist die Wahlbeteiligung allerdings verlässlich gesunken. Was schätzen Sie, wie hoch wird die Wahlbeteiligung in diesem Jahr sein?

Stolz: Stolz: Rund 249.000 Menschen können im Kreisgebiet bei der Kommunalwahl ihre Stimme abgeben. So viele Menschen hatten tatsächlich bisher noch nie die Wahl. Leider sind bei der Kommunalwahl 2008 weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten zur Wahl gegangen. Ich hoffe, dass die Wahlbeteiligung am Sonntag höher sein wird. Ich kann alle Menschen nur motivieren, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Kommunalpolitik betrifft uns alle, die zahlreichen ehrenamtlichen Politiker haben eine hohe Wahlbeteiligung verdient.

Es mangelt nicht nur zunehmend an Wählern, es mangelt auch an Kandidaten. Zeitweise haben die Parteien in kleinen Gemeinden wie Borstel-Hohenraden und Bokholt-Hanredder keine Kandidaten gefunden. Haben Sie ein Rezept gegen Politikverdrossenheit?

Stolz: Stolz: Glücklicherweise können in allen Städten und Gemeinden in Schleswig-Holstein die Wahlen stattfinden, da überall Parteien oder Wählergemeinschaften zur Wahl stehen. Ein Patentrezept gegen Politikverdrossenheit gibt es aus meiner Sicht nicht. Was die Wähler abschreckt ist, wenn sich Politik nur mit sich selbst beschäftigt und es nicht um Sachthemen gibt. Der aktuelle Wahlkampf wird aber sauber und an Sachthemen orientiert geführt. Ich hoffe, dass dies die Wahlbeteiligung steigern wird.

Die Jusos haben mit der Kampagne „Junge Ideen. Für uns. Für alle.“ speziell mit jungen Kandidaten um junge Wähler geworben. Brauchen wir mehr junge Menschen mit jungen Ideen in der Kreispolitik?

Stolz: Auch ältere Menschen können junge Ideen haben. Gute Politik ist keine Frage des Alters. Wie in vielen Bereichen ist der demografische Wandel auch in der Politik spürbar. Die Parteien und Wählergemeinschaften müssen gerade vor Ort die Gestaltungsmöglichkeiten aufzeigen und dadurch die Bürger motivieren, sich zu engagieren. Gerade junge Menschen können so ihre Zukunft mitgestalten.

Wo werden Sie wählen - und wann?

Stolz: Ich werde am Sonntag mit meiner Frau in unserer Heimatgemeinde Kummerfeld wählen gehen und abends die Ergebnisse im Wahlstudio im Kreishaus verfolgen.

Ihr Tipp: Wie geht die Wahl aus?

Stolz: Meine Hoffnung: Mit einer hohen Wahlbeteiligung.