Der Billardclub Wedel begeistert mit Leidenschaft und Präzision. Dazu gehören auch drei norddeutsche Meister im Jugendbereich.

Drei Bälle liegen vor Jörg Unger. "Freie Partie, Cadre, Einband, Dreiband und Kegelbillard. Das sind die verbreitetesten fünf Varianten im Karambol" erläutert der Vorsitzende des Billardclubs Wedel, 49. Dann demonstrieren er und Jugendwart Andreas Meißner, 50, einige Varianten. "Beim Kegelbillard kollidieren zwei Bälle und kleine Kegel werden umgeworfen. Bei allen anderen Varianten gilt immer: Ball 1 muss erst Ball 2 und dann Ball 3 treffen", erklärt Unger. Er stößt an. Der weiße Ball berührt Gelb, legt einen langen Weg über drei Banden zurück und tätschelt zum Abschluss Rot ganz sanft. "Das war jetzt ein Dreiband-Stoß", sagt Unger.

Ausgeführt wurde er auf einem warmen Tisch. Die Tische sind beheizt, das Tuch hat eine Temperatur von 25 bis 28 Grad. "Das fördert den flüssigen Lauf der Bälle", erklärt Meißner. Der kleine Billardclub Wedel überlässt eben nichts dem Zufall - und hat daher große sportliche Erfolge aufzuweisen. Die heute in der dritten Klasse (Oberliga) beheimateten Wedeler spielten mit Unterbrechungen 25 Jahre in der zweiten Bundesliga. Die finanziellen Mittel reichen jedoch für einen sportlichen Aufstieg nicht mehr aus.

"Um einen Relegationsplatz bewerben wir uns nicht", sagt Meißner, der gemeinsam mit seinen damaligen Kollegen schon 1981 die Austragung der Europameisterschaft in der damaligen Ernst-Barlach-Schule organisierte. Kommentiert wurde sie von Reporterlegende Addy Furler, Schauspieler und Entertainer Peter Frankenfeld war als Ehrenmitglied anwesend, das Fernsehen übertrug das Ereignis. "Doch wir leben nicht nur in der Vergangenheit", betont Meißner.

Mit Max Hüttich (U 19), Rene Förthmann (U 17) und Christian Koch (U 15) stellt der Verein drei norddeutsche Meister in der Distziplin Freie Partie. Arnd Riedel holte 2012 bei der deutschen Meisterschaft zweimal Silber und einmal Bonze in der Freien Partie und beim Cadre. Im Mannschafts-Mehrkampf gelang in den letzten fünf Jahren stets der norddeutsche Meistertitel. Mit Maximo Aquirre spielte sogar ein zweimaliger Mannschafts-Weltmeister beim BC Wedel. "Ich kannte Maximos Bruder Rolando vom Catchen und überredete ihn zum Billardspielen bei uns. Rolando brachte Maximo mit, der gerade Mannschaftsweltmeister geworden war", sagt Gründungsmitglied Manfred Meyer. Auch Martin Horn, Deutschlands bester Dreibandspieler, ist durch eine kuriose Geschichte mit dem BC Wedel verbunden und zahlt monatlich einen Förderbeitrag. "1998 fand die Mannschaftsweltmeisterschaft in Viersen statt. Wir sind mit 20 Schlachtenbummlern hingefahren und haben Martin bei seiner Vorstellung die ganze Zeit tüchtig angefeuert", sagt Meyer schmunzelnd. "Das hat er uns nie vergessen."

Überhaupt zeichnet den Verein ein riesiges Engagement nicht nur in eigener Sache aus. Der Vorsitzende Unger lobt seinen Vorgänger Meißner für seine Leistungen für die Mitglieder. "Was er hier auf die Beine gestellt hat, nicht nur beim Clubheim, ist überragend." Unger selbst lässt sich jedoch auch nicht lumpen. Er ist als Schiedsrichter bei internationalen Turnieren unterwegs und bewundert bis heute die Präzision der Spitzenspieler. Vergangenes Jahr in Ägypten geriet er sogar in die Bredouille. Sein großes Vorbild, der Belgier Frederic Caudron, stellte im Halbfinale des Weltcups den Weltrekord bei einer Serie von Karambolstößen ein. "Ihm gelangen 28 Punkte hintereinander. Ich schwitzte und hatte feuchte Hände. Der 29. Stoß ging haarscharf vorbei und ich war schwer in Versuchung, den einfach zu zählen", sagt Unger.

Seine Herangehensweise ist ähnlich leidenschaftlich wie die von Meißner und Meyer. Letzterer trainierte in den 80er-Jahren vier Wochen lang gegen einen Teddybär. "Ich durfte gegen mein Idol Raymond Ceulemans spielen. Nach der Auslosung hatte ich Angst, mich zu blamieren", sagt Meyer. Dann kam er auf die entscheidende Idee. Meyer setzte einen Teddybären in einen Stuhl nahe seines Trainingstisches, redete sich ein, das sei Ceulemans und trainierte vier Wochen lang ununterbrochen. "Ich habe mich dann ganz achtbar aus der Affäre gezogen", sagt Meyer. Noch heute steht er jede Woche stundenlang am Tisch. "Krambol ist ein wunderbares Spiel. Es gibt nie ein Ende in der Entwicklung. Es geht immer weiter", sagt Meyer. Während für Meißner ein Spiel erst richtig rund läuft, "wenn ich die Bälle fühlen kann", fasziniert Unger "das Umsetzen eigener Ideen. Man rechnet sich etwas aus und versucht, es genauso hinzubekommen. Fehlt die Präzision, klappt es nicht. Das ist eine stetige Herausforderung", sagt der Vereinsvorsitzende.

Dann wendet er sich zu Meißner, der in der Jugendarbeit viele Initiativen wie Bowlingabende und Ausfahrten mit den Jugendlichen startet. Beide hoffen darauf, den Club, der diverse norddeutsche Meisterschaften und Turnierserien ausrichtet, wieder zu mehr Bekanntheit zu verhelfen. Meißner stützt sich auf dem Tisch ab. "Eines ist auf jeden Fall sicher", sagt er, "noch wenn wir 90 sind, werden wir herkommen und Billard spielen. Mit diesem Sport ist man niemals fertig."