So funktioniert Nahversorung auf dem Land: Von Haseldorf aus starten seit kurzem Touren zum Discounter in der Stadt. Wege für Bewohner auf dem Land werden immer weiter.

Haseldorf. Die Dorfsheriffs stehen vor dem Aus. Die Post zieht sich aus den ländlichen Regionen zurück. Und auch den Tante-Emma-Laden gibt es so nicht mehr. Die Wege für Bewohner auf dem Land werden immer weiter. Gerade Senioren, die nicht mehr so mobil sind, trifft das besonders hart. Da kann sich bereits der Kauf von ein bisschen Waschpulver als enorm große Herausforderung entpuppen. Wie soll man hinkommen und vor allem wie wieder mit den schweren Tüten ins mehrere Kilometer entfernte Heim zurückkehren? Na, mit dem Gemeindebus natürlich! Zumindest, wenn man in Haseldorf lebt.

Denn im beschaulichen 1720-Seelen-Dorf in der Marsch hat man das Problem der älteren Mitbürger erkannt und Abhilfe geschaffen. Seit kurzem bietet die Gemeinde einmal pro Woche Einkaufstouren mit einem neu angeschafften Fahrzeug an. Die Senioren melden sich einfach beim ehrenamtlichen Fahrer an. Er organisiert je nach den Bedürfnissen der Teilnehmer, wohin die Reise geht.

Diesmal ist Uetersen das Ziel. Mit von der Partie sind sechs Senioren. Pünktlich um 10 Uhr steht Elisabeth Belz vor der Tür ihres Einfamilienhauses in Haseldorf. Für die 88-Jährige ist es ihre Jungfernfahrt mit dem Einkaufsbus. Normalerweise nutzt sie den öffentlichen Nahverkehr, um Lebensmittel zu kaufen. Aber dabei ist sie auf Hilfe angewiesen. "Ich fahre mit dem Bus nach Uetersen rein und mein Schwiegersohn muss mich wieder mit zurück nehmen. Der Bus fährt so selten. Sonst müsste ich stundenlang in Uetersen warten", erklärt sie. Und so gut zu Fuß sei sie nicht mehr.

Ähnlich ergeht es Anita Schulze. Sie steigt wenig später in den durch Sponsoren finanzierten Gemeindebus über einen für sie parat gestellten Tritt ein. Haseldorfs Bürgermeister Uwe Schölermann reicht der 90-Jährigen persönlich beim Einsteigen in den Neunsitzer eine helfende Hand. Er ist diesmal mit dabei, weil der eigentliche Fahrer im Urlaub weilt. Die gebürtige Haseldorferin hat nicht vor, im Alter ihre Heimat zu verlassen. Hier kennt sie jeden, hier spielt sie Skat, geht zum plattdeutschen Abend. Wie sie bislang schwere Einkäufe wie Getränke regelte? Ein Freund übernehme das für sie. Dafür kocht sie etwas für ihn. "Auf dem Land hilft man sich gegenseitig, so lange es geht. Wenn es nicht mehr geht, greift dieses Angebot", erklärt Christdemokrat Schölermann.

Innerhalb von 15 Minuten sind alle Teilnehmer der Einkaufsfahrt eingesammelt. Vorbei an Wiesen und blühenden Apfelbäumen geht es von Haseldorf aus zum rund acht Kilometer entfernten kleinen Nahversorgungszentrum in Uetersen. Der Bus stoppt direkt vor der Tür. Schulze und Belz steuern die Einkaufswagen an. Sie teilen sich einen. Innerhalb von 30 Minuten wandern Schokolade, Kaffee, Tee, Rosinenstuten und Marmelade in den Wagen. Schulze sucht noch den 40-prozentigen Speisequark, weil sie am Nachmittag Kuchen backen will. Zwischendurch wird auf den Gängen geklönt, meist op platt. "Es geht nicht nur ums Einkaufen", bestätigt Schölermann. "Sondern natürlich auch um die Kontaktpflege." Dann hilft er den Damen wieder in den Bus. Bevor es zurück nach Haseldorf geht, will man noch in Moorrege beim Blumenhändler halten.

Haseldorf ist nicht die einzige Gemeinde, die Einkaufstouren anbietet. Auch in der rund 1400 Einwohner großen Nachbargemeinde Hetlingen werden solche Fahrten einmal pro Woche organisiert. Aber hier geht man noch einen Schritt weiter. In der Gemeinde gibt es Überlegungen, einen Marktreff zu initiieren. Mit Jan Prange steht ein Interessent bereit. Das geplante Konzept sieht als Standort das Gebäude der Raiffeisenbank Elbmarsch an der Hauptstraße 25 vor.

Das vom Kieler Landwirtschaftsministerium forcierte und aus EU-Fördermitteln unterstützte Projekt soll die Grundversorgung in ländlichen Räumen sichern. Unter einem Dach soll es möglichst nicht nur Lebensmittel, sondern auch weiteren Service wie Post, Lotto und eine Reinigung geben. 50 solcher Markttreffs will das Ministerium in den kommenden Jahren in Schleswig-Holstein realisieren.

Im Kreis Pinneberg trägt die Idee bislang nur im 2500-Seelen-Dorf Heidgraben Früchte. Seit Ende 2012 wird an dem Markttreff gebaut. Auf einem Grundstück an der Betonstraße entsteht für 2,2 Millionen Euro ein Neubau. 750.000 Euro fließen an Zuschüssen.

Während in Heidgraben bald vor der Tür eingekauft werden kann, müssen auch andere Gemeinden kreativ werden. Ein Vorbild kann auch Seester sein. Dreimal pro Woche kommt in das 1000-Einwohner-Dorf ein rollenden Laden. Der Verkaufswagen von Sönke Schlüter bringt den Bewohnern Lebensmittel und Backwaren.

Wer an den Einkaufstouren in Haseldorf teilnehmen will, meldet sich unter der Telefonnummer 04129/215 98 46. Über die Hetlinger Touren informiert das Bürgerbüro unter 04129/9 79 90.