Vor 80 Jahren landete Literatur auf dem Scheiterhaufen: Gerd Berghofer gastiert mit seinem Programm in der Drostei

Pinneberg. Am Freitag, 10. Mai, jährt sich der Tag der Bücherverbrennung von 1933 zum 80. Mal. Dieser geschichtlichen Zäsur widmet die Drostei in Pinneberg am Dienstag, 14. Mai, besonderen Raum. Der Autor und Rezitator Gerd Berghofer ist von 19.30 Uhr an mit seinem Programm "Die verbrannten Dichter" im barocken Kreiskulturzentrum zu Gast. Berghofer zeichnet mit Gedichten und Prosatexten die Biografien der geschmähten Schriftsteller und Journalisten nach. Der bibliophile Franke wurde selbst mit zahlreichen Lyrik- und Literaturpreisen bedacht. Fünf Gedichtbände, eine CD mit Gedichten sowie die Erzählungen "Beziehungen und andere Feindschaften" und "Der Tod der Feigenverkäuferin" hat Berghofer veröffentlicht, er produziert außerdem Hörbücher und rezitiert in ganz Deutschland. Das Abendblatt sprach mit ihm über sein Programm gegen das Vergessen.

Hamburger Abendblatt:

Warum haben Sie die Bücherverbrennung von 1933 zu Ihrem Thema gemacht und ihr ein eigenes Programm gewidmet?

Gerd Berghofer:

Die Bücherverbrennung von 1933 war ein schwerer Schlag gegen die Geistes- und Meinungsfreiheit mit weitreichenden und dauerhaften Folgen. Das anhand von Beispielen aufzuzeigen, ist Sinn der Sache.

Aber sollte man an dieses Ereignis überhaupt erinnern? Thomas Mann bemerkte einmal, "dass unter allen Schandtaten des Nationalsozialismus ... diese blödsinnige Feierlichkeit der Welt am meisten Eindruck gemacht hat und wahrscheinlich am allerlängsten im Gedächtnis der Menschen fortleben wird." Sehen Sie das auch so?

Berghofer:

Thomas Mann ist kein Vorbild. Sein Bruder Heinrich steht mir da um vieles näher. Die "blödsinnige Feierlichkeit" war nicht das Problem, sondern die daraus resultierenden Folgen: Publikationsverbot, Auftrittsverbot, Exil, Selbstmord, KZ-Haft, Mord, innere Emigration und so weiter. Thomas Mann befand sich in einer komfortablen Situation, die die Mehrzahl der Autoren nie erreicht hat.

Welche Botschaft soll ihr Programm vermitteln?

Berghofer:

Muss alles eine Botschaft haben? Diese Veranstaltung wendet sich gegen das Vergessen: Das Vergessen der Aktion, das Vergessen der Autoren. Von vielen spricht heute nämlich niemand mehr.

Was tut Ihnen als Autor besonders weh an der Vorstellung brennender Bücher?

Berghofer:

Zum einen, dass Heinrich Heine recht gehabt hat. Wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch Menschen. Zum anderen, dass damals die Intelligenz vorangestürmt ist: Völkisch geprägte Professoren mit ihren Studenten. Letztlich, dass Bücherverbrennungen heute noch stattfinden und stattgefunden haben, seit geschrieben wird.

Texte von Mühsam oder Kästner sind oft ironisch oder zum Schmunzeln. Gibt es an dem Lesungsabend bei aller Ernsthaftigkeit etwas zu lachen?

Berghofer:

Eine Lesung im engeren Sinne ist es nicht. Ich spreche überwiegend frei und erzähle. Da wechseln sich Ernstes und Humorvolles ab, um das Ganze aufzulockern. Ich plaudere über Lebensläufe, erzähle Geschichten, rezitiere Texte. Da ist für jeden etwas dabei.

Ihr Lebenslauf zeichnet das Bild eines sehr bescheidenen Gerd Berghofer. Gibt es dennoch etwas, worin Sie sich wichtig nehmen?

Berghofer:

Stolz? Ich weiß nicht. Vielleicht bin ich stolz darauf, gelernt zu haben, mich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Das, was ich darbiete, ist wichtig. Ich selbst bin nur das Medium.

In diesem Sinn sind Sie also eine Art Kulturvermittler, wenn Sie fremde Texte vortragen oder selbst schreiben. Was ist für Sie beglückender: Rezitieren oder selbst verfassen?

Berghofer:

Das ist in etwa so, als würden Sie mich fragen, ob ich mein linkes oder mein rechtes Bein lieber mag. Ich mag beide. Und ich brauche auch beide.

In der Geschichte wurden Bücherverbrennungen oft auch als "Hinrichtungen" bezeichnet. Haben Sie schon einmal selbst ein Buch vernichtet, also weggeworfen?

Berghofer:

Das kommt auf den Inhalt an. Bei manchem Buch habe ich das mit bestem Gewissen getan.

Vielen Dank für das Gespräch.