1288 Unterschriften bringen der Gemeinde einen eigenen Kassensitz. Dr. Jürgen Stieh wird auch Rellingen mitversorgen. Praxis wird an der Gustavstraße 7, direkt gegenüber dem Rathaus, angesiedelt sein.

Halstenbek. Die Gemeinde Halstenbek erhält ab Herbst einen eigenen Kinderarzt. Nachdem voriges Jahr 1288 Bürger der Gemeinde in einer Petition die Ansiedlung eines solchen Mediziners einforderten, gab es jetzt grünes Licht: Der Landesausschuss für die vertragsärztliche Versorgung in Schleswig-Holstein genehmigte dem Kreis Pinneberg einen weiteren Kassensitz - und die Kassenärztliche Vereinigung (KV) benannte Halstenbek als Standort.

Auch der Mediziner steht bereits fest: Dr. Jürgen Stieh, der seit 1987 als Kinderarzt praktiziert und in Halstenbek wohnt, wird im vierten Quartal in der Gemeinde eine eigene Praxis eröffnen, die auch die Nachbargemeinde Rellingen mitversorgen wird. "Wir als Gemeinde fordern seit fast 20 Jahren eine eigene Kinderarztpraxis für Halstenbek. Bisher aber waren alle Anträge abgelehnt worden", sagt Bürgermeisterin Linda Hoß-Rickmann.

Das Einlenken der zuständigen Behörden - für Hoß-Rickmann eine späte Genugtuung. "Es war dringend an der Zeit, dass so etwas passiert." Die Gemeinde verfüge über zwei Grundschulen, ein Gymnasium, eine Gemeinschaftsschule und sechs Kindergärten. "Das sind etwa 2500 Jugendliche unter 14 Jahren, die eine Kinderarztpraxis besuchen würden." Eine ähnliche hohe Zahl komme aus Rellingen dazu, weil auch die Nachbargemeinde über keinen Mediziner dieser Fachrichtung verfüge.

Wenn es nach Dr. Jürgen Stieh gegangen wäre, dann gäbe es schon seit Jahren in Halstenbek eine Kinderarztpraxis. Der erfahrene Mediziner zog 2003 in die Gemeinde und eröffnete 2004 eine eigene Praxis. Allerdings in Hamburg-Wilhelmsburg. "Eine Ansiedlung in Halstenbek wurde mit dem Argument abgelehnt, dass der Kreis Pinneberg überversorgt sei", sagt Stieh. Rein rechnerisch, so habe die Kassenärztliche Vereinigung argumentiert, sei der Bedarf im Kreisgebiet zu weit mehr als 100 Prozent gedeckt.

Der Mediziner kam 2011 mit Gudrun Gabriel-Schröder, Grünen-Fraktionschefin und dreifache Mutter, ins Gespräch. Als sie von den erfolglosen Bemühungen des Arztes erfuhr, in Halstenbek eine Praxis zu eröffnen, gründete sie eine Elterninitiative. Der gelang es, innerhalb von nur zwei Monaten 1288 Unterschriften von Eltern zu sammeln. "Wir haben auch abgefragt, wo das Kind aktuell versorgt wird", erinnert sich Gabriel-Schröder. Das Ergebnis sprach Bände: Von den 1288 Halstenbekern, die unterschrieben haben, gingen 449 in Hamburg, 280 in Pinneberg, 81 in Schenefeld und 52 andernorts mit den Kindern zum Arzt.

Die Unterschriftenliste lag im März 2012 vor. Hoß-Rickmann leitete sie an die KV weiter - zusammen mit dem Antrag der Gemeinde, einen Kassensitz für Kindermedizin nach Halstenbek zu vergeben. Parallel stellte auch Dr. Stieh einen entsprechenden Antrag, den er mit dem vorhandenen Sonderbedarf in Halstenbek begründete.

Die Hoffnung starb abrupt, als die KV den Antrag des Mediziners ablehnte. Dann folgte jedoch der Durchbruch, als der Landesausschuss den zusätzlichen Kassensitz genehmigte. Auf die Ausschreibung bewarb sich Stieh - und diesmal hatte er Erfolg. "Ich freue mich riesig auf die Praxis in Halstenbek und die Zusammenarbeit mit den Schulen und Kindergärten vor Ort." Das beruht auf Gegenseitigkeit, wie Barbara Burton, die Leiterin der Grundschule Bickbargen, sagt. "Bisher hatten die Familien ein echtes Problem, mussten für jede Impfung ihr Kind einen halben Tag aus der Schule nehmen." Ein Kinderarzt vor Ort mache es auch leichter, falls es zu einem Unfall in der Schule komme. "Bisher kamen die Kinder gleich mit einem Krankenwagen ins Krankenhaus, künftig können wir sie in die Praxis begleiten, das ist für die Kinder weniger belastend."

Die Praxis von Dr. Stieh wird an der Gustavstraße 7, direkt gegenüber dem Rathaus, angesiedelt sein. Sie wird 120 Quadratmeter umfassen und in eine der Neubauten einziehen. Auch die Öffnungszeiten stehen bereits fest: Behandelt wird montags bis freitags von 8 bis 12 Uhr, nachmittags von 15 bis 18 Uhr (außer mittwochs und freitags). "Laut den Vorschriften muss ich 20 Stunden pro Woche öffnen. Ich werde aber 32 Stunden anbieten", sagt der Mediziner. Er hoffe "auf eine Eröffnung im Oktober, spätestens im November." Bis dahin wird er seine Praxis in Wilhelmsburg weiterführen, täglich zwei bis drei Stunden auf der vollen Autobahn verbringen.

Einige seiner künftigen Patienten kennt Dr. Stieh schon. Der Mediziner ist dank seines Wohnsitzes in Halstenbek und seiner zwei Kinder vielen Familien ein Begriff - und konnte daraus Kapital schlagen. "In meiner Praxis in Wilhelmsburg behandele ich schon jetzt 100 Kinder aus Halstenbek."