Volker König tritt als Wedeler BAG-Chef ab. Ein Nachfolger fehlt, Gruppe droht das Aus

Wedel. Aus und vorbei. Die BAG Wedel sollte während ihrer 100. Sitzung einen neuen Vorsitzenden wählen. Doch dazu kam es nicht. Die Behinderten Arbeitsgemeinschaft (BAG) steht vor dem Nichts. Neun Jahre lang kämpfte und engagierte sich die Gemeinschaft vor Ort für die Rechte und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung. In der Ära Volker König wurden in Wedel behindertengerechte Zugänge zu öffentlichen Verkehrsmitteln und Schulen gebaut, Aufmerksamkeitsfelder und Hinführungsstreifen zur Straßenüberquerung errichtet.

Die Liste der BAG-Projekte unter dem Motto "Barrierefreies Wedel" ist lang. Die Straßen in Wedel wurden für behinderte Menschen sicherer gemacht. Das letzte große Projekt der BAG: Die Gruppe wirkte an ist der Neugestaltung des Schulauer Hafens mit. Behindertengerechte Bodenbelägen und Sitzgelegenheiten und ein barrierefreier Schiffsanleger vor dem Schulauer Fährhaus sind ihr Verdienst. Doch nun besteht die Gefahr, dass die Anlaufstelle für Hilfesuchende auseinander bricht.

"Die BAG wird nur noch in Ausnahmefällen zusammentreffen", sagt König. Der Kandidat, der für die Wahl zum Vorsitzenden antreten wollte, sei zur Sitzung nicht erschienen. Schon zuvor hatte Volker König eingeräumt: "Die 100. Sitzung könnte gleichzeitig auch die Beerdigung der BAG werden." Ein Trauerspiel für die Stadt Wedel und für die Betroffenen. Für den ehemaligen Vorsitzenden gibt es jedoch kein Zurück mehr. "Ich möchte nicht mehr die ganze Organisation machen. Ich habe die meiste Arbeit getan, das ist mühselig. Jetzt ist genug", sagt der 68-Jährige. Seine Frau und er müssten sich eingestehen, dass ihre Kräfte nachließen.

Barrierefreie Straßen in Wedel sind im wesentlichen Aufgabe der Stadt? Laut König ist das ein Irrtum. "Die Politik hat sich defensiv verhalten", sagt Volker König. "Die Stadt Wedel wollte keine Behindertenbeauftragten. Daraufhin haben wir die Stadt auf das aufmerksam gemacht, was fehlt." Als Antwort darauf, dass die Wedeler Verwaltung keinen Behindertenbeirat einrichten wollte, habe er zusammen mit Marianne Braun von der Parkinsongruppe und Waltraut Boos-Klindt von der MS-Gruppe die BAG gegründet. Es sei sein persönliches Ziel gewesen, Wedel barrierefrei zu machen. Der 68-Jährige blieb als letzter Mitgründer der BAG erhalten.

Ende der 60er-Jahre erblindete Volker König aufgrund einer Diabeteserkrankung. Ein schwerer Schicksalsschlag für den ausgebildeten Ingenieur. Aufgeben kam jedoch nicht in Frage. Sein Motto: "Jetzt erst recht". Seit bereits 45 Jahren arbeitet er daran, Menschen mit Behinderung das Leben zu erleichtern. "Es gibt Höhen und Tiefen, aber man sieht immer das Ergebnis. Ich bin zufrieden damit, was wir erreicht haben, und blicke stolz zurück", sagt König.

Von seinen Initiativen und Erfindungen profitieren nicht nur Behinderte in Wedel, sondern auch Menschen deutschlandweit. Im Mai 2000 wurde die Norm für die Bodenindikatoren im öffentlichen Raum verabschiedet. König baute aus den Gitterstäbchen eines alten Kinderbettes das Grundmodell für die Streifen, die heute an Bahnhöfen im Boden für blinde Menschen als Leitelement eingebaut sind. Die Hamburger Hochbahn und die Deutsche Bahn setzten sein Modell um. Kleine Erfindungen können Großes bewegen.

Volker König bleibt bescheiden. "Ich möchte, dass die Gesellschaft auf die Belange der Behinderten eingeht. Da ist ehrenamtliche Arbeit unentbehrlich." Auch nach seinem Rücktritt möchte Volker König weiterhin ehrenamtlich und beratend tätig sein. Mit der neu gewonnenen Zeit hat er einiges vor. "Meine Frau und ich wollen reisen und mehr spazieren gehen. Ich werde auch versuchen, ein paar Bücher zu schreiben", so Volker König. Darin ist er bereits ein Profi. Er schrieb bereits ein Handbuch und entwickelte Kinderbücher für junge Sehbehinderte.

König schreibt an seinem speziellen Schreibtisch mit Computer. Eine Stimme, die aus dem Lautsprecher des Computers ertönt, navigiert ihn durch das Programm. Eine Maus benötigt er nicht, die Tastatur mit Blindenschrift ist multitaskingfähig. Volker König lebt sein Leben, jetzt erst recht.