Christopher Kullack ist Kita-Betreuer in Schenefeld und damit eine Seltenheit. Nur 6,3 Prozent in Schleswig-Holstein sind männlich. Dabei ist der Wunsch nach mehr männlicher Präsenz da.

Schenefeld. Der (Alb)traum mancher Männer ist für Christopher Kullack Berufsalltag. Der 29-Jährige ist allein unter Frauen. 14 Erzieherinnen arbeiten mit ihm zusammen im bunten Baumhaus, einer Kindertagesstätte der Arbeiterwohlfahrt an der Schenefelder Lindenallee. Erst seit kurzem bekommt Kullack ein wenig Unterstützung von André, der bei Urlaubsvertretungen einspringt. Ansonsten ist der Kita-Betreuer seit Jahren der unumstrittene Hahn im Korb. Die weibliche Dominanz nimmt er mit Gelassenheit. "Ich kann damit umgehen. Ich bin der ruhende Pol zwischen den vielen Frauen", sagt er. Ursprünglich wollte Kullack Kinderarzt werden. Doch dafür reichten die schulischen Leistungen nicht aus. Er entschied sich für einen anderen Job, den nur wenige seiner Geschlechtsgenossen ergreifen: Er fing eine Ausbildung zum sozialpädagogischen Assistenten an. Nach seiner Ausbildung in Hamburg kam er am 1. Januar 2008 nach Schenefeld. Heute ist er einer der wenigen männlichen Kita-Betreuer im Land.

In Schleswig-Holstein arbeiteten laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes 14.989 Menschen in Kindergärten und Kindertagesstätten, davon sind nur 6,3 Prozent Männer. Damit belegt das Land im bundesweiten Vergleich sogar noch einen guten dritten Rang hinter Hamburg, Bremen und Berlin. Auch im Kreis Pinneberg sind männliche Erzieher in den Kitas in der deutlichen Minderheit. Laut Kreisverwaltung sind derzeit 94 männliche Erzieher beziehungsweise sozialpädagogische Assistenten für die insgesamt 150 Einrichtungen tätig.

Dabei ist der Wunsch nach mehr männlicher Präsenz bei den Einrichtungsleiterungen durchaus da. Petra Lentfer, Kita-Leiterin und Chefin von Christopher Kullack, würde sogar die Kindergartengruppen mit je einem Mann und einer Frau als Betreuer bestücken. "Es wäre gut, wenn das Verhältnis ausgewogen wäre. Männer wirken ergänzend. Sie treten in Bereiche, die Frauen nur wenig besetzen, zum Beispiel beim Fußballspielen", sagt Lentfer. Sie beobachtet zudem, dass Männer in der Kita andere Grenzen stecken würden. Gerade Jungs könnten sich so besser entfalten, sich mehr ausprobieren. Lentfers Problem ist nur, dass es nicht gar so viele männliche Bewerber gibt. Kullack ist eine Ausnahme.

Ein Mann, der im Kindergarten arbeitet? Auch Kullack erlebt, wie er schief angeguckt wird, wenn er von seinem Beruf erzählt. "Der Job ist nicht richtig anerkannt", sagt Kullack. Seine Chefin ergänzt: "Und die Bezahlung ist nicht gerechtfertigt für die Arbeit, die wir hier alle im Haus leisten." Es gibt ein weiteres Problem, mit dem Kullack und Lentfer zu kämpfen haben. Männer in der Kita stehen unter Generalverdacht. Als Kullack 2008 in der Einrichtung anfing, musste Lentfer Aufklärungsarbeit leisten, um Eltern ihre Ängste zu nehmen. Bis heute klopft manchmal eine Mutter oder ein Vater an ihre Tür, um zu fragen: Was denn die Einrichtung täte, um die Kinder vor Übergriffen durch männliche Erziehern zu schützen? "Sie schätzen Christopher und vertrauen ihm auch. Trotzdem ist da dieses Aber-Gefühl, das ich nicht ausmerzen kann", so Lentfer.

Gegen Vorurteile kämpfen, mehr männlichen Fachkräften den Weg in die Einrichtung ebnen - das hat sich die Koordinationsstelle "Männer in Kitas" zum Ziel gesetzt. Seit Anfang 2010 existiert die Berliner Koordinationsstelle, die an die Katholische Hochschule für Sozialwesen angegliedert ist und vom Bundesministerium gefördert wird. Durch Informationen, Vernetzung und strategische Beratung für Politik und Praxis versucht die übergeordnete Stelle, den männlichen Anteil an Bezugspersonen in Kitas deutlich zu steigern. Für "Männer in Kitas" arbeitet der Politologe und Pädagoge Jens Krabel. Für ihn ist klar, dass ein Problem auch veraltete Rollenbilder darstellen. "Für viele gehören Männlichkeit und Fürsorge für Kinder nicht zusammen. Männer werden in diesem Bereich oft nicht für kompetent gehalten." Arbeitsberater und -vermittler böten Männern deshalb kaum Jobs als Erzieher an, zudem würden Männer oder Jugendliche, die den Wunsch äußern, Erzieher zu werden, oft von ihrem Umfeld belächelt.

"Frauen haben es in der Kita leichter. Sie haben eine Lobby. Aber ich habe mich davon nicht abschrecken lassen", sagt Kullack. Er hält es für wichtig, dass es mehr männliche Erzieher in Kindertagesstätten gibt. "Männer gehen an bestimmte Dinge anders heran." Wenn die Kinder zum Beispiel das Klettergerüst erobern, dann wartet Kullack im Unterschied zu seinen Kolleginnen länger ab, bevor er eingreift. Warum das bei ihm so ist? "Wir sind doch alle mal gefallen und wieder aufgestanden."