Seit 30 Jahren lassen sich die Organisatoren der Ostermärsche nicht beirren und demonstrieren für Verständigung.

Wedel . "Wir sind die schrägen Vögel, die echt von gestern sind. Wir laufen hier in Wedel gegen den Wind. Wir steh'n noch auf das Recht auf Arbeit, auch in dieser Zeit, für uns zählen noch der Weltfriede und Zwischenmenschlichkeit." Jedes Jahr singen sie diese Zeilen. Es ist das Lied derjenigen, die den Wedeler Ostermarsch organisieren. Auch an diesem Ostersonnabend wird es erklingen, während sie durch die Straßen ziehen. Am 30. März beginnt um 10 Uhr die Veranstaltung, die vor 30 Jahren als kleine Werbeaktion für die großen Ostermärsche im Land begann. Heute ist sie die zentrale Veranstaltung im Kreis Pinneberg, und die großen Märsche, für die man einst warb, gibt es nicht mehr. Die Zeiten, in denen massenweise für den Frieden protestiert wurde, sind vorbei.

"Wir rechnen mit 120 Teilnehmern", sagt Irmgard Jasker. Die 68-Jährige gehört zum Kreis der Organisatoren des Friedensnetzwerkes. Sie und ihr Mann Werner sind von Anfang an dabei gewesen. Genauso wie ihre Nachbarn Marianne und Günther Wilke. Zusammen bilden sie in Wedel eine der standhaften Friedensbastionen. Das zeigen sie auch nach außen. Sie sind nicht nur die "schrägen Vögel", sie haben auch einen an ihrer Scheibe kleben. An den beiden Wohnungsfenstern des Mehrfamilienhauses hängt das Symbol ihrer Bewegung: eine weiße Taube auf blauem Grund. In den 80ern prägte die Friedenstaube das Bild der Stadt. An zahlreichen Häusern hing das Bild. Jasker und Co. brachten sie unters Volk. "Jeden Sonnabend standen wir mit unserem Stand in der Stadt und verteilten die Aufkleber", erinnert sich Irmgard Jasker.

Die Erinnerungen an 30 Jahre Ostermarsch füllen ganze Ordner. Zeitungsberichte, Fotos und Flyer haben die Jaskers sorgfältig aufgehoben. Unter anderem setzten sich die Friedensaktivisten Mitte der 1980er-Jahre dafür ein, dass die Politiker Wedel zur atomwaffenfreien Zone erklärte. Ein Beschluss, der für eine Menge Ärger sorgte, weil der damalige Kieler Innenminister Karl Eduard Claussen ihn als rechtswidrig anprangerte. Bilder und Bericht über die kilometerweiten Wanderungen zu Beginn der Märsche, über Diskussionsrunden mit dem heutigen Friedensforscher Otfried Nassauer in Wedel und über in der Nacht verschwundene Verkehrsschilder für Militärfahrzeuge füllen die dicken Ordner.

Nach 30 Jahren sind die Jaskers nicht müde, durch Wedel zu marschieren. Ganz im Gegenteil. "Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Es beginnt vor unserer Haustür", so Irmgard Jasker. Auch das Ehepaar Wilke, 82 und 83 Jahre alt, wird am 30. März mitwandern.

Dabei ist die Schar der Aktivisten in den vergangenen Jahren überschaubar geworden, während gleichzeitig in Wedel wie im gesamten Bundesgebiet die Rüstungsindustrie wächst. Ist es nicht ein aussichtsloser Kampf gegen Windmühlen? "Nein", sagt Irmgard Jasker. Und ihr Mann fügt hinzu: "Es gibt kleine Erfolge." Außerdem ginge es nicht um eine Ergebnisbilanz. Sie würden um ihrer selbst Willen mitwandern. "Was, wenn keiner die Stimme erhebt? Genau diesen Vorwurf hat unsere Generation unseren Eltern gemacht. Wir müssen dafür auf die Straße gehen und wenn wir die letzten sind", sagt die pensionierte Lehrerin. Und ihr Nachbar Günther Wilke ergänzt: "Wenn wir nachließen, hieße es, wir würden resignieren. Dafür gibt es keinen Grund. Ganz im Gegenteil."

Die Auftaktkundgebung beginnt am Sonnabend, 30. März, um 10 Uhr vor dem Wedeler Rathaus am Bahnhof. Als Redner werden Oberstleutnant Michael Lindner von der Initiative Darmstädter Signal und Verdi-Gewerkschafter Jens Festersen erwartet. Gegen 11 Uhr setzt sich der Marsch in Bewegung. In diesem Jahr wurde die Route verkürzt. Die Teilnehmer wandern die Bahnhofstraße entlang, biegen in die Hafenstraße ein und wandern die Schulauer Straße entlang bis zur "Batavia".

Auf dem Theaterschiff steigt von 12 Uhr an das obligatorische Friedensfest mit Diskussionsrunden, einem Auftritt der Oma-Körner-Band "Folk für den Frieden" und einem Kinderprogramm mit Ostereiersuchen und Luftballon-Aktion.