Anwohner in Rellingen fordern eine Lösung im “Licht-Streit“ und wollen künftig bei Gewerbe-Großprojekten in Wohngebieten mitreden.

Rellingen. Der Rellinger Ratssaal platzte aus allen Nähten. Etwa 50 Mitglieder der neuen Bürgerinitiative für ein l(i)ebenswertes Rellingen waren am Dienstagabend zur Sitzung des Bauausschusses gekommen. Oliver Bock, einer der BI-Gründer, übergab einen Forderungskatalog, dem sich 220 Rellinger Bürger mit ihrer Unterschrift angeschlossen haben. Eine der Kernforderungen ist, dass die Ausdehnung von Gewerbebetrieben in Wohn- und Mischgebieten künftig nur nach aktiver Information der Bürger und im Konsens mit ihnen stattfinden darf.

Die BI-Mitglieder verweisen auf das Bauvorhaben der Firma CTP (Cargo-Trans-Pool) von Firmenchef Thomas Pötzsch am Wiesenweg, dessen gläsernes Bürogebäude das bisherige Wohngebiet aus Sicht der Bürger verunstaltet und bei Dunkelheit taghell erleuchtet. "Bisherige persönliche Gespräche, Schriftverkehre und Besuche von Rellinger Bürgern bei der Bürgermeisterin, dem Bauausschuss und dem Bauamt erbrachten keine befriedigende Resonanz, es erhärtete sich eher das Gefühl, dass Bürgereinwände nicht wahrgenommen werden", so Bock. Die Balance zwischen Bürger- und Gewerbeinteressen sei aus dem Gleichgewicht geraten. "Der Dialog zwischen Investoren und Gemeinde auf der einen und den betroffenen Anwohnern auf der anderen Seite findet nicht statt."

Daher fordern die BI-Vertreter ein künftiges Informations- und Mitspracherecht für Anwohner bei weiteren Vorhaben dieser Art. Zudem soll für den CTP-Komplex am Wiesenweg eine Lösung erarbeitet werden, um Belästigungen durch Licht und Lärm zu minimieren und die optische Beeinträchtigung erträglicher zu gestalten. Als drittes fordern die Bürger die Ausarbeitung eines Verhaltenkodexes für Gemeindevertreter und Verwaltungsmitarbeiter, in der einzuhaltende Werte und eventuelle Selbstverpflichtungen definiert werden könnten. Auf diese Weise solle der Eindruck vermieden werden, dass Investoren Einfluss auf Entscheidungen der Gemeinde nehmen könnten - etwa durch Spenden an die Bürgerstiftung.

Pötzsch, der zuletzt diverse Grundstücke in Rellingen erworben hat, ließ der 2010 von der Gemeinde gegründeten Organisation eine Zustiftung von 25.000 Euro zukommen. Eine weitere Zustiftung in gleicher Höhe hat er angekündigt. Die Bürgerstiftung nutzt als Grundstock die Erbschaft einer Bürgerin, die ehrenamtlich geführte Organisation fördert Projekte der Kinder-, Jugend- und Altenhilfe, der Kulturpflege, Erziehung sowie des Sports.

"Die Bürgerstiftung leistet eine tolle Arbeit zum Wohle Rellingens und seiner Bürger. Es ist sehr befremdlich, dass sie in diese Sache hineingezogen wird", sagt Bürgermeisterin Anja Radtke. Sie betont: "Wir halten uns an Recht und Gesetz. In Rellingen sind weder die Verwaltung noch die Politik bestechlich."

Die Bürgermeisterin hat den BI-Vertretern zugesagt, sie mit CTP-Chef Pötzsch an einen Tisch zu bringen. "Ich werde das moderieren und mich um eine Lösung im Konsens bemühen." Zudem werde sich das zuständige politische Gremium zeitnah mit den Forderungen der BI auseinander setzen.

Pötzsch selbst hat in einer ausführlichen schriftlichen Stellungnahme an die Bauausschussmitglieder betont, er sei jederzeit zum Gespräch bereit. Die BI-Vertreter seien dies jedoch nicht. Seine Grundstückskäufe seien erfolgt, um der Gemeinde zu helfen. Er wohne seit 25 Jahren im Ort, wolle sein unmittelbares Umfeld mitgestalten und fühle sich mitverantwortlich für das Wohl der Gemeinde. Daher habe er ausschließlich Gebäude übernommen, die als Schandflecken galten oder Langzeitleerstände aufwiesen und die Areale auf Vordermann gebracht. "Wir sind keine Immobilienentwickler, keine Hedgefond-Haie und keine Heuschrecken", schreibt Pötzsch. Er wirft den BI-Vertretern vor, Ängste geschürt und Falschaussagen verbreitet zu haben, um an die Unterschriften zu gelangen.