Harles & Jentzsch-Chefs kommen nicht wegen Dioxins, aber wegen Betrugs vor Gericht

Uetersen/Itzehoe. Gegen die beiden Chefs des ehemaligen Futtermittel-Hersteller Harles & Jentzsch wird Anklage erhoben. Allerdings nicht wegen des sogenannten Dioxin-Skandals, weshalb der Betrieb in Uetersen vor zwei Jahren bundesweit in die Schlagzeilen geriet und kurz darauf wegen Insolvenz schließen musste.

Dass Geschäftsführer Siegried S. und Prokurist Klaus-Hinrich V. davon gewusst haben, dass ein niederländischer Zwischenhändler mit dem krebserregenden Dioxin verunreinigtes Futtermittel an Harles & Jentzsch lieferte und diese es bewusst weiterverarbeiteten und an 600 Landwirte verkauften, konnte die Staatanwaltschaft Itzehoe nicht nachweisen. "Es fehlt der erforderliche Tatvorsatz. Dieses Verfahren mussten wir einstellen", sagte am Freitag Oberstaatsanwalt Wolfgang Zepter.

Dafür kamen die Ermittler bei ihren umfangreichen Recherchen einem großen Betrugsskandal auf die Spur. Geschäftsführer S. und Prokurist V. müssen sich demnächst vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Itzehoe wegen gemeinschaftlich begangenem gewerbsmäßigen Betruges und Vergehens gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch in 102 Fällen verantworten, teilte Zepter in Itzehoe mit.

S. und V. wird vorgeworfen, von Oktober 2009 bis Juli 2010 insgesamt 2300 Tonnen Futtermittel fälschlich als rein pflanzlich deklariert zu haben. Es war aber mit etwa 350 Tonnen Fettsäuren aus Altspeiseresten versetzt.

19 Abnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet, vorwiegend Mastbetriebe und landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften, zahlten für dieses gepanschte Pflanzenfett insgesamt 1,2 Millionen Euro. Das Strafmaß für diese Anklagepunkte liege zwischen einem halben Jahr und zehn Jahren Freiheitsstrafe für den Betrugsvorwurf sowie einer Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr für den Futtermittelverstoß, sagte Oberstaatsanwalt Zepter.

Auf die Schliche kamen die Strafverfolgungsbehörden dem Futtermittelhersteller durch die Auswertung der umfangreichen beschlagnahmten Geschäftsunterlagen, erläuterte Staatsanwalt Andi Mitterer, der die Ermittlungen geleitet und die 53 Seiten umfassende Anklageschrift verfasst hat. Von dem verunreinigten Futtermittel selbst ist nichts mehr übrig. "Das ist längst an Geflügel, Schweine, Rinder und Pferde verfüttert worden". Es fanden sich aber laut Staatsanwaltschaft detaillierte Belege darüber, dass Harles & Jentzsch Hunderte Tonnen Altspeisereste geordert und weiterverarbeitet haben, so Staatsanwalt Mitterer.

Hätten sie dieses Pflanzenfett, dem offenbar im Mischungsverhältnis eins zu sechs Fettsäure aus Altspeiseresten beigemengt wurde, an eine Pelztierfarm verkauft, wäre dies nicht strafbar gewesen, erläuterte Zepter. "Es wäre nichts dagegen auszusetzen gewesen, es Nerzen zu geben, damit deren Fell glänzender wird. Aber Altspeisefette dürfen nicht an Nutztiere verfüttert werden." Dies hat die EU im Jahr 1999 verordnet, nachdem ein Lebensmittelskandal aufgeflogen war. Die rund 600 geschädigten Abnehmer des Dioxin-Futtermittels, die ihre Tiere schlachten mussten, wird das Ergebnis der Staatsanwaltschaft wenig trösten. Für sie dürfte es nun schwer werden, etwaige Entschädigungszahlungen von den früheren Betriebschefs von Harles & Jentzsch einzuklagen. Auf bis zu 20 Millionen Euro sollen sich die Forderungen belaufen.

Die Firma selbst ist aufgelöst. Die Produktionsanlage in Uetersen und auch die meisten Mitarbeiten sind inzwischen von der Hamburger Firma OleoServ übernommen worden, die es aus der Konkursmasse kaufte und dort jetzt Industriefette herstellt.