Eine Glosse von Rainer Burmeister

"Nur Dienstboten müssen immer erreichbar sein", pflegte meine längst verstorbene alte Tante Anna mit schnarrender Stimme zu sagen. Deshalb lehnte sie es ab, beispielsweise sonntags ans Telefon zu gehen. Der Fernsprechapparat war selbstverständlich noch an das Festnetz gebunden. Es gab weder Handys noch Anrufbeantworter.

An meine alte, großbürgerlich geprägte Verwandte muss ich immer denken, wenn ich beim Telefonieren mal wieder in einer Warteschleife verhungere oder mir ein Anrufbeantworter Märchen erzählt. Tante Anna hätte sich, unerreichbar wie meine nicht vorhandenen Wunsch-Gesprächspartner, wohl sehr wohl gefühlt am anderen Ende der Leitung. Der schönste Spruch in der Warteschleife lautet "Bitte legen Sie nicht auf. Sie werden gleich mit dem nächsten freien Mitarbeiter verbunden!" Was ja wohl stimmt. Denn in den Callcentern gibt es meistens mehr freie als fest angestellte Mitarbeiter.

Auch ein Anrufbeantworter kann mir gestohlen bleiben, wenn der quäkt, ich solle meine Nummer hinterlassen und würde zurückgerufen. Was bringt mir das, wenn ich schon längst woanders bin beim Rückruf? Und Handy-Gespräche sind beim Autofahren ja auch ohne Freisprechanlage eher hinderlich sowie verboten.

Am besten hat es schon vor vielen Jahren die Deutsche Post geregelt. Dort wurden die Rufnummern der Postämter nicht mehr veröffentlicht. Der Grund: Sonst würden die Mitarbeiter von der Arbeit abgehalten, erläuterte damals ein Sprecher der Postpressestelle.

Das Verfahren scheint sich nicht bewährt zu haben. Denn inzwischen gibt es im Kreis Pinneberg kaum noch Postämter.

Aber die stattdessen eingeführten Partnerfilialen sind, abgesehen von einer zentralen Servicenummer, ebenfalls nicht telefonisch zu erreichen. Na, wenn das kein Kundendienst ist! Nur Tante Anna wäre nicht zufrieden gewesen.

Denn sie hätte Postbedienstete selbstverständlich mit Dienstboten gleichgesetzt ...