Immer häufiger haften Sticker auf Verkehrszeichen, Warntafeln und Mülleimern. Sie müssen von den Straßenmeistereien, Bauhöfen und Reinigungsbetrieben mit viel Aufwand entfernt werden.

Kreis Pinneberg. Wenn Stephan Bindseil und sein Kollege Michael Paulsen vom städtischen Bauhof in Wedel zum Schilderdienst ausrücken, haben sie ihr spezielles Handwerkszeug dabei und den ganzen Arbeitstag lang zu tun. Ihr Job ist es dann, die mit Aufklebern aller Art verunzierten Verkehrszeichen, Wegweiser, Warntafeln und Hinweisschilder im Stadtgebiet von der ungebetenen Dekoration zu befreien. Doch die auch als Sticker (englisch: to stick - kleben) bezeichneten Haft-Etiketten sind nicht nur in Städten wie Wedel, Elmshorn oder Pinneberg ein Problem. Das Motto "Freut euch des Klebens" scheint längst bundesweit als Devise verbreitet zu sein und ist im Kreisgebiet auch in kleinen Kommunen nicht zu stoppen.

Oft müssen die Saubermänner spezielle Tricks anwenden

Dementsprechend häufig ziehen die Mitarbeiter von Straßenmeistereien, Bauhöfen und Reinigungsbetrieben los, um der Placken-Plage zu begegnen. Die Wedeler Profis sind meistens einmal wöchentlich unterwegs. Ausgerüstet mit Schabern, Bürsten, Schwämmen und Wasser nehmen sie den Kampf gegen die Aufkleber auf. Während sich Folien noch relativ einfach lösen lassen, sind die mit Klebstoff versehenen Papier-Sticker oft nur mit speziellen Tricks von den Schildern zu entfernen. Scharfe Reiniger wie Terpentin oder Waschbenzin helfen nicht. Sie würden die Schilder beschädigen. Stephan Bindseil weicht den Aufkleber auf einem Halteverbotszeichen erst mit Wasser ein, sodass sich die obere Schicht abziehen lässt. Dann greift er zu nassem Sand, um damit die Klebstoffreste vom Schild abzuscheuern.

"Dabei bleibt in den meisten Fällen der Aufdruck unbeschädigt", sagt Stephan Bindseil. Anderenfalls müssen die Schilder komplett erneuert werden. "Schon kleine Verkehrszeichen schlagen mit etwa 40 Euro zu Buche", sagt Bauhofleiter Sören Ferch. Wie auch in anderen Kommunen werden die Kosten dafür sowie der Einsatz des Personals aus dem Etat für allgemeine Straßenunterhaltung bestritten. Deshalb kann Ferch auch nicht beziffern, wie hoch der jährliche Schaden aus den Folgen der Stickerflut ist.

Bevorzugte Reviere der unterschiedlich motivierten Kleberkolonnen und Solisten sind Bahnhöfe, Schulen, Sportplätze und Treffpunkte von Jugendlichen. Manchmal lässt sich die Herkunft aufgrund der "Werbebotschaft" auf dem Aufkleber rekonstruieren. So zieren Sticker des HSV-Fanclubs "Chosen Few" (CFHH) Schilder in Halstenbek. Ein anderes HSV-Logo wurde ausgerechnet auf ein Hinweisschild der Rellinger Caspar-Voght-Schule gebackt.

Nach dem jüngsten Sieg des Hamburger Kiezklubs waren die St.-Pauli-Fans besonders fleißig. Sie verunzierten einen kommunalen Papierkorb gleich neben dem Turnerheim, das Hauptquartier des Rellinger Turnvereins (RTV) ist. Dabei nahmen die Unbekannten sogar die Hilfe der Deutschen Post in Anspruch. Paketaufkleber wurden mit dem Logo FCSP beschriftet. RTV-Geschäftsführerin Ingrid Wirkus ist von dieser Klebekunst alles andere als begeistert.

Oft werden auch politische Botschaften auf den klebrigen Placken ausgetauscht. Da sagt in Halstenbek die "Antifa" den Neonazis den Kampf an. Die Rechtsradikalen haben wiederum in der Umgebung Laternenpfähle mit ihren Symbolen verunstaltet.

Das Aufkleben von Stickern kann als Sachbeschädigung geahndet werden

Doch auch kommerziell werden Sticker eingesetzt. So gibt es Aufkleber von Schnellrestaurant-Ketten ebenso wie von Mineralölgesellschaften oder Modemarken. Die Werbebotschaften für sich sind nicht illegal. Schließlich ist es jedem Bürger unbenommen, sein Auto, seinen Gartenzaun oder sonstiges Eigentum mit den bunten Folien zu verschönern. Rellingens Jugendpfleger Daniel Mietz hält deshalb auch nichts davon, pauschal allein den Jugendlichen die Schuld an allen Klebeaktionen in die Schuhe zu schieben. Der Betreuer will nicht ausschließen, dass sich auch gewerbliche Werber der Verbreitung der Sticker annehmen.

Allmählich nehmen die Aufkleber nach Mietz' Einschätzung gegenüber den Graffiti und Tags überhand. Dies habe manchmal praktische Gründe, vermutet der Jugendpfleger. Sticker lassen sich eben unauffälliger und schneller illegal aufkleben als die handgefertigten Graffiti und Tags. Dennoch ist auch für Mietz klar, dass die Verunzierung von öffentlichem wie privatem Eigentum eine Straftat ist und als Sachbeschädigung geahndet werden kann.