Das Schreckensszenario, nicht mehr eigenständiger Ort zu sein, mobilisiert viele Bürger. Eine freie Wählergemeinschaft will sich gründen.

Borstel-Hohenraden. Der Hilferuf kam an. Fast 100 Bürger aus Borstel-Hohenraden drängelten sich am Dienstagabend auf den kleinen Bänken in der Pausenhalle der Grundschule. Sie alle waren dem Aufruf von Bürgermeister Werner Moeller, SPD, gefolgt: "Werden Sie Kandidat, damit Borstel-Hohenraden eine eigenständige Gemeinde bleiben kann!" In diesem Flugblatt, das an alle Haushalte verteilt worden war, hatte Moeller das Schreckensszenario an die Wand gemalt, dass eines Tages das 2300 Einwohner zählende Dorf zu einem Stadtteil Pinnebergs werden könnte, weil es keinen eigenen Gemeinderat mehr gibt.

So pessimistisch habe er dies gar nicht gemeint, versuchte Moeller jetzt die Leute zu beruhigen. Auch die Rechtslage, die Ingo Holm vom Amt Pinnau erläuterte, lässt noch reichlich Spielraum bis zu einer Eingemeindung in die Kreisstadt. So würde zunächst die Kommunalwahl in Borstel auf Ende August verschoben, wenn sich nicht genügend Kandidaten für den 26. Mai finden. Und auch weitere Wahltermine wären danach möglich. Bis dahin würde eine vom Kreis beauftragte Person Borstel vom 1. Juni an als Bürgermeister und Gemeinderat vertreten, die zum 31. Mai aus dem Amt scheiden würden.

Aber zu dieser Situation, die Groß Nordende 1990 mal ein paar Monate traf, weil sich dort vor der Kommunalwahl der Gemeinderat auflöste, wird es in Pinnebergs Nachbarort kaum kommen. Zum einen stellte sich Dienstagabend heraus, dass von den zurzeit 17 Gemeindevertretern elf weitermachen wollen. Der künftige Gemeinderat besteht aber nur aus 13 Personen und ausgeschieden oder nachgerückt ist den fünf Jahren seit 2008 kein einziger. So fehlt den etablierten Parteien, SPD und CDU, die mit neun und acht alle Sitze im amtierenden Gemeinderat besetzen, vielleicht eine Handvoll neuer Kräfte, die sie mobilisieren müssten. Insofern konnte Bürgermeister Moeller vor der aufgebrachten Hundertschaft frohlocken: "Sie alle werden nicht berücksichtigt werden können."

Doch da unterschätzt Moeller womöglich seine Mitbürger. Eine Dorfgemeinschaft, die aus Protest gegen einen Schweinestall und Verkehrslärm in kürzester Zeit Hunderte Aktive mobilisierte, lässt sich nicht so leicht bändigen. So kündigte Harm Kähler an, dass er plant, eine freie Wählergemeinschaft zu gründen. "Ich will mich keinem Parteibuchzwang unterordnen."

So könnte es bald sein, dass SPD und CDU die Macht in Borstel-Hohenraden mit einer neuen politischen Kraft teilen müssen. "Sie könnten auch die Wahl gewinnen", warnte CDU-Gemeinderat Henning Münster. Dann müsste die Wählergemeinschaft den Bürgermeister stellen, was doch ein erheblicher Zeitaufwand sei. Keine Bange vor diesem "Schreckgespenst", beruhigte ein Bürger. "Man kann auch koalieren."