An den Gymnasien werden im Sommer zwei Klassenstufen zusammengeführt. Eine Herausforderung für Schüler, Eltern und Lehrer.

Kreis Pinneberg . Normalerweise würde Annika Schneider ein Jahr vor Franziska Robiller ihr Abitur machen. Annika hat in der Grundschule eine Klassenstufe übersprungen. Sie besucht derzeit die zehnte Klasse, Franziska die neunte. Beide Schülerinnen sind 14 Jahre alt und besuchen die Johannes-Brahms-Schule in Pinneberg. Vom kommenden Schuljahr an werden sie gemeinsam in der Klassenstufe 11 lernen.

Zu Beginn des Schuljahres 2013/2014 ist es auch in Schleswig-Holstein soweit: Die jetzigen Neunt- und Zehntklässler starten gemeinsam in die Oberstufe. Die Schülerinnen und Schüler aus den beiden Jahrgängen werden dabei gemischt, sodass Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren künftig in eine Jahrgangsstufe gehen.

In Schleswig-Holstein werden laut Bildungsministerium etwa 20.000 Gymnasiasten im Doppeljahrgang 11 zusammengeführt. Grund ist die von neun Jahren (G 9) auf acht Jahre (G 8) verkürzte Schulzeit für Gymnasiasten. Normalerweise zählt ein Oberstufenjahrgang landesweit an den Gymnasien gut 9500 Schüler.

Annika steht dieser Umstellung insgesamt positiv entgegen: "Ich werde dann ja mit Gleichaltrigen in eine Klasse gehen, da freue ich mich schon drauf." Franziska dagegen ist skeptisch. "Ältere Schüler verhalten sich oft anders und sind Jüngeren gegenüber manchmal abweisend", sagt sie. Außerdem macht sich Franziska Sorgen. Sie fragt sich, ob die Schüler beider Jahrgänge auch tatsächlich auf demselben Leistungsstand sind. Darüber denkt Annika auch nach. Besonders in Mathe lägen die neunten Klassen zurück, meint sie. "Viele meiner Mitschüler sind nicht begeistert, sie fühlen sich unter Druck, wenn Jüngere doch mehr wissen", so Annika. "Von der Schule hat es bisher nur wenige Informationen gegeben", sagt Franziska. Wie viele Schüler nach den Sommerferien die Jahrgangsstufe 11 des Pinneberger Johannes-Brahms-Gymnasium besuchen, konnte Susanne Godbersen-Schulz-Langendorf, stellvertretenden Schulleiterin, dem Abendblatt gestern nicht sagen.

An der Elmshorner Bismarckschule dagegen liegen die Zahlen soweit auf dem Tisch. Etwa 300 Schüler ziehen in die kommende Oberstufe ein. Schulleiter Peter Rosteck geht davon aus, dass zehn bis zwölf Profilklassen entstehen werden. Darin sieht er auch einen großen Vorteil des Jahrgangs: "Wir können unterschiedlichste Profile anbieten und die Schüler erhalten quasi eine Garantie für das von ihnen gewünschte Profil." Der Riesenjahrgang sei allerdings auch eine organisatorische Herausforderung. Sehr intensiv bereitet sich in diesen Tagen auch das Johann-Rist-Gymnasium in Wedel auf die kommende Situation vor. Hier unterrichteten seit mehreren Jahren die Lehrer jeweils eine neunte und eine zehnte Klasse in ihrem jeweiligen Fach nach G 8- beziehungsweise G 9-Lehrplan, sagt Oberstufenleiter Peter Lück. "Wir versuchen so, die Schüler der zwei Jahrgänge auf einen Leistungsstand zu bringen.

"Am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Quickborn beschäftigen sich Lehrer und Schulleitung seit 1999 mit der Problematik. "Wir haben bis zur Regeleinführung 2004 am Modellversuch G 8 teilgenommen und sind deswegen in einer komfortableren Lage als andere Gymnasien im Kreis Pinneberg", sagt Schulleiterin Angelika Lahrs. Im kommenden Schuljahr muss sich das Quickborner Gymnasium dennoch den organisatorischen Herausforderungen, die mit dem Doppeljahrgang verbunden sind, stellen. Lahrs erwartet etwa 180 Jugendliche im nächsten elften Jahrgang, bisher waren es um die 90. "Wir hatten im Durchschnitt immer drei bis vier Klassen, dieses Jahr werden es wohl sieben sein", sagt die Schulleiterin. Wie Kollege Rosteck sieht sie im Doppeljahrgang wegen der Auswahl an Profilen einen Vorteil für die Schüler des Doppeljahrgangs.

Die Stimmung unter den Eltern in Sachen Doppeljahrgang sei mittlerweile recht positiv, sagt Elke Krüger-Krapoth vom Landeselternbeirat der Gymnasien in Schleswig-Holstein. Das Ministerium sei laut Krüger-Krapoth eine große Hilfe gewesen. "Die von uns weitergeleiteten Fragen wurden beantwortet, und wir konnten den Eltern ihre Angst nehmen."

Für Dirk Loßack, Staatssekretär im Bildungsministerium, stellt der Altersunterschied zwischen den Schülerinnen und Schülern kein größeres Problem dar, denn an den Schulen seien altersgemischte Lerngruppen durchaus üblich. "Unser Unterrichtsprinzip ist individuelle Förderung. Probleme erwarten wir nicht", so Loßack. Die Gymnasien erhielten im kommenden Schuljahr zusätzliche Leitungsstunden und würden von den Fachleuten im Ministerium bis zum Schuljahr 2015/2016 intensiv beraten. Trotz aller positiven Signale sehen die Schulleiter der Gymnasien im Kreis Pinneberg auch ein paar Probleme, wenn sie an die Abiturprüfungen im Frühjahr 2016 denken. Aufgrund der doppelten Anzahl von Schülern pro Jahrgang werden auch deutlich mehr Prüfungstage für das mündliche Abitur benötigt als bisher.

Am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Quickborn geht man davon aus, dass Lehrer für Wirtschaft und Politik (WiPo) besonders beansprucht werden, da dieses Fach erst ab der Oberstufe unterrichtet wird. "Auf einige unserer Lehrer kommen bis zu 40 Prüfungskandidaten zu, da müssen andere Kollegen auf jeden Fall mithelfen", so Angelika Lahrs. Auch am Johann-Rist-Gymnasium gestalten sich die Vorüberlegungen schwierig. Oberstufenleiter Lück sieht es jedoch als Vorteil, dass das schriftliche Abitur künftig so geschrieben wird, dass die Prüflinge ab den Osterferien frei haben. Dann können die frei werdenden Lehrer entspannter korrigieren und prüfen. Direktor Rosteck von der Bismarckschule geht allerdings davon aus, dass es bezüglich der benötigten Prüfungstage Meinungsverschiedenheiten mit dem Ministerium geben wird. Trotzdem gibt es für ihn nur eine Möglichkeit: "Wir prüfen solange, bis wir fertig sind." Denkt Franziska Robillers an die Zukunft in der Oberstufe an der Brahms-Schule, sagt sie: "Wir werden uns schon daran gewöhnen."