“Norddeutsche Realisten“: “Ponts des Arts II“-Künstler Tobias Duwe über Brücken und Gräben zwischen Deutschland und Frankreich.

Bei der ersten Auflage von "Ponts des Arts" 2002 hingen Tobias Duwes Werke in der Pinneberger Drostei. Bei "Ponts des Arts II" ist der Vertreter der "Norddeutschen Realisten" vom 9. Februar an als einer von sechs Ausstellern mit deutsch-französischer Vita wieder dabei. Der 52-jährige Bad Oldesloer pendelt seit 20 Jahren zwischen zwei Welten: Er lebt und arbeitet in seinem Atelier in Großensee sowie in St. Aulaire im Südwesten Frankreichs, wo seine Frau mit den vierzehn- und zehnjährigen Töchtern Pauline und Louise wohnt. Duwe ging nach dem Studium zum Malen nach Frankreich, ursprünglich nur für ein paar Monate. Doch erst Mitte der 1990er Jahre kam er in den Norden zurück und schloss sich der Künstlergruppe "Norddeutsche Realisten" an, zu denen auch Erhard Göttlicher zählt.

Hamburger Abendblatt: Herr Duwe, warum sind sie wieder in den Norden zurückgekommen? Hatten Sie Heimweh?

Tobias Duwe: Nach 1994 hatte ich immer wieder an den Malaktionen der Norddeutschen Realisten teilgenommen. So entwickelten sich in Deutschland Ausstellungsmöglichkeiten. Das war die entscheidende Wende, mich hier wieder zu etablieren und Kontakte zu den Galerien zu bekommen. Wenn man malt und es keiner sieht, kann es nicht funktionieren. Ich konnte immer "Deutsches" und "Französisches" in meinen Ausstellungen miteinander verbinden.

Heute pendeln Sie zwischen zwei Welten. Fühlen Sie sich mehr in Deutschland oder in Frankreich zuhause?

Duwe: Ich bin, glaube ich, sehr norddeutsch. Dennoch hatte ich nie Heimweh. Wenn man aber Kinder hat, fehlen sie einem, wenn man lange weg ist. So gesehen ist mein Zuhause bei meinen Kindern und meiner Frau.

Was schätzen Sie besonders an den jeweiligen Kulturen?

Duwe: Es werden ja gemeinhin den Deutschen und den Franzosen bestimmte Wesensarten zugesprochen, Die möchte ich hier nicht reproduzieren. Trotzdem ist manches in Frankreich unkomplizierter. Es wird mehr improvisiert, die Menschen lieben ihre Freiheit und lassen sich nicht gerne festlegen. Ich bin immer schnell gestresst, weil ich mir Sorgen mache, ob der Plan, den man gemacht hat, eingehalten wird.

Passt der Ausdruck "Norddeutscher Realist" also nicht nur auf Ihre Kunst, sondern auch auf Sie selbst?

Duwe: Er passt eigentlich sogar besser auf mich selbst als auf meine Kunst. Ich versuche die Dinge so zu sehen, wie sie sind. Immer die Füße auf dem Boden zu halten, die Dinge im wörtlichen Sinne zu begreifen. Das trifft für meine Malerei zu. Aber in der Kunstgeschichte bezeichnet der Begriff Realist ja etwas anderes: das Komprimieren und Sichtbarmachen von Zusammenhängen. In diesem Sinne bleibe ich in meiner Malerei bewusst mehr auf der Oberfläche.

Schon zum zweiten Mal sind Ihre Bilder im Zeichen deutsch-französischer Freundschaft in Pinneberg zu sehen. Was bedeutet es Ihnen, an "Ponts des Arts II" mitzuwirken?

Duwe: Es ist für mich die Gelegenheit, mich mit meiner gewollten und gewachsenen Doppelidentität auseinanderzusetzen. Der Kern meiner Überlegungen zu der deutsch-französischen Freundschaft liegt auf der gelebten Erkenntnis, dass man immer weiter dranbleiben muss. Sobald man aufhört, daran zu arbeiten, scheinen die Ergebnisse zu zerfließen. Es gibt keinen erreichten Status. Nicht der Euro, nicht Schengen und auch nicht Maastricht sichern dauerhaft das Erreichte.

Einige der ausgestellten Bilder zeigen Landschaften aus der Vogelperspektive. Warum blickt ein Plein-Air-Maler von plötzlich "oben herab"?

Duwe: Ich fliege seit Jahren immer dieselben Strecken und beobachte immer wie ein Adler. Ich habe die Veränderungen der Landschaften bemerkt. Es haben sich nach und nach Bilder im Kopf festgesetzt, die heraus wollten. Gerade bei dem Bild "Normandie" kommen mir Assoziationen: dass diese Steilküste, an der so viele Befreier gescheitert sind, aus der Luft nur einen ganz kleinen Schatten wirft. So gesehen bewirkt unsere tägliche Geschäftigkeit, mit der wir hin und her flitzen, dass der geschichtliche Hintergrund immer kleiner wird. Das scheint mir eine Tatsache. Auch politisch.

Worin unterscheiden sich Frankreich und Deutschland aus der Luft?

Duwe: Es gibt sehr große schwach besiedelte Gebiete in Frankreich, dann sehr große Flächen, die zersiedelt sind. Gebiete, in denen sehr verstreut Häuser und kleine Dörfer liegen. Dann sieht man gut, wo zum Beispiel industrielle landwirtschaftliche Produktion an vielfach noch vorhandene kleinbäuerliche Strukturen grenzt. Deutschland sieht viel geordneter aus. Man meint, eine gelenkte Infrastukur zu sehen.

Erkennen Sie auch am Boden, im Alltag, zwischen Deutschland und Frankreich Unterschiede?

Duwe: Mal abgesehen von Kleinigkeiten, dass ich zum Beispiel gern zum Frühstück einen Teller benutze und die anderen alle ihr Brot so auf den Tisch legen - was mich nervt -, denke ich, dass die Kinder in Frankreich insgesamt anders sozialisiert werden. Die meisten Kinder gehen sehr jung schon in Krippe oder Kindergarten und haben erstaunliche Fähigkeiten, sich in Gruppen zurechtzufinden. Ich empfinde meine Kinder als sehr selbstständig. Die Diskussion um das Betreuungsgeld erscheint mir vollkommen absurd. Und deutsch.

So ein deutsch-französisches "Doppelleben" inklusive Pendelei ist anstrengend. Sehen Sie darin trotzdem etwas Positives?

Duwe: Es bereichert unbedingt mein Schaffen. Es verschafft mir Abstand zu mir selbst. Ich kann intensiver darüber nachdenken, was ich als nächstes machen möchte. Und dann denke ich an die Idee von einem offenen Europa. Das hört sich groß an, kann aber nur funktionieren, wenn man es im Kleinen lebt. Ich habe mich deshalb für dieses Leben mit einer Französin und mit Kindern in Frankreich entschieden.

Herr Duwe, vielen Dank für das Gespräch.