Sport-Verein-Serie: Der Rellinger TV, der als Klassiker der Gemeinde gilt. Trainer kommen fast alle aus dem eigenen Verein.

Rellingen. Vor einer Woche war Ingrid Wirkus auf einer Vorstandssitzung gerührt. "Zum 1. Juni 2014 höre ich auf. Wir sprachen darüber", erklärt die 62-jährige Geschäftsführerin des Rellinger Turnvereins. Sie mag noch nicht an den selbst gewählten Ruhestand denken. Verständlich. "Ingrid ist das Herz des RTV", sagt der Vorsitzende Sven Schubert. 1958 trat sie als siebenjähriges Mädchen in die Turnsparte ein, übernahm am 2. Januar 1981 die Geschäftsführung des im Jahre 1900 gegründeten Traditionsclubs. Gleich im ersten Jahr ihrer Tätigkeit stieg die Mitgliederzahl von 800 auf 1500.

Ingrid Wirkus folgte dem Aerobic-Trend, öffnete den Verein für neue Abteilungen, schob Kooperationen mit anderen Vereinen, Schulen und Kindergärten an und kümmerte sich um gut ausgebildete Trainer. "Wir haben heute in jeder Sparte fachlich zertifizierte Trainer. Darauf sind wir besonders stolz", sagte sie - und hebt ein besonderes Kennzeichen des RTV hervor. "Fast alle unserer Trainer kommen aus dem eigenen Verein." Dies sei der Weg des RTV: Bindung herstellen durch Trainer, denen der Verein selbst eine Herzensangelegenheit ist. Deutlich wird dies an fünf großen Abteilungen des Vereins.

Zuerst zu nennen ist die 1100 Mitglieder starke Turnabteilung. Hier zeigten nach vielen vorangegangenen Erfolgen die Mädchen des RTV 1999 im Kunstturnen überragende Leistungen. Marta Reszka wurde mit zwölf Jahren Landesvizemeisterin in der Disziplin "Athletik" und Landesmeisterin im Kunstturnen. Im Mehrkampf siegte bei der Landesmeisterschaft, wie auch 1998 die 14 Jahre alte Caroline Striedieck, Julia Karle (12) wurde Dritte, Annabell Jahn (13) Vierte. "Leider mussten wir das Gerätturnen inzwischen aus finanziellen Gründen aufgeben, obwohl wir immer oben mit dabei waren", bedauert Wirkus. Doch im vielfältigen Angebot der Turnsparte hat sich auch der Leistungsgedanke halten können. "An Kreisschülerturnfesten nehmen wir jedes Jahr mit bis zu 30 Kindern teil. Fünf bis sieben Mädchen sind immer unter den ersten drei", sagt Geräteturntrainer Herbert Renner. 2012 bewies die 13 Jahre alte Maxi Dohrmann ihr Allroundtalent. Sie siegte im Kreisfinale, im Kreisbestenwettkampf und erturnte sich beim Geräteturn-Landesfinale am Boden und auf dem Stufenbarren den zweiten Platz.

Gute Leistungen bringen auch die Judokämpfer des Vereins. Athleten wie Jan (2. Bundesliga) und Sarah Hapke (1. Bundesliga) starteten von hier sogar eine große Karriere. Wie das ist, weiß Michael Scholz. 1981 verstärkte der damals gerade 14-Jährige den hauptamtlichen RTV-Sportlehrer Detlev Schönenberg beim Aufbau der Judoabteilung. Parallel kämpfte er für den TSV Stellingen in der Bundesliga. "Ich bin immer noch da und es macht immer noch viel Spaß", sagt der heute 45 Jahre alte Scholz. "Die 100 Judokas sind eine große Familie."

Sogar 250 Aktive spielen im RTV Handball. Bis auf Christian Sörensen, Trainer der ersten Herren, gibt es keine auswärtigen Trainer. "Auch wir schauen immer nach Übungsleitern aus dem eigenen Bestand. Wir fragen unsere Spieler, ob sie nicht Lust haben, den Jungen was beizubringen", erklärt Abteilungsleiter Rainer Knaack. Das Konzept fruchtet. Die Damen spielen bereits seit 1993 in der Landesliga, die Herren seit 2009. Ähnlich läuft es im Tischtennis (140 Mitglieder). Die Damen stehen in der 1. Landesliga an der Platte, die Herren in der 2. Landesliga. Nur die Volleyballdamen (Bezirksliga) suchen gerade einen Trainer. Diesen hat die Herren-Mixed-Mannschaft schon gefunden - sie baggerte und pritschte sich in dieser Saison zur Tabellenspitze der 2. Hamburger Klasse.

Geld wird übrigens nicht gezahlt. Wichtig sei vielmehr die oft beschworene Bindung im Verein - nicht nur in Sachen Trainer. "Unser Motto lautet 'Sport für Generationen'", sagt Schubert. "Von der Kooperation mit den Kindergärten bis zum Seniorenkurs wollen wir alle Menschen ansprechen." Der Rellinger TV ist ein Klassiker in der Gemeinde. Dafür wolle man weiter einsetzen.

Das wird auch Ingrid Wirkus nach ihrem Rückzug tun. "Ihre Kompetenz und Menschlichkeit möchten wir nicht missen. Wir hoffen, dass sie sich weiter engagiert", sagt Schubert. Wirkus stimmt zu. "Das werde ich sicher tun. Ich kann gar nicht mehr ohne den RTV."