Ermittlungen gegen Verantwortliche von Harles & Jentzsch ausgeweitet. Entschädigungen in Millionenhöhe lassen auf sich warten.

Uetersen. Genau vor zwei Jahren sorgte dioxinverseuchtes Tierfutter bundesweit für Aufsehen. Als Verursacher ermittelten die Behörden den Uetersener Betrieb Harles & Jentzsch, in dem Futterfette möglicherweise absichtlich mit billigen Industriefetten, die nur zum Schmieren von Maschinen bestimmt waren, vermengt wurden.

Die strafrechtliche Aufarbeitung des Vorfalls lässt bis heute auf sich warten - und daran hängen auch die Entschädigungen für betroffene Landwirte. Die angemeldeten Forderungen gegen das Unternehmen, das kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe Insolvenz anmeldete und dessen Produktionsstätte Anfang 2012 von der Hamburger Firma OleoServ übernommen worden ist, belaufen sich auf 20 Millionen Euro.

"Wir rechnen jetzt damit, dass wir das Ermittlungsverfahren im Frühjahr 2013 abschließen können", so Uwe Dreeßen, Sprecher der Staatsanwaltschaft Itzehoe, auf Anfrage unserer Zeitung. Am 5. Januar 2011 starteten die Ermittler eine Großrazzia in dem Uetersener Betrieb sowie seiner Zweigstelle in Bösel/Niedersachsen. Seitdem läuft das Ermittlungsverfahren, das sich laut Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen Firmen-Chef Siegfried S. sowie den damaligen Prokuristen des Betriebes richtet. Ihnen werden Verstöße gegen das Lebens- und Futtermittelgesetz sowie Steuerhinterziehung und Betrug vorgeworfen.

Die Staatsanwaltschaft ließ bei Harles & Jentzsch bergeweise Unterlagen beschlagnahmen, teils auf Papier, teils auf Computerfestplatten. "Bei der Auswertung haben wir Erkenntnisse gewonnen, die über die ursprünglichen Tatvorwürfe hinausgehen", so Dreeßen weiter. Daraufhin habe sich der Abschluss der Ermittlungen, der ursprünglich bereits im Frühjahr 2012 erfolgen sollte, verzögert. Näheres zu den neuen Vorwürfen will die Staatsanwaltschaft nicht mitteilen. Bekannt wurde nur, dass sie aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität stammen sollen.

Ein weiterer Punkt, der die Ermittlungen erschwerte, ist eine Spur in die Niederlande. Das Rotterdamer Unternehmen Olivet soll belastete Mischfettsäure aus einer Biodieselraffinerie in Emden an Harles & Jentzsch geliefert und diese eventuell falsch ausgezeichnet haben. "Wir haben ein Rechtshilfeersuchen an die dortigen Ermittlungsbehörden gestellt", sagt Dreeßen.

Diese Punkte seien mittlerweile abgearbeitet. Dreeßen: "Unsere Ermittlungen sind weitgehend abgeschlossen. Ich rechne mit einer Anklageerhebung vor einer Großen Strafkammer." Ob es in allen Punkten zu einer Anklage kommt, könne noch nicht gesagt werden. Ein Problem ist, dass laut Paragraf 44 Absatz 6 des Lebens- und Futtermittelgesetzes Unternehmer, die sich selbst bei den Behörden anzeigen oder Grenzwertüberschreitungen öffentlich machen, straffrei ausgehen. Das könnte auf Harles & Jentzsch zutreffen, da in Teilbereichen eine Selbstanzeige erfolgte.

Der Name Harles & Jentzsch ist in Uetersen inzwischen getilgt. Auf dem Firmenschild an der Deichstraße steht jetzt OleoServ. Das Hamburger Unternehmen hat die Betriebsstätte inklusive der Mitarbeiter Ende Januar 2012 übernommen und führt mit der Produktion von Industriefetten einen Geschäftszweig weiter. Damit hat der Insolvenzverwalter von Harles & Jentzsch, der Hamburger Rechtsanwalt Heiko Fialski, eine Sorge weniger. Dennoch steht dem Juristen noch eine Menge Arbeit bevor. 600 Geschädigte, überwiegend Landwirte, deren Höfe gesperrt oder deren Tiere getötet werden mussten, haben Schadenersatzforderungen eingereicht. Die Forderungen belaufen sich auf 20 Millionen Euro.

"Im Insolvenzfall der inzwischen verkauften Harles & Jentzsch GmbH aus Uetersen ist bislang noch offen, inwieweit die Versicherungen in die Haftung mit eintreten werden. Bis zu einer abschließenden Klärung der strafrechtlichen Fragen seitens der Staatsanwaltschaft Itzehoe ist mit einer Festlegung der Versicherer nicht zu rechnen. Dieser Schritt ist frühestens im Verlauf des Jahres 2013 zu erwarten", sagt Fialski.

Daher hätten bisher noch keine Entschädigungszahlungen an die Betroffenen erfolgen können. Parallel zu den staatsanwaltlichen Ermittlungen ist der Insolvenzverwalter damit befasst, die eingereichten Schadensersatzansprüche auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. In Einzelfällen, so teilt Fialski mit, komme man nicht umhin, "diese Klärung prozessual überprüfen zu lassen".