Yousif Akbari lebt seit vier Monaten in Uetersener Wohnung ohne Strom, weil im Kreis Pinneberg die Alternativen fehlen.

Pinneberg/Uetersen. An seinem Handgelenk trägt Yousif Akbari ein Band in den Farben schwarz, rot, grün. Es sind die Farben der Nationalflagge seines Heimatlandes Afghanistan. Vor mehr als zwei Jahren floh der damals 18-Jährige aus Kabul nach Deutschland. Heimweh hat er nicht. Hinter dem Band verbirgt sich vielmehr eine schmerzliche Erinnerung an sein früheres Zuhause. Yousif Akbari hat Verbrennungen an Handgelenk und Schulter. Sein Onkel habe das gemacht, erzählt er. Warum? Er weiß es nicht. Wo seine Eltern sind? Das weiß er auch nicht. Er weiß nur, er will nie wieder dorthin zurück. Yousif Akbari erzählt nur wenig über die Kindheit im Haus seines Onkels. Alles, was er berichtet, ist von Gewalt und Angst geprägt. "Ich habe dort wie ein Sklave gelebt", sagt er.

Aus seinem Blickwinkel ist sein neues Zuhause im Kreis Pinneberg deshalb etwas, worüber er sich trotz aller Widrigkeiten freut. Ganz im Gegensatz zu Judith Steeck. Die Flüchtlingsbeauftragte des Pinneberger Diakonievereins Migration ist entsetzt darüber, wie Yousif Akbari lebt. Seit Monaten sitzt der 20-Jährige in einer dunklen Wohnung in Uetersen. Der Herd geht nicht, den Fernseher hat er verschenkt, ein Radio läuft nicht. Vor 16 Wochen drehte der Strom- und Gaslieferant der 60 Quadratmeter großen Zwei-Zimmer-Wohnung den Saft ab. Grund: Yousif Akbari kann die Rechnung nicht bezahlen. Es werden hohe Nachzahlungen und sehr viele höhere Abschläge verlangt.

Steeck fürchtet, dass auch bald die Heizung abgedreht wird. Denn auch fürs Gas soll Akbari für die privat vermiete Wohnung plötzlich kräftig draufzahlen. Bei den Unterkunftszahlungen übernimmt der Kreis Pinneberg 80 Euro pro Monat fürs Gas. Jetzt werden plötzlich 239 Euro verlangt. Laut Rechnung soll der 20-Jährige in weniger als einem Jahr 30.475 Kilowattstunden verbraucht haben. Das entspricht etwa dem durchschnittlichen Verbrauch, das Vergleichsportale im Internet zum Beheizen eines 180 Quadratmeter großen Einfamilienhauses angeben. "Ich kann mir diese Gasrechnung nicht erklären. Da stimmt was nicht", sagt Judith Steeck. "Wir werden uns seines Falls annehmen und ihn vertreten." Eine Juristin sei bereits eingeschaltet. Ob sich der Fall allerdings schnell aufklären lässt, ist fraglich. Bis dahin muss Akbari weiter ganz allein bei Kerzenschein kalte Mahlzeiten in seiner Wohnung essen.

Wenn es nach Steeck geht, müsste er dort sofort heraus. Aber es fehlen die Alternativen. Günstige Mietwohnungen sind in der Metropolregion knapp. Flüchtlinge wie Akbari, die keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung haben, trifft die Wohnungsnot besonders hart. "Es ist für Asylbewerber wie Akbari fast unmöglich, hier eine Wohnung zu finden. Welcher Vermieter lässt sich darauf ein, jemandem eine Wohnung zu geben, der jederzeit seine Aufenthaltsgenehmigung verlieren könnte? Vielen Flüchtlingen bleibt gar keine andere Möglichkeit, als zwielichtige Angebote anzunehmen", sagt Judith Steeck. Es sei unfassbar, wie mit den Flüchtlingen umgegangen werde.

Das Problem verschärft sich zudem, weil in den vergangenen Jahren die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, stetig stieg. 2011 wurden auf die Kreise und kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein 1190 Schutzsuchende verteilt. Davon kamen 140 Personen in den Kreis Pinneberg. Im Vorjahr waren es noch 113. Für 2012 rechnet die Kreisverwaltung angesichts des Andrangs von Menschen aus Serbien und Mazedonien sogar mit bis zu 240 Flüchtlingen. Zwar gibt es eine begrenzte Zahl an Wohnungen, die die Kommunen vorhalten, die reichen aber nicht aus. "Asylbewerber wie Akbari werden angehalten, sich selbst eine Wohnung zu suchen. Dabei sprechen sie, wenn sie herkommen, meistens kein Wort deutsch", sagt die Migrationssozialberaterin, die in Pinneberg und Wedel eine Sprechstunde für Asylbewerber anbietet.

Eine weitere Schwierigkeit für Flüchtlinge: Ihnen steht für ihre Unterkunft ein bestimmter Satz je Wohnort und Personen zu. Akbari kann zum Beispiel nur nach Mietwohnungen suchen, die zwischen 343 Euro (Uetersen und Elmshorn) und 396 Euro pro Monat (in Wedel, Schenefeld und Pinneberg) plus angemessenen Heizkosten liegen. Seine stromlose Wohnung in Uetersen kostet übrigens 300 Euro pro Monat und liegt damit nur knapp unter der Höchstgrenze von 343 Euro. Dafür ist der auf ein Jahr befristete Mietvertrag seitdem 1. Dezember 2011 abgelaufen. Ein neuer Vertrag wurde nie aufgesetzt.