Faszination Fliegen: Der Norderstedter Matthias Rieken und Helge Heggblum aus Quickborn laden zum Abheben in den Flugsimulator ein.

Ein Airbus ist kein Fiat oder Opel. Wer den Stolz europäischer Flugzeugbauer starten will, braucht keinen Schlüssel. Im Cockpit gehen die Lampen an, wenn einer der Piloten einen Nummerncode in einen Transponder eingibt. Das ist heute mein Job. Hunderte Schalter und Regler umringen meinen Sitz, jetzt leuchten sie ebenso bunt wie verwirrend. Draußen vor dem Fenster rollen Busse mit Passagieren vorbei, Ferienflieger nähern sich blinkend ihrer Startposition - Fuhlsbüttel in Aktion.

Der Hamburger Flughafen kann aus der Cockpit-Perspektive so schön und aufregend sein, selbst wenn man zwei Kilometer entfernt in einem schlichten Bürogebäude sitzt. Ich wache auf der Kommandobrücke eines Fliegers, freue mich aufs Abheben und werde dennoch am Boden bleiben - im Simulator mit 270-Grad-Ansicht. Hier kann jeder die Faszination Fliegen ohne Pilotenschein erleben, allerdings auch ohne Stewardess.

Eventflight heißt die Firma, die der Norderstedter Matthias Rieken und der Quickborner Helge Heggblum gegründet haben. Rieken ist vom Fach, er fliegt als Pilot für die Lufthansa rund um die Welt. Heggblum liebt ebenfalls die Nähe zu den Wolken: Er produziert Filme, hat eine Hommage an die "Tante Ju" gedreht und ist regelmäßig mit der Kamera im Hubschrauber unterwegs.

Freunde der Luftfahrt buchen bei ihnen Flüge, Aufregung und das Gefühl, einmal Herr über Triebwerke, Fahrwerk und Höhenruder zu sein. 349 Euro kostet die dreistündige Veranstaltung im Airbus-Cockpit inklusive Theorie und einem Flug, den vier Computer dem Besucher vorgaukeln. Außerdem hat Eventflight Ausflüge im mobilen Simulator eines Ultraleichtfliegers im Angebot - ein echter Hüpfer im Vergleich zum Airbus. Der 50 000 Euro teure Miniflieger ist bei Stadtfesten und anderen Veranstaltungen im Einsatz.

Gleich wird es über dem Norderstedter Stadtteil Garstedt und Quickborn laut. Mit authentischen Triebwerkgeräuschen hat Matthias Rieken "meinen" A320 auf die Bahn 33 gelenkt. Hinten rechts erkenne ich die Türme des Nordports. Den Namen für den Flug darf ich vergeben. Icelandair war mir in den Lüften bislang am sympathischsten - wegen der unvergesslichen Fischsnacks.

Wir haben 6,2 Tonnen Treibstoff getankt. "Damit kommen wir locker bis nach München", sagt Matthias Rieken, doch Icelandair 1311 wird heute nur eine Runde von Hamburg nach Eckernförde (!) und zurück drehen. 62 Tonnen stehen virtuell zum Abheben bereit. 29 000 Fuß Höhe sind angepeilt, die Klimaanlage läuft. Minus 56 Grad wird das Thermometer am Himmel zeigen. Vor mir liegen Schleswig-Holstein und die weite Welt.

Vor dem Start löse ich den berühmten "Bing" aus. Bei diesem Geräusch gehen in der Passagierkabine die Anschnallzeichen und die Lampen fürs Rauchverbot an. Jetzt kann es losgehen. Steuern muss ich mit den Pedalen im Fußraum. Der rechte Hebel sorgt fürs Tempo, der linke für die Neigung. Das Koordinationsvermögen eines Schlagzeugers ist gefragt.

Mit Vollgas geht es auf die Bahn 33, die Triebwerke heulen. Und ab nach oben! Der Himmel ist blau, das Land ist weit, links taucht die Elbe - wie im richtigen Leben. Wir steigen über 5000 Fuß bei 220 Knoten. Da hinten ist die Nordsee zu erkennen.

Jetzt ertönt das Bing im Cockpit. Das Display zeigt ein technisches Problem in einem Generator. In so einem Fall gilt die Regel: Der Kapitän fliegt, sein Co-Pilot reagiert. Rieken hat es diesmal leicht. Er schaltet den Generator aus und wieder ein. Jetzt funktioniert alles. Das künstliche Cockpit kann viele Probleme simulieren. Hier sitzen nicht nur Möchtegern-Piloten, sondern auch echte Luftfahrer, die ausgebildet werden. "Notlagen stellen wir für unsere Gäste nicht nach", sagt Rieken. "Jeder soll mit einem guten Gefühl nach Hause." Heggblum ergänzt: "Die meisten Leute wollen nicht wissen, wie weit man gehen kann. Sie wollen wissen, was ein Pilot zu tun hat."

Ein Triebwerkausfall wird mir also erspart bleiben. In Höhe Rendsburg ist die Zeit des Autopiloten gekommen, der den einprogrammierten Kurs, Tempo und Höhe regelt. Kurz danach beginnt die Rückkehr. Diesmal taucht die Elbe rechts auf, die Autobahn 23 schlängelt sich durch Land. Je tiefer ich die Nase des Jets nach unten drücke, desto deutlicher sind die Bäume am Boden zu erkennen.

Gleich hat mich Hamburg Airport wieder. Der Airbus reagiert - im Simulator und am Himmel - auf jedes Kommando mit Verzögerung. Ein träger und trotzdem pfeilschneller Brummer, den ich nur mit Mühe und Riemens Hilfe halbwegs gerade auf die Piste setze. Erstaunlich, dass das bei diesem chaotischen Landeanflug das Computerprogramm nicht automatisch die Flughafenfeuerwehr alarmiert. Wenigstens das Klatschen der Pauschaltouristen hinter mir bleibt aus, die Maschine ist ehrlich.

"Die Menschen, die zu uns kommen, wollen das Gefühl vom Fliegen haben", hatte Helge Heggblum vor meinem Start gesagt. Tatsächlich könnte man in diesem Ambiente - anders im Simulationsprogramm am eigenen Computer - zuweilen vergessen, dass dieses 130.000 Euro teure Cockpit fest verankert im Erdgeschoss stehen bleibt. Um das möglichst authentische Gefühl noch zu verstärken, treten Heggblum und Rieken grundsätzlich in der Pilotenuniform von Eventflight auf.

Dass Fliegen für viele Menschen ein unvergessliches Erlebnis ist, erklärt Heggblum mit der Sehnsucht nach der Vogelperspektive: "Der Mensch will immer haben, was er nicht bekommen kann. Selbst fliegen kann er nun mal nicht."

Rieken bezeichnet seinen Beruf als Traumjob mit einer faszinierenden Mischung, die Ansehen, Können und Technik vereine. Amerika, Asien und Afrika gehören in seinem Hauptberuf bei der Lufthansa zu seinen Zielen. Von der oft zitierten Freiheit, die über den Wolken angeblich grenzenlos ist, spürt er im Alltag jedoch nicht viel: "Fast alles ist reglementiert."

Nicht ganz so streng sind die Regeln im Ultraleichtflieger, den Eventflight-Kunden buchen können. Wie im echten Vorbild fliegt der Pilot in der Speed Cruiser SC 07 auf Sicht, legt sich mit seinem Flieger buchstäblich in die Kurve und schaukelt durch die Lüfte. "Motion" nennen Fachleute diese Effekte. Auch in diesem Simulator ist der Crash verpönt, eine raue Landung ist gestattet. Schade, dass die Simulation sich nur auf das Cockpit beschränkt. Hinter diesen Fenster leuchtet immer ein blauer Himmel.

Info: Telefon 04106/809 26 00 oder Internet: www.eventflight.de