Das neues Heimatbuch über Barmstedt beschreibt, wie die ehemalige Schusterstadt vor 120 Jahren zum beliebten Ausflugsziel wurde.

Barmstedt. Vom Alter her gehören sie unterschiedlichen Generationen an, aber die Liebe zu ihrer Heimatstadt verbindet sie. Jetzt haben der Fotograf und Heimatforscher Peter Steenbuck, 77, und die Autorin Claudia Kollschen, 37, ein Buch über Barmstedt veröffentlicht, das die Entwicklung des Tourismus' als Ausflugsziel des staatlich anerkannten Erholungsortes in den vergangenen 120 Jahren nachzeichnet.

Beide sind überzeugt: "Barmstedt ist die liebenswerteste Stadt im Kreis Pinneberg. Das hört man auch immer wieder von den auswärtigen Besuchern." Steenbuck und Kollschen müssen es wissen. Führen sie doch einmal im Monat Ausflügler durch die ehemalige Schusterstadt, die hier oft in ganzen Busladungen ankommen.

Bei einer dieser geführten Stadtrundgänge sei auch die Idee entstanden, ein gemeinsames Buch über die Heimatgeschichte Barmstedts herauszugeben, erzählt Steenbuck. Seit Jahrzehnten sammelt er alte Fotos und historische Postkarten über Barmstedt und hält Gebäude, Straßen, Natur und Ereignisse in Tausenden von Bildern fest.

Bei seinen zahlreichen Diavorträgen und Stadtführungen kann Steenbuck seine Zuhörer mit seinem angelesenen Schatz an Informationen und Anekdoten begeistern. "Aber aufschreiben kann ich das nicht."

So fügte es sich, dass die Literaturwissenschaftlerin Claudia Kollschen, die hier aufgewachsen ist und wieder in Barmstedt lebt, als Autorin arbeitet und bereits ein paar Kurzgeschichten veröffentlicht hat. Schnell waren sie sich einig, sich gemäß ihrer Talente die Arbeit für das Buch zu teilen: Steenbuck stellte Kollschen sein umfassendes Archiv an zeitgenössischen Chroniken, Zeitungsartikeln und Broschüren zur Verfügung und steuerte die Fotos bei. Claudia Kollschen erzählt die alten Geschichten und beschreibt die Entwicklung ihrer "Leidenschaft" Barmstedt. "Ein wahrer Glücksfall" sei diese Zusammenarbeit, findet Peter Steenbuck.

Ihr Thema hatten sie auch schnell gefunden. So wollten sie die Entwicklung Barmstedts als Ausflugsziel für Besucher und Tagestouristen im Laufe der Jahrzehnte nachzeichnen. Kollschen wählte dabei eine chronologische Gliederung, um einen besseren Überblick zu geben.

Die erste entscheidende Wende sei dafür das Jahr 1895 gewesen, sagt die Heimatforscherin. Damals schlossen sich Barmstedt und das lange verfeindete Großendorf zu einem Ort zusammen, der im April 1895 die Stadtrechte erhielt. Ein Jahr später fuhr der erste Zug in Barmstedt ein. Die Bahnstrecke nach Elmshorn, die heute die AKN betreibt, bedeutete für die kleine Stadt die Schienenverbindung nach Hamburg. Anfangs verkehrten täglich sechs Züge zwischen Barmstedt und Elmshorn. Heute sind es werktags 39 Fahrten in jede Richtung. Das brachte Menschen in die Stadt. Der schleswig-holsteinische Sängerbund feierte hier mit 545 Sängern 1905 ein großes Fest.

Den zweiten großen Schub erhielt Barmstedt durch den Bau des Rantzauer Sees, der 1938 offiziell eingeweiht wurde. Der Reichsarbeitsdienst hatte 1934 mitten in der großen Arbeitslosigkeit, die die Nazis an die Macht gebracht hatte, 216 Arbeitskräfte nach Barmstedt beordert. Diese gruben mit Hacken und Spaten auf der großen Wiese im Südwesten der Stadt der mäandrierenden Krückau ein neues Bett, schütteten das alte zu und hoben einen See aus. 160 000 Kubikmeter Erde bewegten die Arbeitsdienstler in Schwerstarbeit. Knapp 200 000 Reichsmark kostete das Mehrjahres-Projekt. Im September 1937 ließ man das Wasser der Krückau in das neue Becken fließen. Barmstedt hatte seine neue Attraktion: den See und die Schlossinsel. Dieses Ereignis sollte gefeiert werden und ließ die Nazis die Geschichte fälschen. Sie luden im Juli 1938 zur Eröffnung des Sees gleichzeitig zum 800-jährigen Bestehen Barmstedts ein - ein Jubiläum, das eigentlich erst 1940 dran gewesen wäre.

Seitdem ist der See ein Hauptanziehungspunkt für auswärtige Gäste, die hier baden, Boot fahren oder die Sommerfrische genießen können. Mit dem Galerie-Café, dem ehemaligen Gefängnis, dem Museum, Gerichtsschreiberhaus und Galerie-Atelier III hat sich hier einer der Leuchttürme des kulturellen Schaffens im Kreis Pinneberg etabliert. Und auch die alte Wassermühle zieht nicht nur zum Mühlentag jedes Jahr am Pfingstmontag Tausende Besucher an, auch wenn der Mühlenbetrieb 1969 eingestellt worden ist.

Die Sanierung der Innenstadt in den 1990er Jahren und zahlreiche Stadtfeste wie der Stoppel- und Weihnachtsmarkt oder sportliche Veranstaltungen wie Stadtlauf, Ede-Menzler-Handballturnier und Triathlon sorgen auch heute für viele Besucher in der Stadt. Das alle zwei Jahre wiederkehrende Squaredance-Festival, zuletzt 2011, lockt Besucher aus der ganzen Welt nach Barmstedt. Mit 10 000 Übernachtungen im Jahr verdoppelt die Stadt ihre Einwohnerzahl. Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung war im vorigen Jahr die Ernennung Barmstedts zum ersten Erholungsort im Kreis Pinneberg durch den damaligen Wirtschaftsminister Jost de Jager.

Steenbucks und Kollschens Erstlingswerk hat zunächst eine Auflage von 800 Exemplaren und ist in den Barmstedter Buchhandlungen Reimers, Am Markt 24, und Lenz, Reichenstraße 6, für zwölf Euro zu kaufen.