Eine Glosse von Rainer Burmeister

Kennen Sie Russisch Roulette? Das ist das makabre Spiel ums eigene Leben. In der rotierenden Trommel eines Revolvers ist nur eine Patrone und der Zufall entscheidet, ob sich anschließend beim Abdrücken ein Schuss löst.

Kennen Sie Russisch Roulette auf dem Fahrrad? Das ist, wenn in der dunklen Jahreszeit Radfahrer ohne Beleuchtung unterwegs sind. Diese Pedalartisten setzen ebenfalls ihr Leben aufs Spiel und gefährden zudem noch andere Verkehrsteilnehmer.

Die tägliche Saison für das düstere Spiel beginnt in diesen Wochen bei Regen, Schneetreiben und dichten Wolken oft schon kurz nach 16 Uhr. Je nach Grad der Hirnverbranntheit sausen die finsteren Gesellen dann komplett ohne Licht oder nur mit unzulänglichen Hilfsmitteln ausgestattet schemenhaft über Gehwege, Fahrbahnen, Kreuzungen und Einmündungen. Autofahrer haben erst in allerletzter Sekunde die Chance zu reagieren, wenn die Kamikaze-Radler im Lichtkegel ihrer Scheinwerfer auftauchen. Oft ist ein Zusammenprall nur noch mit abrupten Brems- oder Ausweichmanövern zu verhindern. Ein Wunder, dass nicht mehr passiert.

Selbstverständlich gibt es auch helle Köpfe unter den Radfahrern, die brav mit Licht unterwegs sind. Doch die Dunkelziffer dürfte gewaltig hoch sein und nur noch von den Ausreden der Schwarzfahrer übertroffen werden. Mal läuft der Dynamo zu schwergängig, dann ist bei manchen ein Draht ab (wohl nicht nur am Rad) oder eine Birne durchgebrannt.

Unter einer durchgebrannten Birne leiden wohl auch jene Biker, die den Lichtmangel am Fahrrad mit ebenso kreativen wie bekloppten Einfällen auszugleichen versuchen. Kürzlich kreuzte ein Radler meinen Weg, der sein Gefährt vorn wie hinten mit einem gelblich schimmernden Taschenlampenschein ausgerüstet hatte. Ein anderer Illuminationskünstler fuchtelte mit einer Stableuchte in der Hand herum, als er den Pinneberger Fahlt durchquerte. Vermutlich aus dem Ruhrgebiet stammte ein Pedalist, der nicht sein Rad beleuchtete, sich dafür aber eine Grubenlampe um den Kopf geschnallt hatte. Als ich ihn per Lichthupe auf seinen wenig lichtvollen Beitrag zur Verkehrssicherheit aufmerksam machte, grüßte der Kumpel mit ausgestreckten Mittelfinger. Dieses Signal war im Bergmannslicht wenigstens gut zu erkennen.