Großer Andrang auf die neue Einrichtung am Osterbrooksweg. Zahlreiche Helfer empfangen erste Kunden, unter ihnen auch viele Senioren.

Schenefeld. Er lehnt im Türrahmen. Still und sehr aufmerksam beobachtet er das Treiben im Ausgaberaum. Der ältere Mann mit den schneeweißen Haaren ist der erste. Bereits eine halbe Stunde vor Eröffnung der neuen Schenefelder Tafel steht er parat. Geduldig wartet er, bis Vereinschef Mathias Schmitz, der persönlich den Türdienst schiebt, um 14.30 Uhr den Startschuss zur ersten Essensverteilung gibt. Der Senior, der fünf Minuten später und zwei Tüten voller Lebensmittel reicher die Räume am Osterbrooksweg 13 verließ, ist eindeutig nicht der einzige, der die erste Ausgabe kaum erwarten konnte. Der Andrang ist groß. Genauso wie die Freude über die Hilfe.

"Ich bin so froh, dass es hier jetzt eine Tafel gibt", sagte eine Frau immer wieder zu einer Helferin. Die Erleichterung über die neue Schenefelder Einrichtung, die am Nikolaustag erstmals Lebensmittel an Bedürftige verteilte, war ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Der Großteil der 41 Kunden, die sich an der Anmeldung mit Personalausweis und einem Bedürftigkeitsnachweis registrieren ließen, waren Senioren. "Das ist schon bitter, wenn man sein Leben lang arbeitet und dann reicht die Rente nicht aus", sagte Norbert Reinhardt. Der ehrenamtliche Helfer stand nicht nur an den Essenstationen, die dank der Unterstützung durch zahlreiche Unternehmen gut bestückt waren. Er wirkte auch bei der Renovierung tatkräftig mit und er sammelte half die zur Verfügung gestellten Produkte ein.

Davon gab es viele. Tonnenweise Brot und Kuchen, die nicht mehr für den normalen Verkauf geeignet sind, steuerten die örtlichen Backunternehmen bei. Körbeweise stellten Discounter Obst und Gemüse bereit. Von einem Schenefelder Restaurant wanderten 600 Liter H-Milch zur Tafel. Eine ganze Palette mit Rotkohlgläsern holten die Schenefelder Helfer aus Hamburg ab. Die dortige Tafel, die der Idee 1994 zum deutschlandweiten Durchbruch verhalf, verteilt umfangreiche Lebensmittelanlieferungen zum Beispiel aus Versicherungsschäden an die umliegenden Organisationen. In diesem Fall eben 750 Liter Rotkohl. In der Tiefkühltruhe warten sogar Rehkeulen und Straußengulasch vom örtlichen Delikatessen-Lieferanten auf Abnehmer. Mit Fleisch und Rotkohl im Gepäck verließ so mancher die Tafel an diesem Tag, um ein vorgezogenes Weihnachtsfest zu feiern.

Damit keine ungenießbaren Lebensmittel verteilt werden, gibt es strikte Regeln. Vorstandsmitglied Helga Butenuth briefte deshalb die Helfer, die sich in einer Traube um sie geschart hatten, kurz vor Ausgabebeginn. In kleinen Gruppen von fünf bis zehn Personen wurden die Kunden, nachdem sie sich registriert und einen symbolischen Euro für eine Einkaufstüte gezahlt hatten, in den Ausgaberaum gelassen. Mit einem Helfer an der Seite ging es die Regale entlang. Eine dieser Helfer war Ramona Hübenbecker. Warum sie sich hier engagiert? "Durch die Arbeit bei der Tafel sieht man, wie gut es einem eigentlich geht", sagt die Schenefelderin. 80 Tüten mit Lebensmittel, die sonst in der Tonne gelandet wären, fanden am Ende einen Abnehmer.

Angesichts der reichen Essenauswahl wurde auch Schenefelds Bürgermeisterin und Schirmherrin Christiane Küchenhof nachdenklich. "Da wird einem erst bewusst, was für eine Schande es ist, was sonst alles weggeworfen wird." Die Schenefelder Tafel musste von den zur Verfügung gestellten Lebensmitteln nichts entsorgen, was Mathias Schmitz besonders freute. Was nicht wegging, holten vier Mitglieder der Uetersener Tafel am Abend ab. Die hat am Freitag Ausgabetag. Ein weiteres Geschenk für Schmitz und sein Team überreichte Ingrid Pöhland. Die Vorsitzende des Vereins "Glücksgriff, der soziale Kreislauf" brachte zur Eröffnung eine große Dose mit Süßigkeiten vorbei. Für alle Besucher der Tafel hatte sie zudem Gutscheine für das vereinseigene Secondhandgeschäft in Schenefeld dabei. Bekleidung, Bücher und Kinderspielzeug im Wert von fünf Euro können die Bedürftigen mit dem Gutschein erstehen. "Damit können sie sich vor Weihnachten mit einigen Sachen eindecken. Bei uns bekommt man noch etwas für fünf Euro", so Pöhland.

Schmitz' Fazit nach bewegten Wochen: "Ich bin völlig überwältigt." Kann er auch sein. Eine Idee, die vor einem Jahr erstmals zur Sprache kam, ist bereits Realität geworden. In knapp vier Monaten von der Vereinsgründung bis zum Start wurden genügend Unternehmen und Helfer aufgetan, die das Projekt stützen. 100 Mitglieder zählt die Tafel bereits. Schmitz Ziel: Bis Ende 2013 sollen es 300 sein. Dafür will er die Halstenbeker mehr ins Boot holen, für die Nachbargemeinde ist die Schenefelder Tafel mitverantwortlich.

In der kurzen Zeit wurden zudem passende Räume und großzügige Sponsoren gefunden. 17.000 Euro an Sach- und Geldspenden flossen bereits zugunsten der Tafel. Unter anderem sponserte das Bauunternehmen Terrabaltic die wichtige Kühlzelle im Wert von mehr als 5000 Euro. "Glückgriff, der soziale Kreislauf" gab 3000 Euro als Startkapital. Handwerksbetriebe steuerten Arbeitskraft und Material bei. "Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass sich dieser positive Moment über die kommenden Wochen weiter trägt", sagt Schmitz. Der nächste Ausgabetermin ist am 13. Dezember von 14.30 bis 17 Uhr.