Kündigungswelle: Wedels größter Steuerzahler AstraZeneca baut massiv Stellen ab. Der Betriebsrat kritisiert die Maßnahme als überzogen.

Wedel. Es ist eine bittere Pille, die die Mitarbeiter des Pharmaunternehmens AstraZeneca schlucken müssen. Während einer Versammlung am Dienstag verkündete die Geschäftsführung den 1025 Angestellten in Wedel, dass fast jede dritte Stelle in Deutschland abgebaut wird - 89 davon am Standort Wedel. Ganz überraschend traf die Mitarbeiter diese Nachricht nicht. Der weltweit operierende Pharmariese kämpft seit längerem damit, dass viele Patente auf entwickelte Medikamente ablaufen und somit auch die damit generierten Umsätze fallen. Neu auf den Markt gebrachte Präparate kompensieren diese Gewinnbringer bislang nicht. Verschärfend kommt hinzu, dass der Konzern durch gesetzlich verordnete Zwangsrabatte auf entwickelte Wirkstoffe und den 2010 verhängten Arzneimittel-Preisstopp 300 Millionen Euro einbüßt. Zudem verlor der Konzern einen Prozess vor dem Bundespatentamt. Ein angemeldetes Patent verlor seine Gültigkeit.

"Meilensteine, die wir hätten erreichen müssen, haben wir nicht erreicht. Das machte einen Stellenabbau unumgänglich", sagt Florian Dieckmann, Pressesprecher bei AstraZeneca in Wedel. In Zahlen bedeutet das: Von derzeit 564 Mitarbeitern im Außendienst und 454 im Innendienst sollen 2013 noch insgesamt 625 Stellen deutschlandweit übrig bleiben. "Die Strukturveränderungen sind schmerzhaft, aber notwendig, um uns auch zukünftig wettbewerbsfähig am Markt zu positionieren", sagt Gabriel Baertschi, Geschäftsführer von AstraZeneca Deutschland. Dabei machen die Einsparbemühungen auch vor der Geschäftsführung nicht Halt. Die acht Geschäftsbereiche schrumpfen auf sechs zusammen. Die durch den Personalabbau erreichte Einsparung liegt im zweistelligen Millionenbereich. Wie hoch sie genau ist, dazu möchte sich Dieckmann mit Blick auf die laufenden Verhandlungen nicht äußern.

Denn bereits seit September ringen Betriebsrat und Geschäftsführung um einen sozialverträglichen Personalabbau. Betriebsbedingte Kündigungen möchten beide Seiten vermeiden. Das Unternehmen macht den Mitarbeitern den Abschied deshalb mit Bewerbungs- und Karriere-Coaching sowie einer Stellenbörse schmackhaft. "Wir bieten den Mitarbeitern zudem sehr faire Abfindungen an", so Dieckmann. Etwa 250 Mitarbeiter sind bereits auf das Abfindungsangebot eingegangen. Während der Mitarbeiterversammlung stellte die Geschäftsführung das Angebot vor, warb um weitere Freiwillige.

Der Betriebsrat reagierte auf die erneute Kündigungswelle bei AstraZeneca noch verhalten. "Ein Teil der Entlassungen müssen wir akzeptieren, weil es Veränderungen in der Branche gibt", sagt Thomas Crefeld. Der stellvertretende Betriebsratschef macht aber auch deutlich, dass es um das Unternehmen nicht so schlecht stünde, als dass es diesen massiven Stellenabbau rechtfertige.

"Das Unternehmen schießt über das Ziel hinaus. Es geht dem Betrieb immer noch gut." Zudem würden Umsatzprognosen zeigen, dass es in drei Jahren wieder aufwärts gehe. Crefeld warnt: "Dann werden uns diese qualifizierten Mitarbeiter fehlen. Wir als Betriebsrat hätten erwartet, dass das Unternehmen bereit ist, sich zu bemühen, um diese Durststrecke zu überwinden."

Seit 2006 vertritt Crefeld die Interessen der Angestellten von AstraZeneca. Seitdem sei das Unternehmen kontinuierlich dabei, Stellen abzubauen. 2007 wurden 440 Arbeitsplätze im Außendienst gestrichen und eine Produktionsstätte im baden-württembergischen Plankstadt mit 400 Beschäftigten verkauft. 2009 strich der Pharmakonzern ein Drittel der 332 Stellen im Innendienst. Jetzt folgen erneut 89 Arbeitsplätze am Wedeler Standort.

Bereits durch den vorherigen Abbau ist in der Deutschlandzentrale von AstraZeneca am Tinsdaler Weg in Wedel Platz frei geworden. In die freien Räumlichkeiten ist ein Kindergarten eingezogen, einige Teile wurden auch an das zweite Wedeler Pharmaunternehmen Medac untervermietet. Trotzdem betont AstraZeneca-Pressesprecher Florian Dieckmann, dass am Standort an der Elbe nicht gerüttelt wird. "Es gibt keine Pläne diesen Standort zu schließen." Das war auch die einzige beruhigende Nachricht für Bürgermeister Niels Schmidt. Der Rathauschef erfuhr gestern gleichzeitig mit den Mitarbeitern von der nächsten Stellenabbaurunde bei AstraZeneca. Das Pharmaunternehmen ist mit Abstand der größte Steuerzahler in Wedel und spült Millionen von Euro in die Stadtkasse. Mit dem schwächelnden Umsatz kränkelt auch Wedels Haushalt.

Den Umsatz beziffert das deutsche Tochterunternehmen des britisch-schwedischen Konzerns AstraZeneca für 2011 auf 1,189 Milliarden US Dollar. Zu der gezahlten Steuer und dem Gewinn wollte sich Dieckmann nicht äußern.

Klar ist: Die Stadt musste einen Gewerbesteuereinbruch von 18 Millionen Euro verkraften. 2013 muss Wedel kräftig sparen.