Der Elmshorner Kirchenmusiker Hartmut Deutsch geht nach 33 Jahren in den Ruhestand. Mit einem Abschiedskonzert zu Weihnachten.

Elmshorn. Wer das am weihnachtlichsten inszenierte aller Weihnachtsoratorien im Kreis Pinneberg sucht, der sollte in diesem Jahr Elmshorns Hauptkirche St. Nikolai ansteuern. Dort führt die Kantorei St. Nikolai die ersten drei Kantaten des Bach'schen Klassikers zum Fest nicht an einem der Adventswochenenden auf; sondern mitten in der Heiligen Nacht.

Um Punkt 23 Uhr wird Kirchenmusiker Hartmut Deutsch am Montag, 24. Dezember, den Taktstock heben und mit Kantorei, Solisten, den Streichern des Laienorchesters Concerto Elmshorn und Berufsbläsern von der Hamburger Musikhochschule gute anderthalb Stunden lang das bekannte barocke Feuerwerk aus leuchtenden Chorälen, innigen Arien und filigranen Instrumentalstücken abbrennen. Zum allerletzten Mal.

Nach 33 Jahren als Kirchenmusiker an Elmshorn ältestem Gotteshaus verabschiedet sich Deutsch, der am 30. November 65 Jahre alt geworden ist, in den Ruhestand.

Mit dem mitternächtlichen Weihnachtsoratorium erfüllt die Kantorei ihrem scheidenden Chef einen Herzenswunsch. "Das Weihnachtsoratorium gehört für mich in die Heilige Nacht", sagt Deutsch. "Das war immer mein Traum." Alle seine Lieben und Freunde werden kommen, um in der Kantorei mitzusingen. Auch sein Sohn und die beiden Töchter, eine davon reist mit den beiden Enkelkindern aus Frankreich an.

Elmshorn und Deutsch - das hat vom ersten Tag an gut gepasst. "Es ist ein toller Arbeitsplatz, auch weil die Kirche so zentral liegt." Schon beim ersten Besuch habe sie ihm und seiner damaligen Frau Else Deutsch-Brückner, die sich anfangs die Stelle in St. Nikolai mit ihm teilte und heute als Kirchenmusikerin in der Elmshorner Thomaskirche arbeitet, gefallen. Vielleicht liegt das auch daran, dass Deutsch mit seiner offenen, kommunikativen Art perfekt in den quirligen Cityalltag passt. Nicht zufällig nennt er das Eiscafé gegenüber der Kirche seinen "dritten Arbeitsplatz" neben St. Nikolai und dem zugehörigen Gemeindehaus.

Hartmut Deutsch ist ein echtes Kind der Weihnachtszeit. Seine Geburt als viertes von fünf Geschwistern fiel auf den Ersten Advent. Sein Vater, Pastor in Bielefeld, hielt gerade die Predigt. Musik spielte schon als Kind eine wichtige Rolle in seinem Leben. Deutsch lernte Querflöte, Posaune, Klavier und Orgel. Doch das Herz des ausgebildeten Bassbaritons schlägt für den Gesang. "Singen ist für mich der emotionalste menschliche Ausdruck. Wer singt oder summt, fühlt sich wohl." Mit der Kantorei hat er alle einschlägigen Oratorien aufgeführt. Bis auf Bachs h-Moll-Messe. "Das muss ein Traum bleiben, die ist für uns einfach zu schwer." Die Stadt würdigte seine Arbeit mit Kinder- und Jugendchor, Kantorei und Seniorenkantorei 2004 mit dem Kulturpreis.

Eine Dozentin entdeckte Deutschs schöne Stimme während seines Studiums der Kirchenmusik in Herford. Nach dem B-Diplom studierte er deshalb ein zweites Mal, diesmal Gesang an der Hamburger Musikhochschule. In den 70er-Jahren unternahm er als frisch diplomierter Profi mit der renommierten Gächinger Kantorei unter Helmuth Rilling eine Konzertreise nach Israel, die ihn bis heute bewegt: "Wir waren der erste deutsche Chor nach dem Krieg, der in Israel auftrat. Wir sangen Brahms' 'Deutsches Requiem', mit Dietrich Fischer-Dieskau. Ich habe selten so starke Emotionen erlebt. Viele Zuhörer, darunter viele ehemalige Deutsche, haben geweint."

Brahms gehört neben Mendelssohn und Bach ohnehin zu den Lieblingskomponisten Deutsch'. Auch Alte Musik hört er privat gern, vor allem wenn Spezialisten wie die English Baroque Soloists unter Sir John Eliot Gardiner und der Monteverdi Choir sich der Sache annehmen. Seine Lieblingspartien als Bassbariton findet er - na klar - im Weihnachtsoratorium sowie in den Requiemen von Brahms und Mozart.

Deutsch ist kein Klassikfreak, im Gegenteil: "Ich mag Oldtime-Jazz und Udo Jürgens", sagt er. Dem Jazz und populären Klängen hat Deutsch in St. Nikolai eine breite Bühne gegeben. Neben den regionalen Bigbands gastierten Abi Hübner, Joja Wendt und die Kings' Street Jazzmen in der 650 Jahre alten City-Kirche. Am 30. Dezember will sein alter Jazzkumpel Joe Bohnsack dort ein persönliches Abschiedskonzert geben. "Wir sind eine der führenden Jazzkirchen im Norden", sagt Deutsch.

Im Mittelpunkt seiner Arbeit stand das Bemühen, mit den Menschen zu singen, sie für Musik und Gesang zu begeistern. Mit Erfolg. Das belegt nicht nur der große Zulauf zu den mehr als 400 Marktmusiken, die das Ex-Ehepaar Deutsch 1980 ins Leben gerufen und die Hartmut Deutsch bis heute an jedem ersten Sonnabendvormittag weitergeführt hat. An den vier Adventssonnabenden kommen Jahr für Jahr vierstellige Spendensummen für die Aktion "Brot für die Welt" zusammen.

Am 31. Dezember 2012 ist der letzte offizielle Arbeitstag des Kirchenmusikers, am Sonntag, 6. Januar, um 17 Uhr verabschiedet ihn die Gemeinde mit einem Gottesdienst. Und dann? "Ich engagiere mich in vielen Projekten für den Deutschen Kirchentag 2013 in Hamburg und singe in einem Chor." Deutsch will in Elmshorn wohnen bleiben. "Aber aus der Kirchenmusik ziehe ich mich total raus, da rede ich meinem Nachfolger nicht hinein.

Nach so vielen Jahren muss ein Bruch kommen." Was bleibt, ist die Musik. "Sie wird immer eine Rolle in meinem Leben spielen. Beim Singen, aber auch einfach beim Zuhören, Erleben und Genießen. Musik geht ganz tief rein."