Mitarbeiter einer Security-Firma hatte in Wedel einen Polizisten vom Fahrrad gerissen. Die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt.

Wedel/Pinneberg. Seinen Beruf gibt Andre S. mit Sicherheitsfachkraft an. Mit dem Gesetz nimmt es der Hamburger Wachmann aber offenbar nicht so genau. Die Anzahl seiner Vorstrafen bewegt sich im zweistelligen Bereich - und gestern kam vor dem Pinneberger Amtsgericht die nächste dazu. Der 32-Jährige kassierte von Amtsrichter Jörn Harder eine siebenmonatige Bewährungsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung.

Das Gericht befasste sich mit einem Vorfall, der sich am 18. Mai gegen 22.30 Uhr an der Wedeler Mühlenstraße abgespielt hat. Der Angeklagte war mit seinem Kollegen Benjamin A. - der 21-Jährige muss sich zu einem späteren Zeitpunkt vor Gericht verantworten - ausgerechnet im Auftrag der Stadt Wedel unterwegs. Die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes sollten auf dem Weg zwischen dem Bahnhof und einer Diskothek an der Rissener Straße für Recht und Ordnung sorgen.

Laut Anklage schoss das Duo etwas über das Ziel hinaus. Sie sollen Fahrradfahrer Tom L., der ohne Licht unterwegs war, vom Fahrrad gerissen, in den Schwitzkasten genommen und leicht verletzt haben. Bei dem Opfer handelte es sich pikanterweise um einen Polizisten der Wedeler Wache, der in seiner Freizeit und in Begleitung seiner Freundin unterwegs war.

"Wir haben nur unsere Arbeit gemacht und uns korrekt verhalten", verteidigte sich der Angeklagte, der auf einen Rechtsbeistand verzichtet hatte. Er schilderte, wie Tom L. ohne Licht und bei Rot offenbar alkoholisiert über die Kreuzung gefahren sei, mehrere Aufforderungen seitens der Sicherheitskräfte zum Anhalten ignoriert habe und dann mit wüsten Beleidigungen nur so um sich warf. "Ich habe ihn mir gegriffen, weil er mich beleidigt hat. So würde jeder normale Bürger reagieren", so der Angeklagte weiter.

Wie Andre S. zupackte, darüber gingen die Aussagen auseinander. Er selbst behauptete, Tom L. lediglich am Arm festgehalten und auf diese Weise zum Absteigen gebracht zu haben. "Er hat das Rad zu Boden fallen lassen und ist sofort auf mich los." Es sei zu einer Rangelei gekommen, in deren Verlauf der Kontrahent ausholte und ihn mit der Faust am Kiefer traf. "Der hat mir noch zwei Tage später wehgetan." In den Schwitzkasten habe er das Opfer nicht genommen, beteuerte der 32-Jährige.

Tom L. sei im Anschluss unverletzt davongefahren. "Der hatte weder ein blaues Auge noch eine blutende Nase." Er selbst fühle sich ungerecht behandelt, so der Angeklagte. "Es ist doch Schwachsinn, mich für den Bockmist anzuzeigen, den er gebaut hat." Zudem, so der Angeklagte weiter, habe es die Wedeler Polizei ihm verwehrt, seinerseits Anzeige gegen Tom L. zu erstatten.

Das bestätigte auch Benjamin A.. Der Kollege von Andre S. war sich auch sicher, dass Tom L. nicht in den Schwitzkasten genommen wurde. Allerdings erinnerte er nicht mehr, wie genau Andre S. auf Tom L. einwirkte. "Ich sah, dass es zwischen den beiden auf einen Zweikampf hinauslief und habe daraufhin versucht, meinem Kollegen zu helfen."

Der Plan sei gewesen, Tom L. Handschellen anzulegen. "Das hat aber nicht geklappt, weil er sich losgerissen und Herrn S. zweimal ins Gesicht geschlagen hat." Ausgangspunkt des Streits sei gewesen, dass Tom L. auf die Aufforderung zum Anhalten mit den Worten "Halt den Sabbel" reagiert habe. Weitere Beleidigungen habe er nicht gehört.

Den Spruch bestätigte auch Katharina Sch., 24, die Freundin des Opfers. "Das ist nicht die feine englische Art", so Amtsrichter Harder. Und er gab der Zeugin einen Geschenketipp für Nikolaus mit auf den Weg: "Kaufen Sie ihrem Freund mal ein Licht für sein Rad." Zuvor hatte Katharina Sch, bestätigt, dass es aufgrund der Beleuchtung zum Streit gekommen war. Der Angeklagte habe Tom L. vom Fahrrad gezerrt und in den Schwitzkasten genommen. "Die beiden haben ihn dann festgehalten, er schlug mehrfach um sich, dann war es vorbei."

Opfer Tom L. schilderte den Vorfall ähnlich wie seine Freundin. Allerdings gab er an, die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes hätten keinen Grund genannt, warum er stehen bleiben solle. "Es konnte eigentlich nur um das fehlende Licht gehen. Ich habe flapsig gesagt, dass ich das nicht tun werde. Plötzlich hörte ich lautes Getrampel hinter mir, dann wurde ich vom Rad gerissen." Er habe sich sofort im Schwitzkasten wiedergefunden, so das Opfer. "Ich habe ihnen mehrfach gesagt, sie sollen aufhören, aber mein Kopf wurde weiter gegen seinen Gürtel gedrückt." Daraufhin habe er sich losgerissen und in Richtung des Angeklagten geschlagen, um flüchten zu können.

"Sie haben vielleicht das Beste beabsichtigt, aber das falsche getan", hielt Harder dem Angeklagten vor. Das Opfer habe zwar eine Ordnungswidrigkeit begangen. Harder: "Aber Ihr Verhalten war weder durch das Notwehr- noch das Jedermann-Festnahmerecht gedeckt. Was immer dem vorausgegangen ist, so hätten Sie nicht handeln dürfen." Weil beide Sicherheitsleute gemeinsam auf das Opfer einwirkten, liege eine gefährliche Körperverletzung vor. Harder: "Sieben Monate sind tat- und schuldangemessen." Er empfahl dem Angeklagten, Missetaten künftig nicht so drakonisch zu ahnden.

Die Stadt Wedel hat die Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst zum 1. Juli 2012 nach fünfeinhalb Jahren beendet. "Mit dem Vorfall hatte das nichts zu tun, wir haben davon erst nach Auslaufen des Vertrages Kenntnis erhalten", sagt Jürgen Brix vom Fachdienst Ordnung. Die Sicherheitsstreifen entlang der Rissener Straße seien aufgrund der finanziellen Situation der Stadt eingestellt worden. Die Streifen jeweils in der Freitag- und Sonnabendnacht hätten jährliche Kosten im hohen fünfstelligen Bereich verursacht.