Die Jüdische Gemeinde Pinneberg ist die größte in Schleswig-Holstein. Jetzt bereitet sich auf runden Geburtstag vor.

Pinneberg. Der Flachbau ist von strenger Architektur und liegt an einer wenig befahrenen Anwohnerstraße. Die Fenster an der Vorderseite sind schmal. Wer genauer hinsieht, entdeckt, dass auf dem Dach die Fahne Israels weht. Überhaupt zeigt die Jüdische Gemeinde Pinneberg, die demnächst ihren zehnten Geburtstag feiert, Flagge und öffnet sich bewusst nach außen. "Öffentlichkeit ist der beste Schutz, den es für uns gibt", sagt der Gemeindevorsitzende Wolfgang Seibert. "Wir sind keine Geheimgesellschaft."

Deshalb wollen die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde am 8. Dezember öffentlich feiern - gemeinsam mit Andersgläubigen. Seibert vollendet dieser Tage die lange Liste der Ehrengäste. Dazu zählen Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland. Eingeladen sind ebenso Repräsentanten von Christen und Muslimen aus Norddeutschland. Von 18 Uhr an wird die Hawdala-Zeremonie gefeiert. Sie symbolisiert den Abschluss des Schabbat. Für die musikalische Unterhaltung sorgen drei Kantoren vom Abraham-Geiger-Kolleg Potsdam und der Pianist Jascha Nemtsov.

Es ist vor allem der streitbare Journalist Seibert, aufgewachsen in Frankfurt am Main und vor 25 Jahren nach Pinneberg gekommen, der der Jüdischen Gemeinde der Kreisstadt ein Gesicht gibt. Auch dann, wenn es Mut erfordert und Gefahren birgt. So marschierte Seibert bei Demonstrationen gegen Neonazis vorneweg mit. Er geriet im vorigen Jahr ins Visier islamistischer Hassprediger - und damit sogar national in die Schlagzeilen. "Auch wegen dieser Dinge wird unsere Gemeinde bundesweit wahrgenommen", sagt Seibert.

Ursprünglich hatte es in Pinneberg nie eine Jüdische Gemeinde gegeben. Anders als in Elmshorn und vor allem in Altona. Am 6. Dezember 2002 fand dann die Gründungsversammlung statt - auf den Tag genau 41 Jahre nachdem ein Transport mit Juden auch aus Pinneberg ins Konzentrationslager bei Riga gefahren war. In einem Kelleraum der Diakonie trafen sich 17 Menschen jüdischen Glaubens. 15 von ihnen stammten aus der ehemaligen Sowjetunion. So wie die Eltern von Anna Mitelman, die heute mit Annette Eichenauer und Wolfgang Seibert den Gemeindevorstand bildet. "In der Sowjetunion waren wir 70 Jahre lang Atheisten."

"Es war wie ein Kulturkreis, man suchte die Gemeinschaft", sagt Seibert. Er spricht vom Wagnis, das damals eingegangen worden sei. "Wir saßen zusammen und hatten alle keine Ahnung."

Walter Blender, Vorstand der ebenfalls im Jahr 2002 gegründeten Jüdischen Gemeinde Bad Segeberg und heutiger Vorsitzender der Jüdischen Gemeinden Schleswig-Holsteins, sagte den Pinnebergern damals voraus, in Zukunft die größte Gemeinde im Land zu werden. Er behielt Recht. Aus den 17 Gründungsmitgliedern ist eine 250-köpfige Gemeinschaft geworden. Damit rangiert Pinneberg vor allen anderen Gemeinden im Norden.

"Es gab keine rituellen Gegenstände, kein Gebetbuch. Nur viel Mut und Freude am Aufbau der Gemeinde", sagt Seibert über die Anfangstage. Schon nach einem Jahr zählte die Gemeinde fast 90 Mitglieder. "Die Entwicklung damals hat uns überrollt", sagt der Gemeindevorsitzende. Immer noch geben Gläubige aus osteuropäischen Staaten wie der Ukraine, Moldawien und Russland den Ton an. Sie stellen 75 Prozent der Gemeindemitglieder. "Unsere Gebetbücher sind auf Hebräisch, auf Deutsch und auf Russisch, damit alle verstehen, was sie beten", so Seibert. In den Mitgliederlisten finden sich jedoch darüber hinaus Menschen aus Frankreich, den USA, den Niederlanden, aus Japan und natürlich aus Israel. Der Mitgliederzuwachs ist inzwischen eher moderat.

Die Gemeinde zog zwischenzeitlich in Räume auf dem Gelände der ehemaligen ILO-Werke am Bahnhof, später an die Oeltingsallee. Dann fanden die Juden eine Heimat in ihrem jetzigen Zentrum am Clara-Bartram-Weg in einem Gebäude der Stiftung "Wir helfen uns selbst". Im Jüdischen Gemeindezentrum gibt es regelmäßig Kaffeerunden für Senioren, Deutsch-Unterricht, Konzerte und Vorträge, die sich eben nicht nur an die Gemeindemitglieder richten. "Wir sind im regelmäßigen interreligiösen Dialog, auch mit der Islamischen Gemeinde", sagt Wolfgang Seibert. "Wir werden gut von der Bevölkerung akzeptiert." Die Öffnung nach außen ist für ihn von elementarer Bedeutung. "Je offener wir mit anderen umgehen, desto weniger Vorurteile gibt es. Hätten wir damit vor 100 Jahren angefangen, wäre vieles vielleicht gar nicht passiert."

Wer nicht auf der Ehrengästeliste steht, aber dennoch am 8. Dezember mit der Jüdischen Gemeinde feiern möchte, muss seinen Personalausweis mitbringen. Bei aller Offenheit ist das Jüdische Zentrum doch auch eine Trutzburg, an der nicht nur die massive Eingangstür Sicherheit verheißt.