In der Spieliothek in Halstenbek können Familien seit 35 Jahren kostenlos Gesellschaftsspiele leihen. Auswahlen über 1000 Spiele.

Halstenbek. Ein bisschen bunte Pappe, ein paar Spielfiguren und ein Würfel können in manchen Augenblicken die Welt bedeuten. Regelmäßig kommt es in deutschen Wohnzimmern zum Showdown am Brett, wenn es um Sieg und Niederlage geht. Dass auch in Halstenbek leidenschaftlich gewürfelt, geblufft und gezockt wird, bestätigen die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Spieliothek. Zu ihnen kommen seit mittlerweile 35 Jahren Kinder, Erwachsene und Senioren, die die Lust am Spielen verbindet, um kostenlos Nachschub auszuleihen.

Deutschlands populärstes Spiel "Mensch ärgere dich nicht" suchen Nutzer der Spieliothek Halstenbek allerdings vergebens. "Das haben die meisten zu Hause", sagt Ute Hanßmann. Aber auch ohne den mehr als 100 Jahre alten Dauerbrenner ist das Angebot in dem kostenlosen Spieleverleih groß. Zwischen 1000 Gesellschaftsspielen können die Ausleiher wählen. Der Bestand wird nicht nur seit 1979 regelmäßig mit dem aktuellen Spiel des Jahres ergänzt, sondern auch laufend runderneuert. Spiele, die sechs, sieben Jahre nicht mehr ausgeliehen wurden, müssen im Regal Platz für Neuerwerbungen machen. 30 bis 40 Spiele im Jahr kauft der Verein.

Welche Spiele aus- und neu einsortiert werden, entscheidet Ute Hanßmann, die sich an Empfehlungen von Pädagogen und Spielentwicklern orientiert. Gemeinsam mit den Mitstreitern in der Landesarbeitsgemeinschaft der Spieliotheken probiert die 72 Jahre alte Halstenbekerin Neuentwicklungen aus. Ute Hanßmann kann nicht nur jede Menge Spiele empfehlen, sondern auch aus dem Gedächtnis die Regeln für erstaunlich viele Spiele erklären.

Warum auch im Zeitalter von Playstation und Onlinespielen das altmodisch anmutende Brettspiel mithalten kann, klingt auf den ersten Blick ein wenig simpel: Gespielt wird vor allem, wo Kinder im Haus sind. Das war nicht nur bei Ute Hanßmann so, sondern auch bei Jutta Maaß, Brita Engmann und Hilke Lüdemann. "Farben, Formen, Begriffe und vieles mehr lernen kleine Kinder beim Spielen", sagt Jutta Maaß. Für Kinder sei Spielen nicht nur Zeitvertreib, sondern die Möglichkeit sich auszuprobieren, Neues zu lernen und nicht zuletzt soziale Kompetenzen im Umgang mit anderen zu erlangen. "Auch verlieren muss man lernen", sagt Hilke Lüdemann und lacht.

Entstanden sind die Spieliotheken, die eine schleswig-holsteinische Spezialität sind, weil Quickborner Kommunalpolitiker vor mehr als drei Jahrzehnten etwas Gutes tun wollten. Die Gemeindevertreter, die ihr Sitzungsgeld für ein Projekt zugunsten von Kindern stiften wollten, brachten engagierte Eltern auf die Idee, einen kostenlosen Spieleverleih einzurichten. Wenig später öffneten Spieliotheken in Halstenbek, Barmstedt und Rellingen.

In Halstenbek nutzt inzwischen schon die zweite Generation das Angebot. So wie Susan Panhans, die zuletzt einen Klangbaum und die Wurfbude ausgeliehen hat. "Eine Murmel fehlt. Die ist unter die Anbauwand gerollt", sagt die Pinnebergerin schuldbewusst. Solche kleinen Malheurs sind für Ute Hanßmann kein größeres Problem. "Wir wenden uns an die Verlage, wenn mal ein Würfel oder eine Figur fehlt. Mittlerweile sind die Verlage sehr kulant mit den Ersatzteilen. Früher musste man die bezahlen, heute bekommen wir sie häufig geschenkt." Susan Panhans nutzt den Service regelmäßig. "Ich habe den Tipp von einer anderen Mutter bekommen und ich muss sagen, vor allem für Geburtstagsfeiern gibt es hier eine riesige Auswahl", sagt die 32 Jahre alte Mutter einer kleinen Tochter. Auch Großeltern kommen häufig mit ihren Enkeln vorbei. "Das Schöne ist, dass man die Spiele ausprobieren kann, ob sie wirklich Spaß machen, bevor man etwas kauft", sagt Brita Engmann.

Auch Stammkunden gibt es. "Ein Herr fragt regelmäßig nach 'Dock'. Das ist eine ziemlich witzige Variante von 'Mensch, ärger dich nicht', das man mit einem Partner spielen muss", sagt Ute Hanßmann. Nur eine Altersgruppe kommt nicht so gern. "Wir verlieren die Kinder mit zehn, elf Jahren. Aber die kommen mit 16, 17 wieder zurück", sagt Ute Hanßmann. Offenbar erfreuten sich Spieleabende bei Jugendlichen auch im Internetzeitalter großer Beliebtheit. "Da drücken wir auch mal ein Auge zu und geben mal ein Spiel mehr mit", sagt Brita Engmann.

Nur Computerspiele gehören nicht zum Sortiment. Dahinter steckt eine Absicht. Als in den 90er-Jahren in viele Kinderzimmer Gameboys einzogen, stellten sich die Halstenbeker die Frage, ob sie künftig mit dem Trend mitgehen wollen und Computerspiele verleihen sollten. Die Vereinsmitglieder entschieden sich dagegen. Die Begründung ist ganz einfach, sagt Ute Hanßmann. "Wir wollen Spiele verleihen, die man gemeinsam mit anderen spielt und sich dabei austauscht. Am Computer sind die Spieler zwar vernetzt, aber sie sitzen allein davor. Beim Spielen geht es aus unserer Sicht aber um ein Gemeinschaftserlebnis."

Darauf, dass sie ihrer Linie treu geblieben sind, sind die Vereinsmitglieder stolz. Der Erfolg gibt ihnen Recht. Die Ausleihzahlen liegen seit Jahren konstant bei etwa 2000 im Jahr.