ADFC ruft Bürger zur Teilnahme am Fahrradklima-Test auf. Plädoyer fürs Radeln auf der Straße. Kommunen sollen Velo-Routen schaffen.

Kreis Pinneberg. Bis Ende Oktober sind alle Bundesbürger aufgerufen, sich am Fahrrad-Klima-Test zu beteiligen. Im Internet sind dazu 27 Fragen zu beantworten, die den Zustand der Radwege, die Aufgeschlossenheit von Behörden und Medien und das Verhältnis der Autofahrer und Fußgänger zu den Radfahrern beleuchten. Die Ergebnisse sollen ein möglichst breit gefächertes Bild für jede Kommune abgeben, sodass sich aus den Städten des Kreises Pinneberg jeweils 50 Menschen daran beteiligen müssten, sagt Arne Meier vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) in Wedel.

Das Fahrradklima im Kreis Pinneberg ist aus Sicht des ADFC noch mangelhaft. Meier gibt Wedel die Schulnote 5, seine Kollegin Juliane Besendahl Pinneberg eine 4 minus. In Elmshorn sei es befriedigend, urteilt Ansgar Sender.

Manche Kommunen hätten den Zeitgeist noch nicht richtig erkannt, sagt Meier. "Fahrradfahren ist heute zum Lebensstil geworden." Immer mehr Menschen stiegen auf das Fahrrad um, nicht weil es umweltfreundlicher oder billiger sei, als Auto zu fahren. Für sie sei es einfach eine Einstellungssache. "Radfahren ist für mich Entspannung pur", sagt Meier, der mit dem Rad von Wedel zur Arbeit in Hamburg und zurück radelt. Das sind 25 Kilometer jeden Tag bei Wind und Wetter. "Ich fahre im Jahr 1500 Kilometer mit dem Auto, das ich mir mit jemandem teile, und 10 000 Kilometer mit dem Fahrrad."

Umso wichtiger sei es, dass das Radfahren nicht nur Spaß mache, sondern auch sicher sei. Die Forderung des ADFC lautet daher: Radwege abschaffen. "Wir wollen, dass die Fahrräder auf der Straße fahren.", sagt Meier. In der Feldstraße in Wedel sei bereits eine Schutzzone auf der Fahrbahn für Radfahrer eingerichtet worden. Es sei inzwischen erwiesen, durch Unfallzahlen belegt und von allen Experten anerkannt, dass das Radeln auf der Straße für die Radfahrer sicherer sei als auf dem Radweg.

Die meisten Fahrradunfälle passierten, weil Autofahrer beim Abbiegen die Radfahrer übersähen. Würden die Radfahrer wie die Autofahrer auf der Straße fahren, könnten sie nicht mehr übersehen werden. Darum sei innerorts generell das Radfahren auf der Straße erlaubt, es sei denn, die Verkehrsbehörden würden dies aus Gründen von Gefahr für Leib und Leben verbieten.

"Dafür muss jedoch oft noch das Bewusstsein in der Bevölkerung geschärft werden", sagt Peter Lunding vom ADFC in Hasloh. Es habe viel Überzeugungsarbeit im Dorf bedurft, die Benutzungspflicht für den Radweg im Garstedter Weg aufzuheben. "Dann hupten und pöbelten die Autofahrer. Doch nun haben die meisten eingesehen, dass ich Recht habe mit meinem Argument", sagt Lunding. "Wir werden jetzt ernster genommen." Das findet auch Pinnebergs ADFC-Vorsitzende Besendahl. Mit der Stadtverwaltung sei eine Arbeitsgruppe gebildet worden, die seit Monaten dabei sei, fünf fahrradfreundliche Velo-Routen auszuarbeiten, die sternförmig in die Innenstadt führten. Ob die Politik in der Kreisstadt das Velorouten-Konzept dann umsetzt, wird sich zeigen. In Wedel liege dies seit drei Jahren auf Eis, sagt. Meier. "Es ist alles fix und fertig ausgearbeitet. Aber es wird nicht umgesetzt und es gibt kein Geld. Es gibt nur Lippenbekenntnisse von der Politik."

Anders in Elmshorn. Dort hat der zuständige Fachausschuss gerade das Budget für Radwege auf 220 000 Euro verdoppelt, um auch dort ausgeschilderte Velo-Route zu schaffen. "Das ist natürlich sehr positiv", stellt Ansgar Sender vom ADFC fest. "Bleibt zu wünschen, dass die Stadt standhaft bleibt und nicht wie in der Ansgarstraße wieder umfällt." Dort wurden nach Anwohnerprotesten die bereits beschlossenen Fahrradstreifen auf der Fahrbahn durch Radwege auf den Bürgersteigen ersetzt.

Oftmals fehle eine klare Führung und Beschilderung, wo entlang der Radfahrer sich bewegen soll, wie zum Beispiel vom Drosteiplatz bis zur Bismarckstraße in Pinneberg, sagt Juliane Besendahl. Wenn sie vom Rathaus in Richtung Friedrich-Ebert-Damm weiter wolle, müsse sie den Fußgänger-Überweg kreuzen und sich an diesen vorbei auf den Radweg schlängeln. Ein unnötiger Gefahrenpunkt.

Arne Meier: "Das wäre so, als wenn Sie mit Ihrem Auto von A nach B fahren und Ihre Straße plötzlich im Nichts endet und Sie über einen Fußweg weiter müssen, auf dem ein Schild mit der Aufschrift 'Schieben Sie Ihr Fahrzeug weiter'". Gefährlich seien einseitige Radwege, wo sich Radfahrer begegneten. "Das abschreckendste Beispiel ist die Bahnhofstraße in Wedel, eine Einkaufstraße, in der die Autos nur in einer Richtung fahren dürfen, Radfahrer und Fußgänger aus beiden Richtungen kommen", sagt Meier. "Da gibt es ständig Unfälle."

Miserabel sei auch die Ortsdurchfahrt von Appen. Da müssten sich die Radfahrer über einen engen Radweg quälen, der auch noch von Fußgängern und Busfahrgästen frequentiert werde. "Ein unhaltbarer Zustand", sagt Meier. Der ADFC habe dies auf der jüngsten Verkehrsschau gegenüber Polizei und Verkehrsaufsicht angemahnt. "Mal sehen, was daraus wird." Auch die sogenannten Bettelampeln sind dem ADFC, der 600 Mitglieder im Kreis Pinneberg zählt und mit bundesweit 135 000 Mitgliedern größter Fahrradclub Europas ist, ein Dorn im Auge. Beispiel Ecke Elmshorner Straße/Flagentwiete/Bismarckstraße: Dort brauche es wegen der Busbeschleunigung manchmal drei Ampel-Grünphasen, bevor der Radfahrer die Elmshorner Straße überqueren kann. "Ein echtes Ärgernis", findet Juliane Besendahl. In Wedel wurden diese Bettelampeln abgeschafft.

In den Großstädten kommen jeden letzten Freitag im Monat um 19 Uhr Hunderte Radler zusammen, um als Verbund durch den Feierabendverkehr über die Ausfallstraßen zu radeln. Ganz legal nebeneinander und teilweise bei Rot über die Kreuzung, wenn der erste im Pulk noch bei Grün gefahren ist. Diese Aktionen nennen sich Critical Mass. Der Treffpunkt wird erst am Tag des Geschehens im Internet bekannt gegeben. Der Wedeler ADFC will zur nächsten Critical-Mass-Aktion am Freitag, 26. Oktober, parallel eine Lichtertour durch Wedel organisieren. Meier: "Wir starten um 19 Uhr vom Rathausplatz aus. Je mehr Lichter, desto besser."