Verbraucher stehen Schlange bei der Schuldnerberatung. Die Stadtwerke Pinneberg müssen jedes Jahr 1000 Mahnungen verschicken.

Pinneberg. Während in Deutschland derzeit über steigende Energiepreise im kommenden Jahr diskutiert wird, haben viele Bewohner des Kreises Pinneberg schon heute erhebliche Probleme, ihre Strom- und Energierechnungen zu bezahlen. "Inzwischen hat jeder Vierte, der zu uns in die Beratung kommt, Energieschulden", sagt Michael Danker, Leiter der Schulden- und Verbraucherinsolvenzberatungsstelle der Awo. Viele Geringverdiener und Hartz-IV-Empfänger sähen der jährlichen Nebenkostenabrechnung angespannt entgegen. Betroffen seien insbesondere allein lebende Männer, Paare mit Kindern und alleinerziehende Mütter. Sie rechneten oft mit jedem Cent und hätten Nachzahlungen von einigen hundert Euro nicht eingeplant.

Die meiste Energie verbrauchen deutsche Haushalte für die Heizung. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Preise für Heizenergie im Durchschnitt mehr als verdoppelt, Öl ist sogar mehr als dreimal so teuer. Der Trend wird sich in den kommenden Jahren eher verstärken als umkehren. An der Teuerung im kommenden Jahr ist vor allem der Anstieg der Umlage für erneuerbare Energien verantwortlich. "Ohne die höhere Öko-Umlage würden wir im kommenden Jahr die Preise senken", sagt Henning Fuchs, Geschäftsführer der Stadtwerke Pinneberg.

Mit durchschnittlich knapp 1200 Euro stehen Pinneberger Energieschuldner bei ihren Gläubigern in der Kreide. Wegen der großen Zahl der Fälle müssen immer mehr Schuldner Wartezeiten in Kauf nehmen, um Rat zu erhalten. Mehr als 5000 Menschen haben 2011 die Schuldnerberatungsstellen der Awo in Pinneberg, Wedel, Schenefeld und Elmshorn aufgesucht. "Davon haben wir 1574 Männer und Frauen intensiv betreut", sagt Danker.

Kritik an der geplanten Strompreiserhöhung kommt aus der Politik. Menschen mit niedrigen Einkommen seien am stärksten betroffen, sagt Klaus-Dieter Brügmann, Sprecher des Kreisverbands der Linken. "Ein Single-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 1500 Kilowattstunden im Kreis Pinneberg zahlt mindestens 32,93 Euro monatlich für Strom. Im Regelsatz für Hartz-IV-Berechtigte aber sind für Strom gerade einmal 29,92 Euro im Monat einkalkuliert. Kommt nun die Erhöhung der Erneuerbare-Energien-Umlage hinzu, werden diese um 5,52 Euro überstiegen, also fast um 20 Prozent", rechnet Brügmann vor.

Auch bei den Mitarbeitern des Mieterbunds Schleswig-Holstein sind Energiekostenabrechnungen ein Dauerthema. In mehr als einem Drittel der Beratungen dreht sich das Gespräch um Heiz- und Stromrechnungen. "Im Moment kennen die Kosten nur eine Richtung, und zwar steil nach oben", sagt Jochen Kiersch, Vorsitzender des Landesverbands des Mieterbunds Schleswig-Holstein. Mehr als 50 000 Haushalte lassen sich landesweit vom Mieterbund beraten. "Die Bandbreite reicht von Mietern, die von Nebenkostenabrechnungen beinahe erschlagen werden bis zu denjenigen, die fragen, ob ihre Abrechnung richtig ist. Fast jede zweite Nebenkostenabrechnung enthält größere oder kleinere Fehler. Die Fehlerquellen bei Heizkostenabrechnungen sind beträchtlich", sagt Jochen Kiersch.

Das bestätigt auch Lutz Witt, der für den Verein Mieter in Pinneberg berät. Wer sich nicht sicher ist, ob die Abrechnung richtig ist, sollte sich frühzeitig mit fachkundigen Beratern in Verbindung setzen, um Fristen einzuhalten, empfiehlt der Rechtsanwalt. Dass hohe Energiekosten für immer mehr Menschen in Schleswig-Holstein ein Problem sind, lasse sich auch an der Zahl der Beratungen ablesen. Sie stieg 2011 im Vergleich zu 2010 um 11,9 Prozent. "Man merkt heute eher als früher, dass es bei vielen finanziell kneift", sagt Lutz Witt.

Auch die Energieanbieter in der Region bekommen die Auswirkungen steigender Strompreise zu spüren. Sie seien mitunter deutlich am Zahlungsverhalten der Kunden ablesbar, sagt Henning Fuchs, Geschäftsführer der Stadtwerke Pinneberg. In den 90er-Jahren haben die Werke, die in der Region etwa 30 000 Menschen mit Strom oder Wärme beliefern, etwa 50 Mahnungen im Jahr verschickt. Heute seien es ungefähr 1000.

Ein Service, den mittlerweile viele Unternehmen aus der Branche anbieten, wird derweil gut genutzt. So bieten etwa die Gemeindewerke Halstenbek bieten ihren Kunden kostenlose Energieberatungen an. Berater Siegmar Hintz weiß genau, welche Haushaltsgeräte die Stromkosten nach oben treiben. "Wer in der Weihnachtszeit auch den Balkon schmückt und aufwendig beleuchtet, muss mit höheren Kosten rechnen. Das gilt auch für diejenigen, die häufig den Wäschetrockner nutzen." Hintz hat beobachtet, dass bei vielen die guten Vorsätze nicht lange vorhalten. Aber wer Strom einsparen will, muss sein Verhalten langfristig und konsequent umstellen.