Bönningstedt lässt seine Kanalisation untersuchen. Die Sanierung des Regenwasserkanals wird in den nächsten Jahren wohl viel Geld kosten.

Bönningstedt/Kreis Pinneberg. Die Gemeinde Bönningstedt wird wohl in den nächsten Jahren viel Geld in die Sanierung ihres Regenwasserkanals stecken müssen. Unklar ist noch, ob dies aus Steuermitteln oder über eine neue Niederschlagsgebühr finanziert werden soll. Die Hamburger Stadtentwässerung (HSE), der Bönningstedt bereits ihr Schmutzwassernetz zur Wartung und Pflege übertragen hat, untersucht dazu gerade anhand von Stichproben den Zustand des rund 60 Jahre alten Oberflächenwasser-Leitungsnetzes. Von dieser Analyse will die Gemeindevertretung das weitere Vorgehen abhängig machen.

Bönningstedt ist nicht allein mit diesem Problem. Hemdingen hat bereits sein Regenwassernetz an den Abwasserzweckverband (Azv) in Hetlingen übertragen und als erste Gemeinde im Amt Rantzau eine entsprechende Gebühr eingeführt, sagt Heinz Brandt, Leitender Verwaltungsbeamter des Amtes Rantzau. In Ellerhoop und Bokholt-Hanredder sei Ähnliches geplant. Auch die Gemeinden Hetlingen, Tangstedt, Prisdorf und Borstel-Hohenraden hätten dem Azv diese Aufgabe übertragen, sagt Verbandsvorsteher Lutz Altenwerth.

Eine Regenwassergebühr gibt es bereits oder ist geplant in Hemdingen, Hetlingen und Bokholt-Hanredder. "Das ist in vielen Gemeinden ein sensibles Thema, weil dies oft als zusätzliche Regensteuer kritisiert wird", sagt Altenwerth. Dabei kämen auf einen Einfamilienhaus-Besitzer in der Regel nur etwa 80 bis 100 Euro im Jahr zu. Die meisten Städte haben seit Jahren eine Niederschlagsgebühr, die sie den Grundstücksbesitzern in Rechnung stellen. Auch die Gemeinde Appen, die im Jahr 2005 eine Oberflächenwassergebühr eingeführt hat, habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht, sagt Detlev Brüggemann, der dies seinerzeit als Bürgermeister begleitet hat. Eine Gebühr zu erheben, die sich nach der versiegelten Fläche der jeweiligen Grundstücke berechne, sei gerechter, als die Kosten allen Steuerzahlern aufzubürden, sagt Brüggemann.

Aber soweit ist Bönningstedt noch lange nicht. Zwei Stunden lang löcherten die Politiker jetzt die Ingenieure Bernd Zacharias und Lars Christiansen von Hamburg-Wasser, der Muttergesellschaft der HSE, die 5400 Kilometer Siele von ganz Hamburg und 28 Umlandgemeinden betreut. "Wenn etwas passiert, steht die Gemeinde schon heute in der Haftungspflicht", beschrieb Zacharias die aktuelle Rechtslage.

Eine erste Untersuchung von einem Kilometer Leitungsnetz habe Sanierungskosten von 70 000 Euro ergeben. Hochgerechnet auf 20 Kilometer wären das 1,4 Millionen Euro - mehr als 300 Euro je Bürger, so das Resümee der Kommunalpolitiker.

Bevor sie nun der HSE auch ihr Regenwassernetz übertragen, wollten sie "schwarz auf weiß" und möglichst genau wissen, was da wirklich auf sie und ihre Bürger zukomme, lautet die Forderung der Fraktionschefs Willi Werner und Rolf Lammert von SPD und CDU. Und darum ist zurzeit der Ver- und Entsorgungsexperte Dirk Meyer mit einem Spül- und Kamerawagen der HSE im Ort unterwegs.

Fünf Kilometer, ein Viertel des Leitungsnetzes, wird nun Zentimeter für Zentimeter mit dem "Kanal-Fernauge-Operator" abgefahren, auf Film gebannt und inspiziert. So lässt sich ganz genau feststellen, in welchem Zustand die Leitungen sind, ob sie bereits Leckagen aufweisen und ausgetauscht werden müssen, sanierungsbedürftig oder noch gebrauchsfähig sind.

Dazu muss zunächst der zu untersuchende Kanal gereinigt werden, sagt Meyer. Anschließend lässt sein Mitarbeiter Fabian Gesterling die fahrbare Rundumkamera in den Schacht hinab, die nun per Joystick einige Hundert Meter weit in alle Richtungen gesteuert werden kann. Ein Teilstück des Betonrohrs mit einem Durchmesser von 30 Zentimetern und einer Dicke von sechs Zentimetern unter der Kieler Straße stellte sich dabei als noch voll funktionstüchtig heraus.

Ob diese Momentaufnahme auch für die übrigen Leitungen gilt, wird die Untersuchung zeigen. Fachmann Meyer wird die Daten an die hauseigenen Ingenieure weiterleiten, die daraus eine Einteilung in vier Schadensklassen machen und die Kosten ermitteln.

Das Ergebnis wird dem Gemeinderat in Bönningstedt auf seiner nächsten Sitzung am Donnerstag, 15. November, präsentiert. Groß scheint der Spielraum nicht für die Gemeinde. Die HSE hat bereits das Schmutzwassernetz unter seiner Leitung. Aber auch der Azv ist interessiert. "Das ist ja unsere Mission", sagt Altenwerth. "Aber Bönningstedt hat uns nicht eingeladen. Hamburg-Wasser macht das, um das Gebührenaufkommen in Hamburg kostendeckend zu halten."

Wenn die Gemeinde ihr Abwassernetz behielte, müsste sie selber für Wartung und Sanierung aufkommen. "Dass wir dafür einen Profi brauchen, steht außer Frage", sagt CDU-Gemeinderatsmitglied Wilfried Weiße. Und Bauausschussvorsitzende Resy de Ruijsscher, BWG, sagt: "Die Kosten werden sowieso auf die Bürger zukommen, weil wir jahrelang die Abwasserkanäle vernachlässigt haben."