Die Elmshorner Polizisten Sebastian Kratzert und Claus Bannick lieben ihren Beruf, leiden aber unter zunehmendem Stress.

Elmshorn/Kreis Pinneberg. Die Polizei in Schleswig-Holstein ächze unter der Belastung, die Arbeit der Beamten aber werde von großem Idealismus getragen. So hatte es jüngst Innenminister Andreas Breitner, SPD, während einer Sitzung der Regionalgruppe der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Quickborn beschrieben. Wie sehen es die Polizisten selbst, die täglich an der Front sind, wie es im Polizeijargon heißt? "Es ist immer noch mein Traumberuf, aber die Zeiten werden immer schwieriger", sagt Sebastian Kratzert. Der 35 Jahre alte Polizeioberkommissar, der bei der Autobahnpolizei in Elmshorn arbeitet, bestätigt den Minister bei dessen Einschätzung zur Motivation der Polizisten. "Idealismus prägt diesen Beruf. Wir fahren hin und lösen Probleme für die Gesellschaft. Wenn wir irgendwo nicht reingehen, geht keiner rein", sagt Kratzert, der seit 15 Jahren bei der Landespolizei ist.

Dem Familienvater gegenüber sitzt Claus Bannick, ebenfalls Oberkommissar. Der 31-Jährige, der vor zehn Jahren bei der Landespolizei begonnen hatte, ist stellvertretender Dienstgruppenleiter beim Revier in Elmshorn. Das Büro bedarf dringend einer Renovierung, die Bürotechnik erscheint veralt. Aber auch das ist der normale Alltag für die Polizisten. "Wir nehmen zum Teil ganz kurze Ruhezeiten in Kauf, um Kollegen zur Freizeit zu verhelfen", sagt Bannick über die Solidarität unter den Polizisten. Er fügt hinzu: "Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Polizisten beträgt gerade einmal 65 Jahre." In den vergangenen Jahren habe es Streichungen zum Beispiel beim Weihnachtsgeld gegeben. Dafür sei die reguläre Wochenarbeitszeit erhöht worden.

Auch der tägliche Dienst wird für die Beamten zunehmend gefährlicher

Die Ist-Stärke auf den Revieren im Kreis Pinneberg liegt nach Abendblatt-Informationen bei rund 90 Prozent. Ein Großteil der im Zuge der Neuorganisation der Landespolizei zugesagten zusätzlichen 36 Stellen sollen im Kreis Pinneberg erst 2015/2016 besetzt werden. "Wir können nicht bei einer Zeitarbeitsfirma anrufen, wenn jemand fehlt", sagt Kratzert, "oder aber den Laden eine Weile einfach zumachen." Im vorigen Jahr habe er in einem Monat 13 Nachtschichten geschoben und kein Wochenende komplett frei gehabt. Derzeit habe er 40 Überstunden auf der Uhr. "Ich war schon einmal bei mehr als 200 Überstunden", sagt Kollege Bannick. Beide sprechen über die große Solidarität. Viele junge Kollegen verließen wegen der hohen Belastung die Polizei nach kürzerer Zeit wieder.

Bannick muss unterbrechen. Aus einer Elmshorner Straße wurde Rauchentwicklung gemeldet, mehrere Streifenwagenbesatzungen müssen zum Einsatzort. Der Dienstgruppenleiter bleibt auf der Wache am Funkgerät und übernimmt die Koordination. Derweil erzählt Sebastian Kratzert von den Sondereinsätzen die für mehr als 100 Polizisten der annähernd 800 aus dem Kreis Pinneberg zu Sonderbelastungen werden. Zugeteilt zu einer Einsatzhundertschaft, müssen die Polizisten vor allem an den Wochenenden ausrücken, um rund um Fußballstadien oder bei Großdemonstrationen für Sicherheit zu sorgen. "Diese Sachen laufen on top, die Einsatzhundertschaft formiert sich aus dem laufenden Dienst heraus", sagt Kratzert. Er beschreibt einen beispielhaften Einsatz bei einem sogenannten Risikofußballspiel des VfB Lübeck. Vom morgendlichen Treffen über den eigentlichen Einsatz am Nachmittag bis zum Einsatzende am Abend. Am nächsten Tag dann wieder normaler Dienst auf dem Revier. Häufig mit dem Gefühl, bei Sondereinsätzen in Gefahr zu sein und verletzt zu werden. "Zur Demo im Hamburger Schanzenviertel fahren wir mit einer routinierten Nervosität", sagt Kratzert. "Da ist schon eine große Anspannung vorhanden."

"Auch im täglichen Dienst ist es inzwischen viel gefährlicher", sagt Claus Bannick. "Wir finden ja eigentlich nie den Idealbürger vor, mit dem wir es zu tun haben", sagt sein Kollege. Das polizeiliche Gegenüber, wie es in der Fachsprache heißt, wird immer aggressiver. "Das Risiko, als Polizist verletzt zu werden, hat zugenommen", hatte auch Innenminister Breitner während der GdP-Versammlung gesagt. Da wird es für die Polizisten schwerer, ruhig und neutral zu bleiben. "Wenn ich am dritten Tag beim Elmshorner Hafenfest im Einsatz bin, ist meine Einschreitschwelle vermutlich niedriger als am ersten Tag", sagt Kratzert.

Und doch. Auch Claus Bannick sagt am Ende des Gesprächs: "Ich würde auch heute beruflich nichts lieber machen als Polizist zu sein."