Zum Tag des offenen Denkmals führt Pastorin Martje Kruse ihre Besucher auf versteckten Wegen durch die Rellinger Kirche.

Rellingen. Wenn Martje Kruse predigt, blickt sie auf das Kruzifix. Auf der oberen Empore der Rellinger Kirche, die zum großen Teil aus Holz besteht, ändert sich die Perspektive der Pastorin. Sie steht neben dem Gekreuzigten. "Von hier erscheint der Kanzelaltar mit der Orgel, der sonst sofort alle Blicke auf sich zieht, weniger gewaltig", sagt sie. Ein Standortwechsel macht frei für andere Eindrücke. Von hier oben lassen sich die Fresken der Laterne im Detail betrachten. Musizierende Engel thronen über Propheten und Evangelisten. Das Oktogon erfährt durch das einfallende Licht eine gewisse Leichtigkeit. Die starken Balken in der Decke lassen die gewaltige Holzkonstruktion des Dachgeschosses erahnen.

Der Blick schweift umher, fällt auf eine Sitzbank. Zweite Empore, Block CR, Reihe eins, Platz zwei, steht auf einem weißen Zettel. Platzzuweisungen für den Kartenverkauf zahlreicher Konzerte. Aber das ist es nicht, worauf Martje Kruse zeigt. Sie deutet auf die Rückenlehne der hölzernen Sitzbank. Buchstaben sind dort eingeritzt. HWJo, der Rest lässt sich nur noch schwer entziffern. "Dieser Platz war fest für jemanden reserviert", sagt sie.

Offenbar war dieser Mensch wichtig genug, dass für ihn extra eine kleine Armlehne angefertigt wurde - die einzige in der Kirche. An anderen Stellen sind vereinzelt kleine Klapptische angebracht. Dienten sie vielleicht als Ablagen für Bibeln und Liederbücher?

Die wohlhabenden Familien saßen unten in den Logen. Hierhin konnten sie sich sogenannte Feuerkieken, also mit Ofenglut gefüllte Gefäße, zum Wärmen mitbringen. Die Königsloge ziert ein geschwungenes Schnitzwerk mit Monogramm. Das R steht für Rex, also König. Die auf Holz gemalten Grisaille-Malereien an den Brüstungen darüber täuschen ornamentalen Stuck vor und erwecken so einen plastischen Eindruck. Auch am Altar verwischen die Grenzen zwischen Architektur und Malerei. "Die Säulen, die aussehen wie aus Stein geißelt, sind tatsächlich aus bemaltem Holz", sagt Martje Kruse und klopft zum Beweis daran. Holz war ein günstiger Baustoff und leichter zu bearbeiten als beispielsweise Marmor.

Details wie diese lassen sich am Sonntag, 9. September, dem Tag des offenen Denkmals, bei zahlreichen Führungen durch die Kulturdenkmäler im Kreis Pinneberg entdecken. Das diesjährige Thema Holz zieht sich wie ein roter Faden durch die zahlreichen Veranstaltungen (siehe unten).

Pastorin Martje Kruse führt ihre Besucher an diesem Tag von 14 Uhr an in die entlegenen Winkel der achteckigen Barockkirche an der Hauptstraße in Rellingen. Auf dem Dachboden blickt man besonders gut hinter die Kulissen. Martje Kruse steht vor dem Außengehäuse der alten Orgel. Die abgenutzten Pedale lassen sich noch durchtreten. Wie häufig wurden sie während der Gottesdienste bedient? In die Balken sind Initialen geritzt, Spuren aus verschiedenen Jahrzehnten. Wer genau hinschaut, kann im Holz ganze Geschichten lesen.

Doch dieser Baustoff hat auch seine Tücken. Er ist besonders anfällig für Schädlinge wie Pilze oder Holzwürmer. Der Hausschwamm macht eben auch vor spätbarocker Schönheit nicht halt. Er hat sich unter dem Dach ausgebreitet. Das zeigt sich beim Rundgang durchs Gebälk.

Nun muss das im Jahr 1756 von Kai Dose fertig gestellte Rellinger Kulturdenkmal aufwendig und kostspielig saniert werden. Für eine Summe von rund 400 000 Euro müssen Gauben und Balken aufwendig restauriert werden. "Alle Anträge auf Fördermittel sind gestellt", sagt Martje Kruse. Mit wie viel Geld sie rechnen darf, erfährt sie aber erst ab Oktober. Auch wenn alles bewilligt wird, werden private Spender zur Finanzierung benötigt. Im kommenden Jahr ist auch eine Reihe von Benefiz-Konzerten geplant, die Geld in die Kassen spülen soll.

Wenn alles nach Plan läuft, könnte im kommenden Jahr mit der Sanierung begonnen werden. Es sind sogenannte Gesundschnitte am befallenen Holz notwendig. Dafür müssen die Bodenschwellen entfernt werden. Das Bauvorhaben soll dann in ein bis zwei Jahren abgeschlossen sein.

Im Kreis Pinneberg finden weitere interessante Aktionen am Tag des offenen Denkmals statt:

Barmstedt: Heiligen-Geist-Kirche, Chemnitzer Straße 28, 13.30 bis 17 Uhr geöffnet, Führung um 14 und 15.30 Uhr, Telefon: 04123/92 94 76.

Elmshorn: Bäume in der Innenstadt, geführter Rundgang (fünf Kilometer, Dauer 90 Minuten), 10.30 Uhr an der Bismarckschule, Bismarckstraße 2, Telefon: 04121/23 13 95.

Elmshorn: St.-Nikolai-Kirche, Alter Markt, in Elmshorn, Führung um 14 Uhr, Telefon: 04121/23 13 95.

Haseldorf: Ehemalige Bandreißerkate von 1765, Achtern Dörp 3, Bandreißer zeigen von 12 bis 17 Uhr Herstellung von Bandholz, Binsenschneider führen Stühleflechten vor.

Quickborn: Marienkirche, Christian-Frederik-Hansen-Platz, 12 bis 17 Uhr geöffnet, Führungen nach Bedarf, Ausstellung handgeschnitzter Holzskulpturen zu biblischen Texten und Motiven von Walter Fidorra (einige stehen zum Verkauf), Telefon: 04106/42 12.

Quickborn: Neutra-Siedlung, Marienhöhe 5-95, in Quickborn, Führungen über die denkmalgeschützte Gesamtanlage von 1963, 11.30 und 14 Uhr, Telefon: 069/61 26 20.

Seester: St.-Johannes-Kirche, Dorfstraße 37, 10 bis 16 Uhr geöffnet, Führungen nach Bedarf, Telefon: 030/9142 38 37.

Uetersen: Kirche am Kloster, Kirchenstraße, 14 bis 18 Uhr geöffnet, Führungen 15 und 17 Uhr, 14 und 16 Uhr Orgelmusik, Telefon: 04122/90 15 21.

Wedel: Maren Groth führt zu den Grenzsteinen der Herrschaft Pinneberg zur Gutsherrschaft Haseldorf von 1795 und 1827 unter den Königen Christian VII. und Friedrich IV. Mit dem Fahrrad 7.30 Uhr ab Heimatmuseum Holm, Hauptstraße 14. Treffpunkt für die Führung um 8.30 Uhr, Obstparadies Kleinwort, Winterros 1-2, in Wedel, Dauer 90 Minuten, Telefon: 0176/67 74 04 08.

Wedel: Reepschlägerhaus (Dreiständerbau von 1758), Schauenburger Straße 4, in Wedel, 11 bis 14 Uhr geöffnet, Telefon: 04103/70 70.

Wedel: Führung auf der archäologischen Stätte der mittelalterlichen Hatzburg, danach im Stadtmuseum Erläuterungen der Exponate, Treffpunkt: 14 Uhr an der Hatzburgtwiete (Spielplatz), festes Schuhwerk erforderlich, Telefon: 04103/70 70