Kirsten Wilke und Verena Rathjens sind ehrenamtliche Sterbebegleiterinnen in der Hospizgruppe in Wedel und stehen Menschen in ihren letzten Wochen bei.

Wedel. Es gibt Tage, da bleiben Kirsten Wilke nur einige Minuten. An anderen Tagen sitzt sie stundenlang einfach nur am Bett des Menschen, der im Sterben liegt. Vorsichtig legt sie ihre Hand auf das Laken. Eben so nah, dass derjenige sie ergreifen kann, aber auch so fern, dass er sich nicht bedrängt fühlt. "Für manche ist der Körperkontakt das Kostbarste. Andere lehnen ihn strikt ab", weiß die Wedelerin aus Erfahrung. Ein Standardprogramm gebe es nicht. In den vergangenen Jahren ihrer ehrenamtlichen Arbeit hat Wilke ein Gespür dafür entwickelt, wie sie Todkranken auf ihrem letzten Weg beistehen kann.

Seit zehn Jahren ist sie dabei - genauso lange wie es die Hospizgruppe in Wedel gibt. 2006 übernahm Wilke die Leitung der derzeit zwölfköpfigen Helfercrew. Dabei stammt die 55-Jährige aus dem kaufmännischen Bereich. Als sie arbeitslos wurde, wollte sie nicht herumsitzen. Sie suchte nach einer ehrenamtlichen Aufgabe und schloss sich der Wedeler Hospizbewegung an.

Kindern Bücher in der Schule vorlesen, sich im Sportverein engagieren, im Kulturverein aktiv sein - Wilke hätte so viel tun können. Warum entschied sie sich für das Thema Tod und Sterben? Dinge, denen sich andere höchstens gezwungener Maßen widmen. "Es war wohl in mir", sagt die Wedelerin. Auslöser war der Tod ihrer Mutter. Wilke besuchte sie regelmäßig im Pflegeheim. Am Ende war sie jeden Tag dort. "Ich habe die sehnsüchtigen Blicke der anderen Bewohner bemerkt", sagt Wilke. Nach einem Wochenendseminar wusste sie: Das ist es, sie möchte Sterbenden eine Hand reichen. Das hat sie seitdem in vielen Fällen getan. Wilke schätzt, dass sie mehr als 40 Sterbende auf ihrem letzten Weg begleitet hat.

Manchmal wird die Hospizgruppe von Angehörigen angerufen, die sich überfordert fühlen. In der Hälfte aller Fälle ist der Sterbende aber allein. Dann wendet sich der Hilfesuchende entweder selbst an die Gruppe oder ein Arzt oder eine Pflegeleitung informiert Wilke. Nach Gesprächen und einem ersten Treffen weiß sie, ob die Chemie zwischen dem Sterbenden und dem Mitglied der Hospizgruppe stimmt. Anschließend trifft sich das Duo weiter. Je nach Gesundheitszustand des Betroffenen gehen sie ein Eis essen. Oder einfach noch einmal vor die Tür, vielleicht sogar raus ans Wasser. Vielleicht redet man auch nur.

So wie im Fall einer an Krebs erkrankten Frau, deren Name Wilke bis heute nicht kennt. Sie hat sie nie getroffen. Die Sterbebegleitung fand ausschließlich am Telefon statt. Der Mann stellte den Kontakt her. Zwischen der todkranken 40-Jährigen und Wilke stimmte die Chemie. Sie telefonierten stundenlang. Manchmal auch nachts. Es wurde gescherzt, gelacht. "Wir sind kein Trauerverein", macht Wilke deutlich. Gemeinsam ordneten sie die letzten Tage. Vor allem besprachen sie, wie die 40-Jährige ihrem Sohn erklären könnte, dass sie bald nicht mehr da sei. "Dann rief sie nicht mehr an. Da wusste ich, dass sie es geschafft hat."

Kein Wort wechselten dagegen Verena Rathjens und ein todkranker Mann. Er konnte sich nicht mehr artikulieren. Die 57-Jährige hätte sich vorher nie vorstellen können, dass sie das kann. Am Ende war sie eine Woche lang täglich an seinem Bett. "Ich war nur da. Er ist ganz ruhig geworden", sagt die Wedelerin, die seit fünf Jahren in der Hospizgruppe aktiv ist. Warum sie sich dem Tabuthema stellt? Rathjens sieht das pragmatisch: "Jeder wird sich irgendwann damit auseinandersetzen müssen. Der Weg wird für mich so leichter. Strecken, die ich kenne, flößen mir keine Angst ein."

Obwohl die Helferinnen zu Sterbegleitern ausgebildet werden, gibt Rathjens zu: "Das greift manchmal an." Deshalb ist die Gruppe so wichtig. Zwar unterliegen alle einem Schweigekodex, aber sie klären den Sterbenden darüber auf, dass sie innerhalb der Gruppe darüber sprechen müssen. "Das entlastet", sagt Wilke.

Wer Kontakt mit der Wedeler Hospizgruppe aufnehmen möchte, trifft sie auf dem Sozialmarkt, der am Sonnabend, 1. September, von 10 bis 13 Uhr auf dem Rathausplatz in Wedel veranstaltet wird. Kontakt auch unter Telefon 04103/75 24.