Bildungsmonitor 2012 deckt Defizite auf. Kreis Pinneberg liegt dank privater Hochschulen bei der Ingenieurausbildung über Landesdurchschnitt.

Kreis Pinneberg/Kiel. Der Bildungsmonitor 2012 stellt Schleswig-Holstein ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. Die am Mittwoch vorgestellte Vergleichsstudie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zum Bildungssystem sieht den Norden auf dem letzten Platz. Ein Ergebnis, das Rainer Carstengerdes, bisheriger Vorsitzender der Kreiselternbeiräte für die Gemeinschaftsschulen, nicht erstaunt. "Es ist eine logische Konsequenz der Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre", sagt der Westerhorner. "Je schlechter die Bedingungen für Lehrer werden, desto schlechter fallen diese Vergleiche aus. Mit unzufriedenem Personal kann man kein gutes Produkt erzeugen, und das gilt für alle Schularten."

Schleswig-Holstein bekommt beim aktuellen Bildungsmonitor 66,3 von 100 möglichen Punkten. Das sind immerhin 19,3 Zähler mehr als beim Vergleich 2004. Bewertet wurden die Zahlen aus dem Jahr 2010. Spitzenreiter ist Sachsen mit 86,8 Punkten (+ 34,1). Es ist aber im Norden bei weitem nicht alles schlecht, wie auch der Pinneberger Schulrat Michael Doppke sagt. Tatsächlich rangiert laut IW Schleswig-Holstein bei mehreren sogenannten Handlungsfeldern ganz weit oben. Zum Beispiel bei der Zeiteffizienz. Dabei werden Einzelfaktoren wie verspätete Einschulungen oder Wiederholerquote in den Grundschulen berücksichtigt. Nur 1,1 Prozent der Kinder wurden in Schleswig-Holstein verspätet eingeschult. Nach Angaben des Schulamtes für den Kreis waren es im Jahr 2010 nur 20 Kinder, die aus medizinischen Gründen nicht eingeschult wurden. Und das bei 11 499 Schulanfängern.

Gute Noten und Platz zwei im Bundesvergleich bekam Schleswig-Holstein bei der Integration von Kindern mit Migrationshintergrund. Der Kreis Pinneberg ist Spitzenreiter, was die Zahl von ausländischen Schülern angeht. Im Schuljahr 2010/2011 waren von 34 193 Schülern an allgemeinbildenden Schulen 2207 Ausländer und 152 Aussiedler.

"Die Schule im Kreis Pinneberg ist grundsätzlich gut aufgestellt", sagte Schulrat Michael Doppke nach dem Durcharbeiten des "Bildungsmonitors 2012". "Themen wie die Akademisierung und die Internationalisierung, bei denen Schleswig-Holstein sehr schlecht wegkommt, sind allgemeine Bildungsthemen, daran kann Schule nichts ändern." Der Schulrat sagt weiter: "Natürlich sieht es blöd aus, wenn man bei einer solchen Studie auf dem letzten Platz landet, aber man muss die Zahlen differenziert betrachten." Letztlich aber sei jede Studie hilfreich. Zu berücksichtigen sei, dass sich das Bildungssystem in Schleswig-Holstein zum Zeitpunkt der Erstellung der Studie "komplett im Umbruch" befunden habe.

Bei den Schleswig-Holsteiner Hochschulabsolventen sah das Ergebnis schon ganz anders aus. Die "Akademikerersatzquote", das Verhältnis der Hochschulabsolventen zur Gesamtheit an Akademikern im erwerbsfähigen Alter, betrug lediglich 3,3 Prozent und beförderte Schleswig-Holstein auf den letzten Platz im Ländervergleich. Besonders schlecht schnitt das nördlichste Bundesland auch bei dem Anteil an Studenten im Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen ab. Lediglich 14,4 Prozent aller Studierenden in Schleswig-Holstein absolvierten ein ingenieurwissenschaftliches Studium. Der Bundesdurchschnitt lag bei 16,9 Prozent.

Hier kann der Kreis Pinneberg dank der Fachhochschule Wedel und der Nordakademie Elmshorn mit ansehnlichen Zahlen aufwarten. In Wedel sind 400 Studierende im Bachelor- beziehungsweise Masterstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen immatrikuliert. Es handelt sich damit um das größte Studienangebot der privaten Fachhochschule, an der es etwa 1000 immatrikulierte Studierende gibt. "Allerdings leiden unsere Absolventen extrem unter dem Nord-Südgefälle", sagt der Präsident der Hochschule Eicke Harms. Viele Wirtschaftingenieure müssten sich nach dem Studium beruflich Richtung Süddeutschland orientieren. An der Nordakademie Elmshorn werden zum kommenden Wintersemester 468 Studierende im dualen Bachelorstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen immatrikuliert sein. Diese Zahl deckt sich mit den von den Unternehmen angefragten Studienplätzen, die ihren Auszubildenden sowohl eine betriebliche als auch akademische Ausbildung ermöglichen. Die Kapazitäten für einen Ausbau des Studiengangs in Elmshorn seien gegeben, wenn die Nachfrage der Unternehmen dementsprechend höher ausfalle, sagt Jörg Meier von der Nordakademie.

"Eine Frage muss doch sein, was macht Spitzenreiter Sachsen besonders gut", sagt Uwe Lorenzen, Schulleiter der Elsa-Brandström-Schule Elmshorn. Und es zeigt sich nach den Worten des Rektors des Gymnasiums, dass man an seiner Schule mit dem speziellen Coaching und der möglichst individuellen Betreuung der Kinder auf dem richtigen Weg sei. "Wir müssen grundsätzlich erkennen, dass die Lerngruppengröße eben doch die Qualität des Unterrichts bedingt", sagt Lorenzen. "Wenn es 30 Kinder pro Klasse sind, ist die individuelle Zuwendung einfach kleiner als bei 22 Kindern." An Gymnasien im Kreis unterrichteten 2010/2011 die Lehrer 16,5 Schüler im Schnitt, landesweit waren es je 16,3 Schüler.

Auch Kreiselternbeirat Rainer Carstengerdes sieht in der besseren Lehrer-Schüler-Relation den Schlüssel zu besserer Schule: "In kleineren Klassen ist eine bessere Betreuung möglich. Dafür brauchen wir mehr und gut ausgebildete Lehrer."