Wie sich Guildo Horn und die Orthopädischen Strümpfe auf ihren Auftritt am Wochenende vorbereiten. Insgesamt 1,6 Millionen Zuschauer.

Halstenbek. An diesem Sonnabend ab 21 Uhr sorgen Guildo Horn und seine "Orthopädischen Strümpfe" auf dem Sportplatz an der Feldstraße in Halstenbek für gute Laune bei der NDR-Sommertour. Ein Anruf vorab...

Hamburger Abendblatt:

Sie haben sich am Telefon mit Köhler gemeldet.

Guildo Horn:

Das ist mir bei einem Interview noch nie passiert. Das muss an meiner Sommergrippe liegen.

Ich kann Sie auch mit Herr Bundespräsident ansprechen.

Guildo Horn:

Ex-Bundespräsident bitte.

Wer nennt Sie denn Horst Köhler?

Guildo Horn:

In meinem Privatleben bin ich Clark Kent. Guildo Horn ist meine Superman-Identität, meine Geheimwaffe. Auf der Bühne mutier ich zum Frauenschwarm. Zu Hause bin ich der kleine Horst.

Haben Sie Ihr Doppel-Ich Horst Köhler schon mal getroffen?

Guildo Horn:

Jeden morgen im Spiegel.

Und den Bundespräsidenten a. D.?

Guildo Horn:

Nein. Ich weiß auch nicht, ob das so wichtig ist. Ich habe nie viel Wert darauf gelegt, irgendwelche prominenten Menschen zu treffen. Obwohl, ich habe einmal einen Prominenten getroffen, den ich auch unbedingt treffen wollte. Das war Uwe Seeler. Von dem habe ich sogar ein Autogramm bekommen. Da war ich zehn Jahre alt. Statt mit einem bekannten, mir fremden Menschen würde ich lieber mit meiner Lebenspartnerin oder Freunden essen gehen.

Worauf dürfen sich die Halstenbeker am Wochenende freuen?

Guildo Horn:

Auf ein kleines Juwel, ein musikalisches Liebensbekenntnis an unser Land in Form von gut temperierter Schlagermusik, gepaart mit Zitaten aus Rock, Pop, Funk, Fernsehen und der vergangenen hundert Jahre Musikgeschichte. Kurz: eine Patchwork-Schlager-Revue.

Das ist ja bereits eine ganze Menge. Sie gelten als Mode-Ikone. Haben Sie sich schon das passende Outfit für Ihren Auftritt herausgelegt?

Guildo Horn:

Ja, das kleine Schwarze. Die ganze Combo wird eine optische Augenweide sein und vorher durch die Friseurstraße gejagt. Wir werden gut aussehen und gut riechen.

Wer macht Ihnen denn die Haare?

Guildo Horn:

Ich habe in Köln eine wundervolle Friseurin. Die packt das an - Innenrolle, Außenrolle, alles. Mit meinen Haaren kann man eine ganze Menge anfangen.

Wenn Sie dann noch Nussecken mitbringen, haben die Halstenbeker ja das komplette Rundum-Verwöhn-Paket...

Guildo Horn:

Das wichtigste ist das große Herz eines Strumpfes. Wir sind in der Combo mit einem riesigen Herz beseelt. Wir freuen uns, das mit dem Publikum teilen zu dürfen. Orthopädische Strümpfe stehen für Schutz und Halt.

Wer hat sich Guildo Horn ausgedacht?

Guildo Horn:

Der ist mir zugeflogen. Ich habe damals schon gewusst, dass es meine Mission sein soll, den deutschen Schlager zu retten. Zuerst wusste ich nicht, wie der Retter heißen sollte. Und dann habe ich ganz viel Schlager gehört und ganz viel Kakao getrunken. Und da stand plötzlich der Name im Raum.

Sie gelten auf der Bühne ja als sehr hemmungslos...

Guildo Horn:

Nicht nur auf der Bühne.

Interessant. Ist Hemmungslosigkeit etwas, dass Sie von den Menschen mit Behinderung gelernt haben, mit denen Sie viele Projekte machen?

Guildo Horn:

Unser Land ist nicht geprägt davon, dass wir besonders locker sind. Das Preußische steckt noch in uns. Guildo Horn ist zwar auch eher ein wertkonservativer Typ. Aber auf der Bühne haben Hemmungen keinen Platz. Als ich 1984 nach dem Abitur ein Soziales Jahr in einer Behinderteneinrichtung machen durfte, habe ich zum ersten Mal mit geistig behinderten Menschen musiziert. Das war nicht unbedingt das technisch beste, was ich bis dahin gehört habe, aber das hingebungsvollste. Da war richtig Alarm. Ich spielte damals Schlagzeug und verstand mich als Rocker. Hier hab ich dann gemerkt, was für ein verklemmter Heini ich war. Ich habe einen roten Kopf bekommen, als ein Mädel aus der Musikgruppe mit mir einen körperbetonten Befruchtungstanz aufführen wollte. Ich war komplett überfordert. Ich habe später Sozialpädagogik studiert und lange in Behinderteneinrichtungen als Musiklehrer gearbeitet. Da habe mir dann abgeguckt wie man's richtig macht.

Ist das Lebensfreude?

Guildo Horn:

Das ist Lebensfreude pur. Bei unserer Musik geht es nur um Spaß. Das hat mit der Realität relativ wenig zu tun, das ist Operette. Aber wer ein Horn-Konzert besucht, kann für diese Zeit in ein Land aus Milch und Honig eintauchen. Da lügen die Tränen nicht und alle haben sich lieb. Danach kannst du wieder kraftvoll zubeißen.

Sie waren Sänger, Schauspieler, Buchautor, Moderator. In welcher Rolle könnten Sie sich noch vorstellen?

Guildo Horn:

Hausfrau und Mutter. Ich spring unheimlich gerne quer. In Leporellos Tagebüchern habe ich mit Opernsängern auf der Bühne gestanden. "Guildo und seine Gäste" zu moderieren, hat mir auch sehr viel Spaß gemacht. Ich könnte mir vorstellen, wieder ein Format mit behinderten Menschen im öffentlich-rechtlichen zu moderieren, gern auch mit Publikum. Ich fände es auch spannend, eine Talkrunde mit Senioren zu moderieren. Von den älteren Menschen kann man noch viel lernen. Ihr Wissen wird noch wenig genutzt. Ich erlebe das bei meiner Mutter. Sie und ihre Freunde sind sehr originell, da gibt es obendrein viel zu lachen. Das sind ganz spezielle Persönlichkeiten.

Und wie sieht es mit dem Eurovision Song Contest aus?

Guildo Horn:

Das war mal ein freier Wettbewerb, wo sich verschiedene Produzenten bewerben konnten. Das ist jetzt auf einen geschrumpft. So eine aalglatte Welt unterhält mich nicht. Da gibt es andere Projekte: Im vergangenen Jahr haben wir mit der Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. ein Casting mit behinderten Menschen veranstaltet: "Guildo sucht die Superband". Das Projekt wollen wir nächstes Jahr aufleben lassen. Dieses Jahr werde ich als Schirmherr für das Filmfestival "überall dabei" der Aktion Mensch unterwegs sein. Das Festival findet zum fünften Mal statt und hat bereits über 200.000 Besucher in die Kinos gelockt. Wir reisen durch 40 Städte und zeigen sechs internationale Filme zum Thema Inklusion, also gesellschaftliche Teilhabe.

Projekte mit behinderten Menschen bleibt Ihnen eine Herzensangelegenheit?

Guildo Horn:

Nicht, weil ich ein besonders guter Mensch bin, sondern weil es mir soviel gibt. Der Wesensansatz von behinderten Menschen ist oft so anders und individuell gestaltet, weil er mit seinen Einschränkungen ganz andere Aufgaben in seinem Leben zu bewältigen hat. Das ist sehr inspirierend. Wie man selbst lebt, ist nicht das Nonplusultra. Im Moment haben viele Menschen Angst vor finanziellen Verlusten. Da hat ein geistig behinderter Mensch eine ganz andere Einstellung zu. Es kann die eigene Perspektive zurechtrücken, da mal hinzuhören. Das relativiert vieles. Oder dass ein behinderter Mensch von Anfang an damit konfrontiert wird, dass irgendwas an ihm nicht stimmt. Da können wir uns einiges abgucken. Behinderte haben genug Qualitäten, um uns zu helfen. Darum engagiere ich mich für die Lebenshilfe für Nicht-Behinderte.