Nachbarn retten 78-jährige Bewohnerin. Reetdach-Anwesen in Seester brennt bis auf die Grundmauern nieder. Besitzer erfuhren im Urlaub vom Unglück.

Seester. 120 Feuerwehrleute waren machtlos: Nach einem Blitzeinschlag ist gestern Vormittag der reetgedeckte Hof Früchtenicht in Seester, Kurzenmoor 22, bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Die Anlage stammte aus dem Jahr 1862, war als Kulturdenkmal eingetragen und erst vor Kurzem saniert worden. Besonders tragisch: Die Eigentümerfamilie befindet sich derzeit in Dänemark, sie erfuhr die schlimme Nachricht im Urlaub.

Es war kurz vor 10.30 Uhr, als die Gewitterfront von Elmshorn kommend über die kleine Nachbargemeinde zog. "Es blitzte und knallte mehrfach, ich bin fast vom Trecker gefallen", berichtet Hans-Jürgen Haß. Der Landwirt wohnt zwei Häuser neben dem Früchtenicht-Hof und machte sich sofort auf den Heimweg. "Ich ahnte, dass da was passiert sein musste." Und die Ahnung trog den aktiven Feuerwehrmann nicht. "Ich sah schon aus der Ferne die Qualmwolke." Haß wusste, dass sich in dem betroffenen Gebäude noch die 78-jährige Elisabeth Früchtenicht aufhalten musste. "Ich bin dann rübergelaufen und habe sie rausgeholt." Die Seniorin habe sich im Erdgeschoss aufgehalten und das Feuer bisher nicht bemerkt gehabt. Haß: "Ihr Telefon ging schon nicht mehr, und aus dem Dach kam eine riesige Qualmwolke."

Wenig später trafen die ersten Feuerwehrleute aus Seester ein. Ihnen war sofort klar, dass der historische Hof sowie die angrenzenden Stallungen nicht zu retten sind würden."Das ist ganz, ganz tragisch", sagt Seesters Bürgermeister Claus Hell, selbst aktiver Feuerwehrmann. So habe die Familie in der Vergangenheit viel Geld und Idealismus in das Anwesen investiert und es von Grund auf saniert. Immerhin konnten die Einsatzkräfte noch die Katze der Familie aus dem Gebäude retten.

"Gott mit uns - Michael Früchtenicht 1862" steht auf einem Balken an der Front des Hauses, das zuletzt von der Familie von Dörte Früchtenicht bewohnt wurde. Sie, ihr Mann und ihre drei Kinder befanden sich zum Brandausbruch im Urlaub. Der Hof selbst wird nur noch als Nebenerwerb betrieben. Die 78-jährige Elisabeth Früchtenicht kam zunächst vorübergehend im Haus von Bürgermeister Hell unter.

Einsatzleiter Arne Feja, der stellvertretende Wehrführer von Seester, forderte sofort Verstärkung an. So rückten die Nachbarwehren aus Seestermühe und Klein Nordende an. Auch aus Elmshorn kam ein größeres Kontingent inklusive der dortigen Drehleiter. Zusätzliche Atemschutzflaschen lieferte die Kreisfeuerwehrzentrale Tornesch.

Den Feuerwehrleuten blieb nichts anders übrig, als den Hof kontrolliert abbrennen zu lassen. Sie konzentrierten sich darauf, das angrenzende, ebenfalls reetgedeckte Wirtschaftsgebäude zu halten. Dazu wurde dieses ständig bewässert. Weil auch der Hof auf dem Nachbargrundstück über ein Reetdach verfügt und dieses aufgrund des Funkenflugs massiv gefährdet war, sprühten die Feuerwehrleute es vorsichtshalber mit Schaum ein.

Um das benötigte Löschwasser zu bekommen, mussten fünf Schlauchleitungen von mehreren Hundert Metern Länge verlegt werden. Zum Einsatz kamen rund um das Gebäude zeitweise drei Wasserwerfer sowie bis zu neun Strahlrohre. Nach drei Stunden traf ein Bagger ein, der die Giebelwände auf der Front- und der linken Gebäudeseite einriss. Auf andere Weise kamen die Feuerwehrleute an die Brandnester nicht heran. Das Gebäude selbst konnte aufgrund der Einsturzgefahr nicht betreten werden.

Für die Feuerwehrleute bedeutete der Einsatz bei hochsommerlichen Temperaturen Schwerstarbeit in der dicken Schutzkleidung. Dies betraf gerade die Personen, die wegen der Rauchentwicklung unter Atemschutz löschten. Alle wurden nach ihrer Ablösung von Rettungssanitätern untersucht.

Das DRK brachte ab 14 Uhr Verpflegung an die Einsatzstelle. Zuvor waren schon zahlreiche Selterkisten zur Verfügung gestellt worden, um den enormen Flüssigkeitsbedarf der Einsatzkräfte zu decken. Auch kamen viele Anwohner vorbei, um die Einsatzkräfte mit Speis und Trank zu versorgen.

Um kurz vor 16 Uhr konnten erste Kräfte der Nachbarwehren abrücken. Der Einsatz selbst dauerte bis in den Abend hinein an. Die Polizei schätzt die Schadenshöhe auf 300 000 Euro.