Der pensionierte Lehrer hört gern schöne Melodien, wehrt sich aber gegen Zwangsbeschallung in Supermärkten und Restaurants.

Kreis Pinneberg. "Musik wird störend oft empfunden, weil sie mit Geräusch verbunden", reimte schon Wilhelm Busch. Wie sehr der alte Spötter Recht hatte, weiß Harald Fiedler aus Appen. Der 79-Jährige ist Gründer und Ehrenvorsitzender des gemeinnützigen Vereins "Pipe down - Lautsprecher aus!". Diese bundesweit tätige Organisation wendet sich gegen die musikalische Zwangsbeschallung in Supermärkten, Kaufhäusern, Restaurants und anderen öffentlich zugänglichen Einrichtungen.

Bei Fiedler handelt es sich nicht um einen verschrobenen notorischen Musikmuffel. Im Gegenteil: Der passionierte Ruhestifter war schon von Berufs wegen ein Anhänger der schönen Klänge. 25 Jahre lang wirkte Fiedler als Musiklehrer im Wedeler Johann-Rist-Gymnasium. Noch jetzt greift er am heimischen Flügel mit Begeisterung in die Tasten - wenn es ihn überkommt, sogar nachts im Pyjama. Bach und Beethoven gehören zu seinen Lieblingskomponisten.

Was Fiedler gegen den Strich geht, ist die ungewollte Dauerberieselung mit Hintergrundmusik. Seinen Grundsatz fasst er mit einem Satz zusammen: "Jeder darf so viel Musik hören, wie er will, nur nicht andere Menschen zwingen, gegen ihren Willen mithören zu müssen." Als Fiedler in den 90er-Jahren vom britischen Verein "Pipe down" hörte, hatte er sein Vorbild gefunden. "Pipe down" bedeutet auch "Halt die Klappe". Gemeint ist jedoch die Leitung (Pipe) dichtzumachen, durch die die Musik strömt.

Der Verein hat in Deutschland 220 Mitglieder. Dass Fiedlers Einsatz gegen die Zwangsbeschallung auf Resonanz stößt, zeigen Tausende Unterstützer-Unterschriften. Zu ihnen gehören Namen wie Altbundeskanzler Helmut Schmidt, Pianist und Dirigent Justus Frantz und der Kabarettist Dieter Hallervorden.

Die Vereinsmitglieder greifen auch konkret in die Dauerdudelei ein. Beim Einkaufen in Supermärkten und Warenhäusern bitten Fiedler und seine Frau Karin darum, die Musik auszustellen, solange sie im Laden sind. "Das funktioniert häufiger als man glaubt", lautet die Erfahrung aus 20 Jahren. Wenn nicht, wechseln die Fiedlers zum Mitbewerber.

Auch in Restaurants liefen sie mit ihrem Ansinnen schon offene Türen ein - sogar gegen den Willen des Personals. Als Fiedler beim Essen in einer Autobahnraststätte um Ruhe bat, hieß es zunächst schnippisch: "Die anderen Gäste möchten die Musik aber hören." Prompt ging Fiedler von Tisch zu Tisch, fragte nach und bekam begeisterte Zustimmung. Konsequenz: Die Musik wurde abgestellt.

So weit geht es bei Famila nicht. "Aber auf Wunsch wird leiser gestellt", sagte eine Unternehmenssprecherin. Auch im Media-Markt, wo Musik mehr zum Testen läuft, wird auf Wunsch leise gestellt.

Besonders schlimm findet Fiedler, dass sich die Hintergrundmusik sogar auf Wartezimmer in Arztpraxen ausgebreitet hat. Mit Briefen an Fahrschulen warnten die Pipe-down-Mitglieder erfolgreich vor dem Gewumme aus Autolautsprechern. Viele Fahrlehrer griffen das Thema auf. Ehrensache, dass der 28. April bei Fiedlers rot angekreuzt ist: Dann findet der Internationale Noise Awareness Day statt, der Tag gegen den Lärm.

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