Ein Unternehmer kaufte das 300 Jahre alte Gebäude im Rellinger Ortskern. Die Bürger sollen nun Ideen für die Neugestaltung einreichen.

Rellingen. Im alten Rellinger Ortskern wird eines der letzten verbliebenen historischen Gebäude dem Erdboden gleich gemacht. In der kommenden Woche sollen Abbruchbagger anrücken, um das mehr als 300 Jahre alte verfallene Reetdachhaus an der Straße Am Markt sowie Anbauten und Nebengebäude abzureißen.

Die Kate war mehr als zehn Jahre lang vergebens von der bisherigen Eigentümerin Elisabeth Kinder zu offenbar überhöhten Preisen zum Verkauf angeboten worden. Jetzt hat der Rellinger Reeder und Logistikunternehmer Thomas Pötzsch nach langwierigen Verhandlungen das etwa 3000 Quadratmeter große Areal erworben. Sein Ziel ist es, langfristig ein Nutzungskonzept zu entwickeln. Dabei möchte Pötzsch, wie schon beim Ankauf weiterer Immobilien in der Baumschulgemeinde, drei bis vier Jahre "Raum lassen für Gedanken zur Planung" einer künftigen Verwendung der Fläche.

Ein paar Gedanken hat sich Pötzsch schon selbst gemacht. So könnte auf den rückwärtigen Grundstücksteil, "dieser Insel der Glückseligkeit", vielleicht ein Projekt für altersgerechtes Wohnen entstehen. Ansonsten wartet der Rellinger gespannt auf Vorschläge von Bürgern, Institutionen und Vereinen. Einig sind sich Pötzsch und alle Fraktionen darin, dass etwas für die Belebung des historischen Ortskerns getan werden muss. Der Bebauungsplan sieht für das Weinstuben-Areal im Erdgeschoss eine gewerbliche Nutzung vor. Alles andere bleibt offen und lässt viel Spielraum für Fantasie. In den kommenden Wochen soll, so Bürgermeisterin Anja Radtke, überlegt werden, wie Ideen gesammelt werden können.

Bis es soweit ist, will Pötzsch mal wieder Gutes tun für die Bürger der Baumschulgemeinde. So sollen auf dem Grundstück übergangsweise eine Grünanlage geschaffen sowie beiderseits der kleinen Zufahrtstraße jeweils fünf Parkplätze angelegt werden.

Mit dem Erwerb des Weinstuben-Areals rundet der Reeder sein Vorhaben ab, dem Rellinger Ortskern zu attraktive Entrees zu verhelfen. Zu diesem Zweck hat Pötzsch bereits das Grundstück der ehemaligen Stellmacherei an der Einmündung Hamburger Straße/Hauptstraße erworben und in eine Grünfläche mit Parkplätzen verwandelt, bis eine ansprechende Bebauungslösung gefunden ist.

Auch das Haus von Bäcker Manssen an der Einmündung Tangstedter Chaussee/Hauptstraße hat der Rellinger gekauft. Dort ist der alte Bäckerladen Schauplatz für eine dekorative Ausstellungen aus der maritimen Raritätensammlung des Reeders, bis etwas Neues gebaut wird.

Pötzsch erklärt sein Engagement, das mittlerweile auch in der Verwaltung und bei den Politikern auf Zustimmung stößt, damit, verdientes Geld lieber in Rellinger Projekte zu stecken als es zu niedrigen Zinsen bei den Banken anzulegen. "Es geht mir dabei nicht um eine schnelle Flächenmaximierung, sondern um die Suche nach einer sinnvollen Gestaltung", sagt der Unternehmer.

Wäre es nicht sinnvoll gewesen, das Weinstuben-Areal zu restaurieren? "Nicht jedes alte Gebäude ist erhaltenswert", sagt Pötzsch, unterstützt von seinem Architekten Jürgen Waskow. Der verweist auf den durchfeuchteten Teilkeller und weitere gravierende Erhaltungsmängel des baufälligen Hauses. Eine Sanierung würde in keinem Verhältnis zu den Kosten stehe.

Dem stimmt sogar Wieland Witt, Vorsitzender des Rellinger Heimatvereins, zu. "Die bisherigen Eigentümer haben das Gebäude verfallen lassen, um einen Abriss zu erreichen", vermutet Witt. Der Heimatforscher freut sich, dass Pötzsch einige Balken des Fachwerks aufbewahren will.

Die Gemeinde hatte vor einigen Jahren vergeblich versucht, das von Anbauten verunzierte Haus zwecks einer Restaurierung zu erwerben. "Doch das scheiterte auch an den Kosten für das desolate Gebäude", entsinnt sich Bauausschussvorsitzender Eckhard Schlesselmann, CDU.

Auch Bürgermeisterin Anja Radtke bedauert zwar, "dass ein weiteres Stück altes Rellingen fallen wird", sieht jedoch ebenfalls keine Alternative.

Aus Sicht von Pötzsch wird die Reetdachkate auch von der "Riesenbebauung in der Umgebung totgemacht." Die Neubauten, vor allem die Wohnklötze der Adlershorst-Baugenossenschaft, zählen zu den Sünden der Vergangenheit. Damals hatte die Gemeinde Rellingen nach mehreren gescheiterten Anläufen des damaligen Projektentwicklers und CDU-Politikers Heinz Gerhard Karp den Wünschen von Adlershorst nach einer höher verdichteten Bebauung nachgegeben.

Vor dem anstehenden Abbruch der Weinstuben-Ruine mussten schon die Altbauung gegenüber der Kirche sowie das ebenfalls jahrelang vernachlässigte Fischhaus Rellingen der Neubebauung geopfert werden.