Die Arbeitslosenhilfe Wedel steht nach Ärger mit Finanzamt und Rückzahlungen gut da. Ehrenamtliche Unterstüzung.

Wedel. Warum sich das jemand freiwillig und ehrenamtlich antut, bleibt am Ende das Geheimnis von Hans-Günter Werner - obwohl der Gründer und Geschäftsführer der Wedeler Arbeitslosenselbsthilfe durchaus versucht zu erläutern, was ihn und seine Mitstreiter antreibt, die Existenz des Vereins gegen alle Widrigkeiten zum Trotz bis heute zu sichern. Aber er berichtet eben auch von dem, was die Mitglieder in den vergangenen Jahren dafür über sich ergehen lassen mussten. Es hat sie Kraft gekostet, sie krank gemacht. Es hat zudem auch noch ihr Geld und das ihrer Freunde verschlungen. Aber sie haben es geschafft: In diesem Jahr wird das Projekt 30 Jahre alt. Und der dazugehörige Verein "Arbeit für alle" steht so gut da wie lange nicht. Nach einer Schutzinsolvenz ist man wieder zahlungsfähig. Mit dem Ende der Insolvenz ist auch der jahrelange Zwist mit dem Finanzamt vom Tisch. Die Arbeit kann weitergehen.

Seit Oktober 1982 ist die Arbeitslosenselbsthilfe eine Art Warteraum auf bessere Zeiten für Jobsuchende. Die Einrichtung vermittelt Aufgaben an Arbeitswillige. Ob im Garten die Pflanzen pflegen oder im Haushalt helfen - wichtig ist, dass es würdevolle Tätigkeiten sind, betont Werner. Von ABM-Maßnahmen wie Müllsammeln hält der ehemalige Pastor nichts. "Arbeitslose sind nicht faul, sondern ein Problem unserer Gesellschaft", betont der 65-Jährige. Ein Problem, dessen sich der Verein mit Sitz in der Holzblockhütte am Wedeler Bahnhof auf seine spezielle Weise annimmt. Allerdings lässt sich diese nicht so recht mit den Regeln der Finanzbehörde vereinbaren.

Denn für die Tätigkeiten der Vermittelten verlangt der Verein auch eine angemessene Entlohnung. Da man sich aber als gemeinnütziger Zweckbetrieb versteht, wurden die in Rechnungen gestellten Arbeiten jahrelang mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent versehen. Bis 2002 war das auch kein Problem. Doch dann bei einer Steuerprüfung der Schock: Das Finanzamt erkannte den Status als Zweckbetrieb nicht mehr an, weil die Arbeitslosenselbsthilfe in Konkurrenz zu anderen örtlichen Betrieben trete. Der niedrigere Steuersatz wäre somit ein Vorteil und würde den Wettbewerb verzerren.

"So ein Unsinn", ärgert sich Werner noch heute. "Die in Wedel ansässigen Unternehmen unterstützen uns. Wir sind doch keine Konkurrenz." Das sah das Finanzamt anders. Ab sofort sollte der Verein 19 Prozent veranschlagen. Jahrelang ging es zwischen Verein und Finanzamt hin und her. 2009 lag ein Vergleich auf dem Tisch, der nie richtig zum Tragen kam. Dann der Regierungswechsel in Kiel. "Wir sind verarscht worden", findet Werner klare Worte.

Neben all dem Ärger stand plötzlich auch der Zoll vor Werners Wohnung. Nach einer anonymen Anzeige stellte ein Einsatztrupp alle Akten sicher und umzingelte auch die Blockhütte, die Anlaufsstelle für Arbeitslose. Dabei ging es um die Flüchtlingsarbeit des Vereins, die derzeit ruht. Die Wedeler Arbeitslosenselbsthilfe macht sich dafür stark, dass Flüchtlinge eine Aufgabe annehmen können. Prinzipiell haben sie in Deutschland aber keine Arbeitsgenehmigung.

Währenddessen beliefen sich die Steuerrückforderungen der Finanzämter Pinneberg und Itzehoe für Lohn- beziehungsweise Umsatzsteuer auf 84 000 Euro. Zudem wurde dem sechsköpfigen Vorstand vorgeworfen, fahrlässig gehandelt zu haben. Sprich: Sie sollten mit ihrem Privatvermögen haften. Der Druck war hoch. Werner erlitt einen Herzinfarkt, ein Vorstandsmitglied verstarb. Irmgard Jasker, Rektorin im Ruhestand, und ebenfalls Vorstandsmitglied zog 2010 die Reißleine. Sie stellte den Insolvenzantrag.

Insolvenzverwalter übernahmen die Finanzhoheit. Es konnte eine Einigung erzielt werden. Zehn Prozent der Steuerforderungen mussten beglichen werden. Das ist vom Tisch. Parallel dazu lief die private Haftung. Die Vorstandsmitglieder wurden in die Pflicht genommen. Sie müssen 23 000 Euro für die Anwälte berappen. Noch einmal 23 000 Euro müssen ans Finanzamt gezahlt werden. "Das ist das ungeheuerlich. Wir engagieren uns ehrenamtlich und müssen am Ende dafür zahlen", sagt Werner. Ein Teil konnte durch Spenden geschultert werden. Aber viel mussten sie aus eigener Tasche zahlen. Wie er das bezahlte? "Meine Schwester ist gestorben. Alles, was ich geerbt habe, ist in diese Sache geflossen", sagt Werner.

Noch schlimmer findet er es, dass auch die Bürgen herangezogen worden sind. Freunde und Bekannte, die er und andere Vorstandsmitglieder gebeten hatten, einen Kleinkredit abzusichern. Freunde und Bekannte, die dachten, dass es nie zum Tragen käme, mussten einspringen und zahlen. Insgesamt 14 000 Euro. "Wir haben alle unsere Rücklagen angezapft. Ich wüsste auch niemanden mehr, der nicht aus dem Bekannten- und Freundeskreis Geld gegeben hätte", berichtet Werner.

Trotzdem ist die Unterstützung ungebrochen, vielleicht sogar größer denn je. Jüngst feierte die Arbeitslosenselbsthilfe ein Sommerfest, um sich dafür zu bedanken und zu feiern, dass man wieder Herr über die Finanzen ist. Die Wedelerin Nancy Gomez und Band sorgten gern für die Musik. Nach all den Querelen ist Werner auf eines besonders stolz: "Wir haben bei all dem die Arbeit für die Hilfebedürftigen nicht einen Tag lang ruhen lassen."

Wer Kontakt zum Verein "Arbeit für alle" aufnehmen möchte, findet den Treffpunkt in der Mühlenstraße 35, Kontakt 04103/1 62 21.