Posaunist Nils Landgren spricht über das am Wochenende beginnende Schleswig-Holstein Musik Festival. 138 Konzerte an 49 Orten.

Wedel/Elmshorn. Am kommenden Sonnabend beginnt das Schleswig-Holstein Musik Festival 2012. Wie jedes Jahr wird es auch im Kreis Pinneberg Konzerte geben. 13 Veranstaltungen an fünf Spielstätten stehen auf dem Programm, darunter zwei Konzerte des schwedischen Posaunisten Nils Landgren (siehe Kasten). Landgren ist einer von Europas derzeit erfolgreichsten Jazz-Musikern. Vorab verriet der 56-Jährige im Interview, was die Besucher bei seinen Konzerten erwartet, was das SHMF so besonders macht und was eine chinesische Erhu ist.

Hamburger Abendblatt:

Herr Landgren, Länderschwerpunkt beim diesjährigen Schleswig-Holstein Musik Festival ist China. Ihre Konzerte in Wedel und Elmshorn im August stehen unter dem Motto "Chinese Flavours". Was können die Besucher sich darunter vorstellen?

Nils Landgren:

Ich trete gemeinsam mit der NDR Bigband, bei der ich fünf Jahre lang fest angestellt war, und der chinesischen Musikerin Ma Xiaohui auf. Ma Xiaohui spielt ein Instrument namens Erhu, ein traditionelles, chinesisches Streichinstrument. Das ist wie eine zweisaitige Geige und es ist unglaublich, wie schön Ma sie spielen kann.

Die Erhu ist in China eines der beliebtesten Instrumente überhaupt, sowohl in der Oper, als auch in der Unterhaltungsmusik, richtig?

Landgren:

Ja, das stimmt. Die Erhu ist in China, was bei uns die Geige ist. Zur Oper gehört sie in China dazu. Sie klingt ungefähr wie eine Mischung aus einer Geige und einer Flöte. Und Ma Xiaohui ist eine echte Virtuosin. In China ist sie ein richtiger Superstar. Zum Beispiel hat sie zusammen mit dem Cellisten Yo-Yo Ma die Musik zu dem Film "Tiger and Dragon" eingespielt.

Wie kam es dazu, dass Sie beide zusammen auftreten?

Landgren:

Ich bin seit einigen Jahren am Shanghai Conservatory of Music als Gastprofessor tätig und habe Ma Xiaohui dadurch in Shanghai kennen gelernt. Wir haben schon oft zusammen gespielt, zunächst in Shanghai, später habe ich sie auch nach Stockholm eingeladen. Und letztes Jahr bei der Weltausstellung in Korea haben wir sogar eine Woche zusammen auf dem Expo-Gelände gespielt.

Was werden Sie und Ma Xiaohui bei den beiden Konzerten in Elmshorn und Wedel spielen?

Landgren:

Ganz traditionelle chinesische Musik, aber arrangiert für die Bigband. Dazu werden wir ein paar deutsche, klassische Komponisten wie Johann Sebastian Bach und sogar Fritz Kreisler vortragen. Also eine bunte Mischung aus ihrer und unserer musikalischen Welt. Das Spannende ist, Ma hat noch nie mit einer Bigband gespielt, und die NDR Bigband hat noch nie eine Erhu-Spielerin begleitet. Das ist also eine Weltpremiere und ich bin mir sicher, dass das ganz eigenartige, aber fantastische Konzerte werden.

Sie treten nicht zum ersten Mal beim Schleswig-Holstein Musik Festival. Was macht das Festival in Ihren Augen so besonders?

Landgren:

Dass es über den ganzen Sommer läuft, jedes Jahr interessante Schwerpunkte hat und den Besuchern wirklich etwas bietet. Denn das Programm ist so großzügig. Außerdem gibt es überall Musik und hochkarätige Konzerte in ganz Schleswig-Holstein, auch in kleinen Orten. Die Musik kommt also zu den Leuten. Ich finde das ist ganz toll gemacht.

Wenn Sie die Zeit hätten, welche anderen Konzerte würden Sie sich gerne ansehen?

Landgren:

Es gibt unheimlich viel, das ich gerne sehen würde. Natürlich die großen Konzerte von Tan Dun und Lang Lang, oder aber auch die chinesische Popsängerin Dadawa. Auf gar keinen Fall werde ich die China National Peking Oper verpassen, denn die habe ich in China schon erlebt und das muss ich noch mal sehen. Außerdem gibt es ein paar Konzerte mit traditionellen chinesischen Flöten, die ich gerne sehen würde. Das Programm ist wirklich unglaublich. Es zeigt, was es in China musikalisch alles gibt, von westlich orientierter bis zu klassischer chinesischer Musik oder auch Jazz. Das glaubt ja keiner, dass Jazz in China überhaupt existiert.

In Shanghai gibt es tatsächlich eine große Jazz-Szene?

Landgren:

In der Tat. Shanghai ist ja eine riesige Stadt und all die großen Luxus-Hotels haben sogenannte Jazz-Clubs, in den Bars wird ständig gespielt. Sowohl lokale Jazz-Musiker als auch Musiker aus den USA gastieren dort jeweils drei Monate lang. Außerdem gibt es vier oder fünf gute, richtig etablierte Jazz-Clubs in Shanghai, wo Musiker aus der ganzen Welt auftreten.

Sie haben mit sechs Jahren angefangen, Musik zu machen und sind in einer sehr musikalischen Familie aufgewachsen, ihr Vater war selbst Jazz-Kornettist. War Ihnen immer klar, dass Sie mal Musiker werden würden?

Landgren:

Nein, das war mir erst mit 16 klar. Damals habe ich es geschafft, ins Musikgymnasium zu kommen, das hat mein Leben verändert. Schon nach dem ersten halben Jahr wusste ich, dass ich bei der Musik bleiben würde. Und ab da ging alles ganz schnell, mit 19 war ich Profi.

Im Laufe Ihrer Karriere haben Sie auf über 500 Alben unterschiedlicher Künstler mitgespielt, darunter Herbie Hancock, Abba und Wyclef Jean. Sind Sie musikalisch für alles offen?

Landgren:

Ich versuche es auf jeden Fall, ja. Manche Sachen kann ich auch nicht, aber Musik im Allgemeinen interessiert mich, egal welche Richtung.

Auf Ihrem aktuellen Album "The Moon, The Stars And You", das 2011 erschienen ist, haben Sie deutlich mehr gesungen. Wissen Sie schon, was Sie als nächstes machen werden?

Landgren:

Oh ja, ich weiß schon genau, was ich machen will. Aber mein Vater hat immer gesagt, du sollst deine Träume und Wünsche nicht verraten, dann sind es nicht mehr deine.

Mittlerweile sind Sie vermehrt als Gastdozent tätig, nicht nur in Shanghai, sondern auch an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Außerdem waren Sie bei vielen Festivals musikalischer Leiter. Was reizt Sie an dieser Arbeit?

Landgren:

Es interessiert mich zu gucken, ob ich das schaffen kann. Außerdem bekomme ich dadurch die Möglichkeit, andere Musiker vorzustellen. Es gibt ja so viele tolle Musiker und ich will, dass die Leute sie auch hören.

Im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals haben Sie auch einen viertägigen Workshop in Pöseldorf initiiert, bei dem Sie Musikstudenten aus Shanghai mit Studenten aus Hamburg zusammen bringen.

Landgren:

Genau, ich wollte gerne eine Verbindung zwischen den deutschen und den chinesischen Studenten herstellen. Die Leiter der Jazz-Abteilungen der beiden Hochschulen und ich stellen während des Workshops eine Bigband zusammen, die zur Hälfte aus chinesischen und zur Hälfte aus Hamburger Studenten besteht. Wir werden mit ihnen sowohl chinesische Kompositionen, als auch Kompositionen für Bigbands einstudieren.

Was wollen Sie mit diesem Workshop erreichen?

Landgren:

Es geht uns um die Kommunikation. Kommunikation durch Musik, aber auch interkulturelle Kommunikation. Ich möchte daraus gerne eine langfristige Zusammenarbeit aufbauen. So ein Musikaustausch ist einfach eine tolle Sache. Wir können viel von den Chinesen lernen, sie haben schließlich eine über 1000 Jahre alte Tradition in ihrer eigenen Musik. Der Workshop ist übrigens öffentlich zugänglich, Besucher sind also herzlich willkommen.