Petra Wegmann aus Wedel fand ihre zweite Heimat auf der hawaiianischen Insel Molokai. Dort hilft sie den Bewohnern bei ihrer Identitätssuche.

Wedel. "Es wird Zeit, dass du nach Hause kommst." Mit diesem Satz begann Petra Gabriele Wegmanns Reise. Eine Reise, die nun schon mehr als zwölf Jahre dauert.

In einem Workshop "Die Urkraft der Weiblichkeit" in Garmisch-Partenkirchen, damals lebte Petra Wegmann noch in München, lernte sie die Hawaiianerin Dutchie kennen. "Sie schaute mir tief in die Augen und sagte, lass den lieben Gott den Piloten auf deiner Reise sein. Es wird Zeit, dass du nach Hause kommst." Noch heute bekommt sie eine Gänsehaut, wenn sie davon erzählt, in ihrer Zweizimmerwohnung in Wedel, wo sie seit einigen Monaten lebt. Die blonde Frau erzählt, wie sie als Kind nachts davon träumte, mit anders aussehenden Menschen auf einer Insel mit vielen Vulkanen am Feuer zu sitzen. Der Traum kehrte immer wieder. "Dabei bin ich nie so weit gereist", sagt sie nachdenklich und blickt aus dem Fenster auf eine Tannenschonung.

Dann spricht sie weiter. "Die Begegnung ging mir nicht mehr aus dem Kopf." Petra Wegmann spart ein Jahr lang, dann fliegt sie nach Big Island und besucht Dutchie und ihre Mitbewohnerin Jojo, die sie zu ihrem Sohn Walter nach Molokai schickt, "dem Herzstück aller hawaiianischen Inseln", mit den Worten: "Was auch immer du suchst, dort wirst es dort finden". Molokai ist ein winziger Punkt im Pazifik. Hier ist das Leben noch am ursprünglichsten. Von den zirka 8000 Bewohnern, einem Mix aus verschiedenen Nationalitäten, leben hier noch 3000 Hawaiianer. Als Petra Wegmann zum ersten Mal auf die Insel reist, weiß sie nicht mehr, als die meisten anderen acht Millionen Touristen, die jedes Jahr nach Hawaii kommen. Dennoch fällt ihr der Abschied nach zwei Monaten unheimlich schwer. Nur Walters Zuversicht kann sie trösten: "Wir sehen uns wieder."

Er behielt Recht. Zwei Jahre später kehrt die Deutsche zurück. "Diesmal stellte ich Walter und seiner Familie viele Fragen." Sie erfährt, dass die Ureinwohner ihre Geschichte mit Hula-Tänzen lebendig hielten, wie sie sich früher im Einklang mit der Natur lebten und von den Ressourcen der Insel ernährten. "Mit meinen Fragen weckte ich in ihnen Erinnerungen an ihre Ursprünge", sagt sie. Mit den Missionaren und Amerikanern kam der westliche Lebensstandart. Die hawaiianische Sprache und der Hula-Tanz waren bis 1989 bei Todesstrafe verboten.

"Nicht jeder konnte sich dem modernen Leben verschließen, da es ums Überleben ging", sagt Petra Wegmann. Lange war die Balance zwischen Tradition und Moderne gestört. Allmählich lebt die Vergangenheit wieder auf. An Schulen wird wieder Hawaiianisch unterrichtet und Hula getanzt.

Auch Petra Wegmann hat ein Stück zum Identitätserhalt der Hawaiianer beigetragen. Immer wieder kehrt sie zurück, bleibt oft sechs Monate, bis ihr Visum ausläuft. Das Band zwischen ihr und den Hawaiianern wird immer fester. "Nach drei Jahren haben Dutchie und ihre Mama Jojo mich adoptiert", sagt sie. Nicht auf dem Papier, sondern mit dem Herzen. Plötzlich hatte die gelernte Krankenschwester die stolze Zahl von 2500 Verwandten.

"Ich verbrachte viel Zeit mit Leimana, Jojos Bruder ", sagt sie. "Er war früher einer der besten Taucher der Gegend. Gemeinsam bauten wir ein traditionelles Fischbecken wieder auf." Dafür lebten sie draußen am Meer und schleppten Dutzende von Steinen. Zunächst ganz allein, denn niemand half ihnen. Mehrmals riss der Sturm alles wieder ein. Tagelang regnete es und die Arbeit musste ruhen. In dieser Zeit brachte Leimana ihr die alten Lieder bei. Bei einem Familientreffen drängte der Hawaiianer Petra Wegmann dazu, diese vorzutragen. Familienoberhaupt Walter hatte Tränen in den Augen. Er erinnerte sich an längst Vergessenes und bat sie, ihm die Lieder beizubringen. "Nun weiß ich, warum du hier bei Leimana bist." Von diesem Tag an half der gesamte Clan, das Fischbecken aufzubauen.

Petra Wegmann lebt gern in Deutschland. Molokai ist ihr anderes Zuhause. Es ist die "Qualität der Einfachheit", die sie nicht mehr loslässt. "Das Wenige, was die Menschen besitzen, teilen sie gern", sagt die Brückenbauerin zwischen beiden Welten. Doch auch das Inselvolk kann von der Deutschen lernen, "organisieren und strukturieren zum Beispiel", sagt sie und lacht, als sie daran denkt, wie oft sie stundenlang warten musste, wenn sie sich verabredet hatte. Längst hat sie die goldene "Hang-Loose"-Regel verinnerlicht: Lass dich fallen und bleib locker.

Mittlerweile begleitet sie Menschen mit Workshops nach Hawaii. Sie hilft ihnen, mehr von der dortigen Kultur zu erfahren und sich selbst zu entdecken. In Deutschland hält sie Vorträge über den Aloha-Spirit, bietet Lomi-Lomi-Nui-Massagen, polynesisches Catering und Kochkurse an. Petra Wegmann ist am Ziel - und längst nicht am Ende ihrer Reise. Bereits im März fliegt sie wieder in ihre zweite Heimat.