Borstel-Hohenraden. Eine hellbraune Holztür in der Front eines Flachdachhauses, irgendwo in Borstel-Hohenraden. Dahinter ein durch zwei kleine Fenster erhellter Raum. Hier proben also "Kill All The Sexy People". Die fünf Jungs balancieren gekonnt auf einem schmalen Grat zwischen völligem Irrsinn und musikalischer Genialität. "Was uns auszeichnet ist, dass wir immer etwas Beklopptes machen und nicht in Genre-Schubladen gesteckt werden können", sagt Lead-Gitarrist Jan "Papa" Hintelmann, 24. "Wir sehen das alles nicht so verbissen, wollen aber als Musiker ernst genommen werden."

Die Musik von Kill All The Sexy People ist im Deathcore angesiedelt, gemischt mit Elementen von Hardcore und diversen anderen Stilrichtungen - und sie passt eigentlich nicht in diesen winzigen Proberaum. Wuchtige Gitarrenrhythmen in allem Tempi wechseln mit filigranen Gitarrenmelodien.

In seinen Texten behandelt Sänger Julian "Joko" Mohr, 21, Tod, Gewalt und Sex auf eine ironische, komische Art und Weise, die so manchem Zuhörer die Sprache verschlägt. In Jogginghose und Unterhemd, den Fuß auf die Bassdrum in der Mitte des Raumes gestützt, schreit er die Texte in sein Mikrofon. "Die Leute müssen sich mit unserer Musik auseinandersetzen. Da ist es nicht mit einem Mal Hören getan", sagt Daniel Christen, zweiter Gitarrist, 23.

Seinem Aussehen nach hat er im Proberaum einer Deathcore-Band absolut nichts zu suchen. Viel mehr wäre ihm wohl Indie oder Rock 'n' Roll zuzutrauen. "Wir sind, wie wir sind, keiner verstellt sich", sagt er. Kill All The Sexy People haben Spaß an ihrer Musik und genau der steht bei ihnen auch im Vordergrund, sowohl live, als auch auf den beiden EPs, die bisher veröffentlich wurden. Die ersten Aufnahmen zur EP "...and keep them in your basement" wurden im Sommer 2010, ausschließlich online publiziert.

"Die EP war für uns wie ein erstes Kind", sagt Schlagzeuger Dario Hüls, 21. Seine Sticks wirbeln nur so über Trommeln und Becken. "Das Album war ein Findungsprozess für uns, um zu sehen wo wir stehen." Die zweite EP "Glory Hole", welche im September 2011 veröffentlicht wurde, ist anders. "Hart", beschreibt Bassist Matthias "Matt" Stutzke, 21, die zweite Platte. Auch er will rein äußerlich nicht so wirklich in das Deathcore-Milieu passen.

Ab Januar geht die Platte in den Versand. Zum Song "Slut Anthem" wurde im September ein Musikvideo veröffentlicht, das auf YouTube mittlerweile bereits über fünftausendmal angeklickt wurde. Es folgt die immer gestellte Frage nach der Entwicklung, zwischen der ersten und der zweiten EP. "Wir sind Reifer geworden", sagt Julian "Und das Songs schreiben war strukturierter."

Zwischen Fotoshootings und Interviews spielen die Jungs mittlerweile auch bei Shows mit internationalen Bands. Diese fünf jungen Männer, die überhaupt nicht nach Deathcore aussehen, proben in dem kleinen, aber hellen Raum mit Holzvertäfelung an Wänden und Decke und einem Sofa ohne Bezug, das dem Ambiente auf merkwürdige Weise gerecht wird. In Wahrheit aber passt dieser Raum zu den Musikern wie die Faust aufs Auge: Immer ein bisschen neben dem Mainstream, immer ein bisschen bekloppt.