Die Stahltür ist der Eingang zum Bunker unter dem Johann-Rist-Gymnasium in Wedel. Früher war dort ein Hilfskrankenhaus eingerichtet.

Wedel. Was für ein Glück, dass eine Zeitung nicht den Geruch hinter diesem Türchen dokumentieren kann. Es ist in etwa eine Mischung aus dem Inneren lang getragener Gummistiefel und defektem Duschabfluss, der hinter der Stahltür auf die Eintretenden lauert. Aber den Besuchern, die vor 30, 40 Jahren diese Gebäude hätten zwangsweise betreten müssen, wäre der Odem sicherlich egal gewesen, denn ein Atomkrieg ist schlimmer. Die Stahltür ist der Eingang zum Bunker unter dem Johann-Rist-Gymnasium in Wedel, in dem während des Kalten Krieges ein Hilfskrankenhaus eingerichtet war.

Oliver Wleklinski vom Verein Hamburger Unterwelten ist einer derjenigen, die über das, was hinter den Bunker-Toren ist, informieren können. Üblicherweise bleiben diese geschlossen. Nur vier Mal im Jahr gibt es eine Führung durch die 5000 Quadratmeter große Anlage, die in den 60er-Jahren mit dem Gymnasium errichtet wurde. "So konnten für den Schulbau erhebliche Zuschüsse eingeworben werden", sagt Wleklinski. Insgesamt 5,61 Millionen Euro hat die Anlage gekostet.

Oberirdisch dienten die Räume in denen heute Fünft-, Sechst- und Siebtklässer untergebracht sind, als Pflegetrakt, auch die Turnhalle hätte zur Pflegestation umgerüstet werden können. 1970 wurde der unterirdische Bunker mit seinen Büro- und Wirtschaftsräumen in Betrieb genommen, 1974 der zweite Bauabschnitt mit einem weiteren Bettentrakt. Insgesamt entstand so das wohl größte der 230 Hilfskrankenhäuser der alten Bundesrepublik. Sie wurden als notwendig erachtet, weil im Notstandsfall mit Evakuierungen gerechnet wurde, zudem mit einem erhöhten Bedarf an Krankenbetten.

Im Verteidigungsfall gegen den Warschauer-Pakt-Angriff hätten 710 Patienten im geschützten und 984 im ungeschützten Teil Zuflucht gefunden, dazu 210 Ärzte und Pflegekräfte. "Einen richtigen Schutz gegen einen direkten Treffer mit einer Atombombe hätte es aber nicht gegeben. Die Betondecke unter der Schule hat eine Stärke von rund 35 Zentimetern, hinzu kommt eine Erdüberdeckung beziehungsweise Überbauung mit Stärken von etwa 45 Zentimetern. Die Wände sind im Bereich der Eingänge etwa 50 Zentimeter stark - das hätte das Gebäude "zwar ABC-sicher, doch nicht bombensicher gemacht", sagt Wleklinski. Er bewegt sich sicher im muffigen Labyrinth von 156 Räumen. Die Küche besitzt vier Kochstellen, um insgesamt etwa 1000 Esser verpflegen zu können. "Bemerkenswertes Inventar war seinerzeit weißes Steingutgeschirr mit Hamburger Stadtwappen", sagt Wleklinski.

Das ist verschwunden, geblieben sind die Dieselmotoren aus dem Unternehmen, das ansonsten Autos mit Stern baut. Zwei Acht-Zylinder mit jeweils 144 PS Dauerleistung hätten Strom in zwei unabhängige Netze einspeisen sollen. So wären fünf Operationsräume mit Nebenräumen wie fürs Röntgen oder die Sterilisation versorgt worden. "Im Ernstfall wäre das Krankenhaus autark gewesen. Binnen 48 Stunden hätte die Einsatzbereitschaft hergestellt werden können", sagt Wleklinski. "Das Überleben wäre drei Wochen lang ohne Versorgung von außen sichergestellt gewesen, vorausgesetzt, man hätte vorher die Vorräte aufgefüllt." Einige Verbrauchsstoffe waren aber dauerhaft eingelagert. Dazu zählten beispielsweise 2311 Deckenbezüge, 135 Schlüpfer und 120 Schnabeltassen und - zuversichtlich trotz aller Atomkriegsgefahren - sechs Säuglingsbadewannen.

Erfreulicherweise brach der Ostblock zusammen, so dass sich der Bunker nie bewähren musste. Allerdings wurde er ab und an anderweitig genutzt: Die Polizei veranstaltete Häuserkampf-Übungen nach der Geiselnahme am Erfurter Gutenberg-Gymnasium und während der heißen Zeit der Demonstrationen gegen das Kernkraftwerk Brokdorf wurden Anfang der 80er Bereitschaftspolizisten hier stationiert. Nach der Wende wurde die Einrichtung vom Bund ans Land übergeben, das die Anlage vor drei Jahren der Stadt übereignete. Seitdem ist man auf der Suche nach neuen Nutzungsmöglichkeiten. Im Gespräch ist beispielsweise die Einbeziehung einiger Bereich in die zu bauende Gymnasiums-Caféteria. Hauptsache, es duftet dann besser als jetzt. (abendblatt.de)