Geschichtsatelier hat 35 starke Frauen aus der Gemeinde porträtiert. Von der Baumschülerin, der resoluten Bäckersgattin bis zur Politikerin

Halstenbek. Ausbildung zur Krankenschwester, Heirat mit 23 Jahren, drei Töchter: Auf den ersten Blick war Frieda Wundrack, geborene Gutschke (1907-67), eine ganz normale Frau, eine durchschnittliche Vertreterin ihrer Generation. Und auch wieder nicht. Denn andere biografische Daten der Arbeitertochter aus Schlesien, die nach ihrer Ausbildung im Krankenhaus Altona 1938 als Gemeindeschwester nach Halstenbek kam, sprechen eine ganz andere Sprache.

In vieler Hinsicht war Frieda Wundrack eine Pionierin: Sie engagierte sich schon in jungen Jahren politisch, trat mit 19 in die SPD ein und leitete von 1949 bis 1951 als Vorsitzende die Arbeiterwohlfahrt in Halstenbek. Sie ließ sich 1954 scheiden und brachte ihre Töchter mit anstrengenden Aushilfsarbeiten als Ableserin bei den Gemeindewerken und als Postzustellerin durch. Vor allem aber war sie die erste Frau im Gemeinderat ihrer Wahlheimat: Von 1951 bis zu ihrem Tod 1967 wirkte sie für die SPD in diesem Gremium. Jetzt hat ihre älteste Tochter Barbara Lemcke der engagierten Mutter ein kleines Denkmal gesetzt: Auf Seite 39 der druckfrischen Publikation "Portraits Halstenbeker Frauen" hat sie die Geschichte der engagierten Bürgerin veröffentlicht. "Ich fand, da gehörte meine Mutter einfach dazu", erläutert die 73-jährige Halstenbekerin ihre Entscheidung.

Barbara Lemcke ist eine von zehn Amateurhistorikerinnen des Halstenbeker Frauengeschichtsateliers. Seit März 2009 haben sie und ihre Mitstreiterinnen unter Anleitung der Historikerin Annette Schlapkohl nach exakten Daten geforscht, Zeitgenössinnen und Angehörige bereits verstorbener Frauen befragt, Fotos zusammengetragen, Lebensläufe rekonstruiert und daraus 26 kurze und elf ausführliche Lebensbilder von Bürgerinnen aus drei Jahrhunderten gezeichnet.

Von der vermögenden Baumschülerin Christine Dorothea Heins (1859-1916) bis zur 100 Jahre später geborenen Grünenpolitikerin Ines Strehlau, der ersten Landtagsabgeordneten aus Halstenbek. Von der resoluten Bäckersgattin Helene Schlüter (1896-1970), die viele Jahre lang der bis zu 15-köpfigen Belegschaft vorstand, bis zu Irma Wördemann (1924-97). 1945 starb ihre ältere Schwester, die erst 21-jährige Irma übernahm von heute auf morgen die Verantwortung für vier Kinder, das Jüngste erst ein Jahr alt. Gemeinsam mit ihrem Bruder sparte die ledige junge Frau jeden Pfennig für ihr eigenes Blumengeschäft, das sie 1948 eröffnete. 40 Jahre lang blieb sie dort ihre eigene Chefin, der Laden am Eidelstedter Weg war eine Institution im Ortsteil Krupunder. "Ich wollte einfach an sie erinnern, ich fand ihre Geschichte toll", sagte Ingrid Meißner - und recherchierte Wördemanns Biografie. Atelier-Kollegin Christiane Kahl bekannte, durch diese Arbeit überhaupt erst Halstenbek richtig kennengelernt zu haben - obwohl sie bereits seit 30 Jahren dort lebt.

"Das öffentliche Leben wird meistens von Männern geprägt", sagt Halstenbeks Gleichstellungsbeauftragte Celia Letzgus. Sie hatte das Projekt initiiert. "Wir wollten abbilden, was zu einem Frauenleben oft ganz selbstverständlich dazugehörte, die Ehrenämter, die Versorgung der Familien." Frauen hätten eine andere, oft umfangreichere Geschichte als Männer. "Ich war beeindruckt davon, wie tüchtig die Frauen waren, auch ohne Ausbildung. Wie sie zum Beispiel als Witwen plötzlich ein Geschäft führen mussten", bilanziert Forscherin Inga Sorge. "Wie mutig sie waren, wie sie Herausforderungen gewuppt haben, zum Beispiel die Flüchtlinge, die hier nach dem Krieg bei Null wieder anfangen mussten."