Raue Schale, weicher Kern: Ehemalige Weggefährten aus dem Kreis Pinneberg würdigen Franz Josef Degenhardt als aufrechten Liedermacher.

Quickborn. "Franz Josef war ein knorriger, sehr origineller Typ mit rauer Schale und weichem Kern. Sein Tod ist ein sehr großer Verlust für die gesamte kritische Kulturszene." Wie der Wedeler Günther Wilke, als Kreis-Chef der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) im Kreis aktiver Antifaschist und persönlich mit dem am Sonntag in seinem Quickborner Haus verstorbenen Liedermacher Franz Josef Degenhardt bekannt, reagierten viele Künstler und Weggefährten im Kreis Pinneberg auf den Tod des 79-jährigen Klassenkämpfers. Sein erster großer Erfolg "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern" verhalf dem studierten Juristen 1965 zum nationalen Durchbruch und ist bis heute das bekannteste seiner Lieder, die annähernd 30 Schallplatten füllen.

"Sein Tod reißt eine Lücke", sagte der Wedeler Komponist und Konzertpianist Gerhard Folkerts, Träger des Kreiskulturpreises 1984. Folkerts war es auch, der die Laudatio auf den Musikerkollegen Degenhardt hielt, als der 2001 die Auszeichnung in der Drostei erhielt. Mit dem unverwechselbaren Timbre seiner Stimme, mit seiner Dichtung und seiner Musik habe der Dichter und Sänger sein Publikum direkt erreicht. "In fast 50 Jahren künstlerischer Auftrittstätigkeit blieb Degenhardt standhaft gegenüber Tratsch und Heuchelei, gegenüber Karrierismus und Servilität. Er zeigt uns die Menschlichkeit, ihre verschüttete Ursprünglichkeit, vielschichtig und vielgesichtig." Mit seinen Romanen, seinen Liedtexten und seiner Musik habe Degenhardt dafür gesorgt, "dass man etwas erfährt von dem, was man sonst nicht erfährt".

"Ich habe ihn als sehr aufrechten Menschen kennen gelernt, der für seine Ideen eintrat und für eine Welt kämpfte, in der alle Menschen gut leben können", kommentierte die Elmshorner Chansonnette Anna Haentjens Degenhardts Tod. "Er hat Rückgrat gezeigt, darin ist er für mich ein Vorbild." Mit der Ballade um die Arbeiterin Natascha Speckenbach hatte Haentjens auch eins von Degenhardts Stücken in einem ihrer Programme.

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+++ Liedermacher Degenhardt in Quickborn gestorben +++

Wie seine Musik eine ganze Generation geprägt hat, zeigt auch die Reaktion eines Nicht-Musikers, der den Polit-Barden in seiner damaligen Funktion als SPD-Politiker bei der Kreiskulturpreisverleihung vor zehn Jahren kennengelernt hatte. "Seine Musik, seine frechen Lieder haben uns einen großen Teil unseres Lebens begleitet", sagte der Appener Hans Ewers, heute Landesvizechef des Nabu. "Für seine Geradlinigkeit habe ich ihn sehr geschätzt. Ich bin betroffen und traurig."

Selbst Persönlichkeiten, die ihm weder politisch noch persönlich nahestanden, wie Kreispräsident Burkhard E. Tiemann (CDU), zollen dem Künstler Degenhardt Respekt: "Er hat die Protestkultur im Deutschland der 60er- und 70er-Jahre maßgeblich geprägt."

"In seiner produktiven Phase war er für mich persönlich der beste Lyriker, den wir in Deutschland hatten", sagt Günther Wilke. "Er war eine feste Säule, die konnte man nicht umstoßen. Er war eigenwillig, äußerst kritisch, auch seinen beiden Söhnen gegenüber, und nicht ohne Gräten, aber menschlich konnte man sich immer auf ihn verlassen. Er war außergewöhnlich treu." Wilke kannte den Linksaußen unter den politischen Liedermachern der alten Bundesrepublik, der seit annähernd 25 Jahren mit seiner Frau Margret, einer Lehrerin, und den beiden Söhnen Kai und Jan in Quickborn wohnte, über das gemeinsame antifaschistische Engagement besser als viele andere Menschen im Kreis Pinneberg.

Obwohl er in Quickborn wohnte, trat der bekennende Marxist selten an die regionale Öffentlichkeit. Sein Konzert 1997 im Wedeler Ernst-Barlach-Saal für die VVN gehört deshalb ebenso wie der Auftritt mit seiner von ihm selbst liebevoll als "Klampfe" titulierten Gitarre in der Drostei anlässlich der Kulturpreisverleihung zu den Raritäten seiner Zeit im Kreis Pinneberg. Er lebte vor allem im letzten Lebensjahrzehnt zurückgezogen, trat seit 2004 vor allem aus Krankheitsgründen nicht mehr auf. Er sei aber auch vorher "kein großer Freund von Partys" gewesen, erinnert sich Wilke. Der leidenschaftliche Kriegsgegner Degenhardt habe eher politische Diskussionen in seinem Quickborner Domizil geschätzt.