Konflikt vor Elmshorner Bahnhof fordert Todesopfer. Thomas L. steht seit gestern wegen Körperverletzung mit Todesfolge vor Gericht.

Elmshorn/Itzehoe. Thomas L. ist Punker. Ein bulliger Typ mit Händen wie Pranken. Einer, der offenbar häufiger im Tattoo-Studio zu Gast ist. Der sich den Schädel fast kahl rasiert und die an einer Stelle verbliebenen Haare rot gefärbt hat. Kurzum: Der 42-Jährige ist kein Typ, mit dem man sich gerne anlegt. Hans-Joachim M. hat es am 16. September vorigen Jahres dennoch getan. Am Ende der Auseinandersetzung war der 57-jährige tot - und Thomas L. muss sich seit gestern vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Itzehoe verantworten. Körperverletzung mit Todesfolge wirft ihm Staatsanwalt Christian Irmer-Tiedt vor.

Die folgenschwere Auseinandersetzung spielte sich um kurz vor 13 Uhr am Elmshorner Bahnhof ab. Vor dem Stilke-Shop, wo sich Menschen wie der 42-Jährige gerne treffen. Menschen, die keine Arbeit haben - und die sich die Zeit mit übermäßigem Alkoholkonsum vertreiben. Auch am Tattag hielt sich Thomas L. seit dem späten Vormittag dort auf und kippte sich ein Bier nach dem anderen rein. Dann wurde er jedoch von dem späteren Opfer, das ebenfalls angetrunken war, angerempelt - und die Situation eskalierte. "Stell dir vor, ich würde so was mit dir machen", soll der 42-Jährige Hans-Joachim M. angeschrien und ihn geschlagen haben. "Sie haben ihm mit der Faust Schläge in Brust und Magenbereich versetzt, die das Opfer abzuwehren versuchte", hielt ihm Staatsanwalt Irmer-Tiedt vor. Ausgelöst durch die Attacke habe das Opfer dann einen Herzinfarkt erlitten und sei zu Boden gestürzt. Irmer-Tiedt: "Sie hätten sehen müssen, dass ihr Verhalten geeignet war, den Tod eines Menschen herbeizuführen."

Thomas L. allerdings sieht das anders. "Ich habe ihn nicht geschlagen", beteuert der Angeklagte. Er berichtet, von dem späteren Opfer von hinten einen massiven Stoß erhalten zu haben und gegen die Schaufensterscheibe geflogen zu sein. "Die wölbte sich nach innen, ich habe mich gewundert, dass sie nicht gebrochen ist." Hans-Joachim M. sei kommentarlos weitergegangen, er habe ihm jedoch nachgesetzt und ihn zur Rede gestellt. "Er hat mich als Penner beschimpft und gesagt, mit so einem wie mir würde er sich nicht abgeben. Dann hat er mich mehrmals am Kragen meiner Jacke gepackt. Ich habe seine Hände weg geschlagen und ihn zurückgeschubst, so insgesamt fünf bis sechs Mal." Dann habe ihn der Kontrahent noch provokativ gefragt, ob er jetzt umfallen solle. "Ich war dabei, mich umzudrehen, als er dann tatsächlich zusammensackte. Erst dachte ich, dass er sich hinlegt, um zu markieren. Dann sah ich, dass er kreidebleich war", berichtet der Angeklagte.

Student Pascal B., 27, kam gerade aus dem Bahnhofstunnel - und hatte die Auseinandersetzung im Blick. "Beide hatten Bierflaschen in der Hand. Der eine boxte dem anderen mit der freien Hand in den Magen. Ich habe erst gedacht, die gehören zusammen und streiten und bin weitergegangen. Nach 50 Metern hörte ich einen Knall, drehte mich um und sah, dass der eine zu Boden gegangen war." Für ihn sei es mehr als eine Schubserei gewesen. "Ich habe das als Schläge angesehen."

Kai-Dieter K. gehört wie der Angeklagte zur Bahnhofstrinkerszene - und erschien mit deutlicher Alkoholfahne im Gerichtssaal. Am Tag des Vorfalls hatte der 52-Jährige bei der Polizei ausgesagt, die Vernehmung umfasst vier Seiten. Jetzt allerdings will er von dem ganzen nichts mehr wissen. "Sie haben ihre Erinnerung versoffen", hielt der Vorsitzende Richter Eberhard Hülsing dem Zeugen vor. "Das kann gut sein", gab Kai-Dieter K. zurück.

Melanie B., 25, ist Arzthelferin und hatte versucht, das Opfer wieder zu beleben. "Ich kam erst dazu, als der Mann schon am Boden lag. Was vorher passiert ist, weiß ich nicht." Bei der Reanimation half auch der Angeklagte, der den Part der Mund-zu-Mund-Beatmung übernahm. Bei Thomas L. wurde, als ihn die Polizei am Abend des 16. September vernehmen konnte, 1,15 Promille festgestellt.

"Normalerweise trinke ich 10 bis 15 Halbe am Tag, wenn es viel wird, auch mal 20", so der Angeklagte, der auf eine langjährige Alkohol- und Drogenkarriere zurückblickt. Er schätzt, bis zur Tatzeit fünf Bier intus gehabt zu haben. Momentan macht Thomas L., dessen Vorstrafenregister mehr als ein Dutzend Eintragungen enthalten soll, eine Therapie - seine vierte. Ihm droht eine Mindeststrafe von drei Jahren. Der Prozess wird fortgesetzt.